Kompass – Zeitung für Piraten

Meinungsmache durch Umfragen II

Ich hatte vermutet, dass der Petitionsausschuss auf meine Petition in der Art antworten würde.

Schreiben des Petitionsausschuss


im Auftrag der Vorsitzenden des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages, Frau Kersten Steinke, MdB, danke ich Ihnen für Ihr Schreiben.

Damit möchten Sie erreichen, dass die undemokratische Beeinflussung von Wahlen durch Meinungsumfragen im Vorfeld zu Wahlen unterbunden wird.

Der Ausschuss sieht von einer Veröffentlichung Ihrer Eingabe auf der Internetseite des Petitionsausschusses ab, weil sie nicht den gewünschten Erfolg haben wird.
Bitte beachten Sie hier auch Punkt Nr. 4e der Richtlinie für die Behandlung von öffentlichen Petitionen gemäß Ziffer 7.1 (4) der Verfahrensgrundsätze; veröffentlicht unter www.bundestag.de/Petitionen.

Das von Ihnen vorgetragene Anliegen hat der Ausschussdienst, dem die Ausarbeitung von Vorschlägen für den Petitionsausschuss obliegt, sorgfältig geprüft. In diese Prüfung wurde die beigefügte Stellungnahme des zuständigen Bundesministeriums des Innern einbezogen.

Nach Prüfung aller Gesichtspunkte kommt der Ausschussdienst zu dem Ergebnis, dass eine Umsetzung Ihres Anliegens angesichts der gegenwärtig auf diesem Gebiet vorliegenden Handlungsprioritäten ausgeschlossen erscheint.

Diese Auffassung stützt sich insbesondere auf die rechtlich und sachlich nicht zu beanstandenden Ausführungen des Fachministeriums, auf die ich zur Begründung und zur Vermeidung von Wiederholungen verweise.

Aus datenschutzrechtlich Gründen wurde die Stellungnahme anonymisiert. Hierfür bitte ich um Ihr Verständnis

Personenbezogene Daten werden unter Wahrung des Datenschutzes gespeichert und verarbeitet.

Die Begründung aus dem Fachministerium finde ich allerdings mehr als dürftig.

Der Petent ist der Ansicht, dass die Veröffentlichung von Wählerumfragen kurz vor Wahlen das Abstimmungsverhalten der Bürger beeinflusse und regt daher an, in zeitlich unmittelbarem Zusammenhang vor Wahlen keine Umfragen mehr zu veröffentlichen.

Dieser Anregung ist aus Sicht des Bundesministeriums des Innern nicht weiter zu folgend.

Art. 38 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) statuiert u.a. den Grundsatz der Wahlfreiheit. Dieser besagt, dass der Wähler seine Stimme frei von Zwang oder sonstiger unzulässiger Beeinflussung abgeben können muss und das insbesondere während des Wahlaktes keine Einflussnahme von außen erfolgen darf (BVerfGE 7, 63, 69, st. Rechtsprechung; weitere Nachweise bei Schreiber, Handbuch des Wahlrechts, 7. Auflage, § 1, Rn 13 a).

Durch Wählerbefragungen, auch zeitnah vor eine Wahl, wird auf den Wähler kein Einfluss oder gar Zwang ausgeübt, der sein Freiheit der Wahlentscheidung in unzulässiger Weise beeinträchtigt. Bislang konnte nicht festgestellt werden, dass Wahlumfragen, das Wahlverhalten überhaupt signifikant beeinflussen (vgl. auch Schreiber, aaO, § 32, Rn 7). Die Meinungsumfragen bieten dem Wähler vielmehr eine Hilfe, seine eigene Entscheidung zu treffen, als dass sie ihn zu einer an sich ungewollten Stimmabgabe „verleiten“, wie es der Petent vorträgt.

Der Bericht der parlamentarischen Enquete-Kommission des österreichischen Nationalrats vom 27 Februar 2002 betreffend mögliche Beeinflussung von Wahlkämpfen bzw. Wahlergebnissen durch Veröffentlichung von Meinungsumfragen unmittelbar vor Wahlen bzw. durch Bekanntgabe von Teilwahlergebnissen vor dem amtlichen Wahlende kommt zu folgendem Ergebnis (1004 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP):
„Gesetzliche Maßnahmen zur Beschränkung der Veröffentlichung von Wahlprognosen innerhalb eines bestimmten Zeitraums vor einer Wahl in Hinblick auf mögliche Einflüsse auf den Wahlkampf bzw. auf das Wahlergebnis werden als nicht zielführend angesehen.“

Im Weiteren wäre ein Verbot der Veröffentlichung von Wahlumfragen zeitnah vor Wahlen mit dem Grundrechten der Informationsfreiheit sowie der Press- und Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG unvereinbar. Die Informationsfreiheit schützt das Recht des Einzelnen, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten; Presse- und Rundfunkfreiheit schützen das Recht von der Verlagen und Rundfunkanstalten, sich ungehindert Informationen zu beschaffen und zu verbreiten. Als Rechtfertigung einer Einschränkung von Informations- und Pressfreiheit käme im Zusammenhang mit Wahlen lediglich der Schutz der Wahlfreiheit gem. Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG in Frage, der jedoch – wie dargelegt – durch die zeitnahe Veröffentlichung von Wahlumfragen nicht tangiert ist.

Die Grenze des rechtlich zulässigen wird durch die §§ 108 ff. Strafgesetzbuch (StGB) und § 32 Bundeswahlgesetz (BWG) definiert. Die Straftatbestände der §§ 108 – 108 c StGB sanktionieren jedes Verhalten, das auf eine Nötigung, Täuschung oder Bestechung des Wählers abzielt. § 32 BWG untersagt am Tag der Wahl jegliche Beeinflussung des Wählers durch Maßnahmen an oder in dem Gebäude, in dem sich der Wahlraum befindet (Abs. 1) bzw. durch die Veröffentlichung von Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe über den Inhalt der Wahlentscheidung vor Ablauf der Wahlzeit (Abs. 2). Dadurch wird nach der oben zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in der für die Freiheit der Wahl besonders sensiblen Phase der Wahl ein ausreichender Schutz des Wählers vor Beeinflussung gewährleistet.

Die bestehende Rechtsordnung schafft somit einen sachgerechten Ausgleich zwischen Informations- und Pressefreiheit auf der einen und dem Schutz der Wähler vor Beeinträchtigungen ihrer freien Wahlentscheidung auf der anderen Seite.

Mir kommt die Argumentation überaus widersprüchlich vor und so etwas kann ich natürlich nicht unbeantwortet lassen:


Die Politik befindet sich immer im Vorfeld von Wahlen.

Welche vorliegenden Handlungsprioritäten auf diesem Gebiet meinen sie?

Also die Daten aus dem Ministerium werden verschwiegen, obwohl Mitarbeiter m.W. in Hinblick auf die Öffentlichkeit nicht dem Datenschutz unterliegen. Während meine Daten fröhlich an andere Stellen weitergegeben werden. Das ist ein ziemlich einseitiges Verhalten und erweckt zudem den Eindruck, dass keine Daten an eine andere Stelle weitergegeben worden wären.

Ich beanstande die Stellungnahme des Fachministerium, sowohl sachlich, wie auch rechtlich.

Ich habe nicht geschrieben, kurz vor Wahlen, sondern im Vorfeld und da sich die Politik immer vor Wahlen befindet ist die Beeinflussung dauerhaft der Fall.

Die Frage der Veröffentlichung stellt sich gar nicht, wenn derartige Umfragen komplett verboten werden.

Wenn im Vorfeld zu einer Wahl, die vom Wähler favorisierte Partei in einer Umfrage unter die 5 %-Hürde fällt, so kann dies beim Wähler zu einem taktischen Wahlverhalten führen und er wählt eine Partei die über die Hürde kommt, um die Stimme nicht zu verschenken. Durch das Label ‚repräsentativ‘ wird suggeriert, die Umfrage würde wirklich die Gesellschaft repräsentieren, was aber allein durch lächerlich geringe Anzahl von Mitwirkenden nicht möglich ist. Auch Abweichungen der Vorhersagen beweisen hier, wie falsch Umfragen liegen. Im Prinzip erinnern die Vorhersagen an Horoskope bzw. Glücksspiel, werden aber als seriöse Wissenschaft verkauft.

Die Behauptung auf den Wähler würde kein unzulässiger Einfluss ausgeübt ist somit schlichtweg falsch.

Es gibt zum Beispiel die Aussage, dass jemand eine Partei nicht wählt, obwohl er sie gerne wählen würde, weil diese Partei in der Umfrage unter 5 % liegt. Somit wird dieser Wähler durch die Umfrage davon abgehalten seinem Wahlwunsch zu folgen, weil ein Wahlorakel einen bestimmten Ausgang vorgaukelt.

Wie sollte denn nachgewiesen werden, dass Wahlumfragen das Wahlverhalten beeinflussen? Mit weiteren Umfragen?

Eine Umfrage, die ein Wahlergebnis vorherorakelt, ist keine Hilfestellung, sondern ein Instrument zur Meinungsmache unter dem Deckmantel eines angeblich seriösen Verfahrens, wobei allerdings in 99 % der Fälle weder die Fragen, noch die Teilnehmerzahlen mitveröffentlicht werden. Das wäre dann u.U. eine Hilfestellung, aber bestimmt nicht zahlen die sich auch jemand ausgedacht hat.

Im übrigen belegt das Innenministerium mit der Aussage, dass Umfragen eine Hilfestellung sind, dass sie Einfluss auf die Wahl haben.

Was soll der Abschnitt über Österreich belegen? Es wird weder ausgeschlossen, dass eine Beeinflussung stattfinden, noch wird sonst etwas hilfreiches verkündet. Dort steht lediglich, dass Österreich eine Einschränkung nicht für zielführend hält. Dies könnte man auch so Interpretieren, dass nur ein Verbot von Umfragen bzw. Veröffentlichung die Manipulation unterbindet.

Ein Verbot der Veröffentlichung von Wahlumfragen in Bezug auf Artikel 5 Abs. 1 ist schon statthaft in Verbindung mit Absatz 2 des Artikel, welcher die rechtlichen Schranken vorgibt. So ist zum Beispiel eine Beleidigung nicht durch Artikel 5 gedeckt, genauso wie die Straftatbestände § 105 ff. StGB (bzgl. Manipulation von Wahlen) eine Einschränkung dieser Freiheiten erlaubt.

Wie kann eine Befragung der Wähler am Tag der Wahl eine Beeinflussung sein und im Vorfeld nicht? Das erscheint mir unlogisch zumal ja vorher ausgesagt wurde, dass eine Umfrage keine Beeinflussung wäre und somit auch am Tag der Wahl zulässig wäre. Den gleichen Einfluss, wie am Tag der Wahl kann eine Umfrage auch vor Wahlen entfalten. Wieso sollte einerseits am Tag der Wahl plötzlich ein Zwang ausgeübt werden, der vorher nicht besteht?

Bei einer Umfrage am Wahltag sehe ich sogar weniger Wahrscheinlichkeit für eine Wählertäuschung als vor den Wahlen.

Bin mal gespannt.