Dieser Tage hat mir endlich mal jemand einen entscheidenden Aspekt des griechischen Steuerproblems begreiflich gemacht. Es war Professor Max Otte von der FH Worms und Uni Graz, auf der Mumble-Podiumsdiskussion der AG Geldordnung der Piratenpartei am 25.06.
Steuern unter Nutzung aller möglichen und unmöglichen pfiffigen Tricks nicht zu zahlen ist in Griechenland ja bekanntlich ein beliebter Volkssport, und man fragt sich, ob die lieben Griechen eigentlich allen Ernstes den Zusammenhang nicht sehen. Ob die halt wirklich lieber in Europa betteln gehen als ihre eigenen Schulen, Krankenhäuser und dergleichen zu bezahlen.
Aber so einfach ist es halt nicht – wie so oft. Die Aversion gegen Steuern ist dort, wie so vieles in der griechischen Gesellschaft, geschichtlich gewachsen – beispielsweise in der Zeit der türkischen Besatzung, als Griechenland Bestandteil des Osmanischen Reichs war. Seinerzeit ging das Geld natürlich nicht an griechische Schulen, Krankenhäuser und dergleichen, sondern an die verhassten Besatzer. „Steuern sind für die Türken!“ Entsprechend hatte jeder griechische Patriot die Pflicht, dazu so wenig wie möglich beizutragen.
Freiheit oder Tod, so heißt bis heute das griechische Landesmotto, und bis heute feiert man als Nationalfeiertag den 28. Oktober, den „Nein-Tag“. An diesem Tag im Jahr 1940 lehnte das kleine Griechenland unter General Metaxas ein italienisches Ultimatum zur Kapitulation ab, und zwar in Form eines lakonisch hingerotzten Telegramms, das nur aus einem einzigen Wort bestand:
„Nein“.
Daraufhin griffen die Italiener an, und die zahlenmäßig weit unterlegenen Griechen traten ihnen ordentlich in den Arsch.
In ähnlicher Weise, wie der Problemkomplex aus Digitalkopie und Urheberrecht sowie die gestrigen Geschäftsmodelle der Medienkonzerne in den letzten paar Jahren eine Generation herangezüchtet haben, die darauf trainiert ist, ohne Unrechtsbewusstsein und mit höchster Kreativität nach illegalen Downloads zu suchen, ist dieses Steuervermeidungs-Gen heute aus dieser geschichtlichen Entwicklung heraus tief in der griechischen Volksseele verwurzelt. Das kriegt man auch von außen wohl auch nicht raus – Auflagen hin, deutsche Finanzbeamte her. Im Gegenteil: Jede Intervention von außen schlägt wieder in die gleiche Kerbe, macht alles nur noch schlimmer, erhöht den Widerstand. Freiheit oder Tod.
Es wird daher womöglich wirklich nichts anderes helfen als Griechenland aus dem Euro zu entlassen, damit sie erst einmal ihre eigenen Probleme lösen, selbst eine echte Demokratie entwickeln statt der bisherigen Cliquen- und Vetternwirtschaft. Auf die griechische Weise. So platt es klingt, aber man kann auch dieses Problem nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg lösen.
Der griechischen Unter- und Mittelschicht und ganz besonders unseren Brüdern von der griechischen Piratenpartei ΚΟΜΜΑ ΠΕΙΡΑΤΩΝ ΕΛΛΑΔΑΣ, wünsche ich in den unsterblichen Worten des Lemmy Kilmister ein herzliches „Eat the Rich!“
Ich hab auch ne Aversion gegen Steuern, aber zu blöd: es ist Deutschland hier 😀