Kompass – Zeitung für Piraten

Marina gegen Rechts

Komplettzitat von hier:

Ich hab den Kaffee auf. Gestern war ich auf einer Trauerfeier zum Jom HaSchoa, dem jüdischen Gedenktag zum Holocaust. Ich habe die Gebete mitgesprochen. Bei den Liedern habe ich kurz geweint. Keine Stunde später musste ich mich von Friedmann dafür anschreien lassen, dass wir Nazis in der Partei dulden. Und er ist leider nicht der einzige. Ich bin seit 5 Tagen unter engstem Termindruck in Berlin und versuche nach Kräften, die neuen Ideen, die wir haben, an Menschen zu vermitteln. Aber gefragt werde ich immer wieder nach den Rechten in unserer Partei. Dass sie parteiintern bei uns nichts zu melden haben und wenigstens regelmäßig auffliegen, ist dabei nicht interessant. Einerseits liegt das natürlich daran, dass es eine Angriffsfläche ist und andere Parteien Wahlkampf machen. Es liegt aber auch an unserer Reaktion darauf. Die meisten Piraten, die ich kenne, sprechen sich völlig klar gegen diese Menschen aus. Als das PAV von Thiesen gescheitert ist, haben alle kollektiv gekotzt. Aber einige schaffen es nicht, sich ohne Relativierungen einfach klar von solchem Gedankengut zu distanzieren. Einige verweisen gar auf die Meinungsfreiheit. Mit dieser Diskussion lenken wir prima von dem ab, was uns wichtig ist. Unsere Ideen versinken in lauter Müll und Dreck. Das will ich nicht stehen lassen.

Also Folgende Punkte:

1. Wir müssen Nazis nicht dulden. Meinungsfreiheit ist ein Gut der Gesellschaft. Juristisch muss der Staat es ertragen, wenn Rechte Zeug reden, das noch legal ist. Aber wir sind eine Partei! Parteien sind nicht stellvertretend für die ganze Gesellschaft oder den ganzen Staat. Parteien sind parteiisch. Parteien sind Zusammenschlüsse von Menschen, die mehr oder weniger ähnlich in ihren Idealen sind. Eine Partei muss nicht alles dulden, was der Staat duldet.

2. Wir müssen auch politisch vorgehen. Ich weiß, dass die meisten sich wünschen, bestimmte Typen, die rechtes Gedankengut verbreiten, aus der Partei zu schmeißen. Wir versuchen es jedes Mal. Aber die wenigsten PAVs kommen durch. Juristisch ist das nicht so leicht, was auch die SPD in jüngerer Zeit erfahren durfte. Die Grünen hatten bei ihrer Gründung ein gewaltiges Nazi-Problem. Aber sie haben es überwunden. Das geht nicht nur juristisch, das geht auch politisch. Wenn ein PAV scheitert, bleibt immer noch die Möglichkeit, als Partei deutlich zu machen, dass rechtes Gedankengut keinen Platz bei uns hat. Die Verbreiter dieser Meinungen und Lügen dürfen nicht auf Veranstaltungen eingeladen werden, keine Ämter bekommen, nicht für die Piraten sprechen. Rufe ich damit zum Mobbing auf? Nein, denn hier gibt es einen wichtigen Unterschied: Dieses politische Zeichen ist nicht bedingungslos. Es richtet sich nicht gegen den Menschen, sondern gegen die Meinung. Wenn der Rechte seine eigenen Aussagen und Ansichten revidiert, seine Einstellung glaubhaft ändert, bin ich die erste, die persönlich mit ihm oder ihr in Dialog tritt. Jeder hat die Chance, zu lernen. Aber nur, wenn man das offen und glaubhaft tut. Solange noch diskriminierende Aussagen jedweder Art fallen, will ich sie in dieser Partei nicht tolerieren.

3. Menschen und Ansichten. Nazis einfach aus allen Parteien auszuschließen oder politisch zu isolieren ist nicht die ganze Lösung des Problems. Dadurch geht es nicht weg. Wir müssen uns als Gesellschaft (nicht als Partei!) um diese Menschen kümmern, sie bilden, sie bekanntmachen, ihnen erklären. Wir müssen ihnen immer einen Rückweg offen lassen. Sie treffen die Entscheidung. Viele haben rechte Ansichten aus ihrem Elternhaus oder von ihren Schulfreunden mitbekommen. Wir dürfen diese Menschen nicht ohne Kampf dem Hass überlassen. Aber gegen die Ansichten, die sie vertreten, müssen wir erbarmungslos sein. Denn wir sind besser als die Nazis, wenn wir bestimmte Ideen ausgrenzen.

Ich fordere dazu auf, dass jeder Pirat sich deutlich, ohne Relativierung, distanziert von – Rassismus – Nazionalsozialismus – Geschichtsrevisionismus – Antisemitismus – Islamophobie – Homophobie – Sexismus – und jedem weiteren Weltbild, das Menschengruppen ausgrenzt oder verachtet, wegen Dingen, für die sie nichts können.

Wir sind doch eigentlich eine Partei, die darauf basiert, dass alle Menschen gleichwertig sind. Ich bin es leid, diese Debatte zu führen, die eigentlich keine sein sollte.

Fußnote: Friedmann hat mir in der Sendung ein Zitat von Hartmut Semken vor den Latz geknallt, wo dieser sinngemäß gesagt habe, Rechte und sonstige Andersdenkende auszugrenzen mache uns nicht besser als die NSDAP. Er fragte mich, ob ich seinen Rücktritt fordere. Ich weiß nicht, was im Zusammenschnitt der Sendung noch erhalten ist. Ich habe gesagt, dass ich mich mit dem Zitat befassen muss und sehen muss, ob er das wirklich so gesagt hat und dazu steht. Auf näheres Drängen von Friedmann habe ich gesagt, dass, wenn das so sei, ich, ja, seinen Rücktritt fordern werde. Ich tue dies explizit noch nicht. Ich tue dies nie unreflektiert, nur weil ich von einem schreienden und spuckenden Moderator wegen irgendwas angepflaumt werde. Ich habe Hartmut leider noch nicht telefonisch erreicht. Für mich ist wichtig, ob er zu diesem Satz steht. Lieber HaSe, ich wünsche mir im Lichte des obrigen Artikels eine klare und deutliche Distanzierung von dieser Aussage. Wenn es die schon gibt, schick mir bitte, wo. Ich mag dich und ich kann und will nicht daran glauben, dass das nach gründlichem Durchdenken in dieser Form deine Meinung sein kann. Ich wünsche es mir auch nicht nur von dir. Von allen, die das so sagen. Denn wirkliche Rechte in unserer Partei kann ich (soweit mir bekannt) noch an einer Hand abzählen. Aber Menschen, die sich über das Obrige keine Gedanken gemacht haben, gibt es leider viel mehr.

Es folgen diverse Mitzeichner

Jeder Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit – ohne Ausnahmen oder Einschränkungen wie sie begründet ist – trete ich entschieden entgegen.