Eine interessanten Einblick in den Stand der TTIP-Verhandlungen lieferte heute morgen der Vorsitzende des Vereins Atlantikbrücke, Friedrich Merz. Der ehemalige CDU-Fraktionsvorsitzende rührte gestern in der Sonntags-FAZ die Werbetrommel für das umstrittene Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten.
Heute früh also im Deutschlandradio sagte Merz zu den TTIP-Protesten aus der Zivilgesellschaft:
Es sind Unterstellungen und hier wird mit unsachlichen Argumenten hantiert. Das Abkommen ist im Entstehen. Es gibt noch gar keinen Text. Ich plädiere sehr dafür, dass wir eine nüchterne und sachliche Debatte führen, sobald die Texte vorliegen, und ich glaube, dass dann neben der Analyse der Texte eine politische Frage beantwortet werden muss: Sind Europäer und Amerikaner miteinander noch partnerfähig?
Schaffen wir es noch, große Abkommen miteinander abzuschließen, die über den rein ökonomischen Gehalt hinaus zeigen, dass wir uns politisch mit Amerika einig sind, wenn es etwa um die großen Fragen der technologischen Standards, auch der Umwelt- und Naturschutzstandards, der Lebensmittelstandards auf dieser Welt geht? Das sollten die Europäer gut erwägen, und ich plädiere auch hier zu einer nüchternen und sachlichen Diskussion, sobald die Texte vorliegen.
Bundeskanzlerin Merkel ist heute im Weißen Haus. Dort steht nicht nur die Ukraine-Krise, sondern auch TTIP auf der Agenda. Wie partnerfähig und auf Augenhöhe Europa bei den Amerikanern ist, zeigt sich ja überdeutlich an der ruppigen Vorgehensweise im Zuge der NSA-Geheimdienstaffäre.
Auf Druck der USA musste ein südamerikanisches Regierungsflugzeug in Wien landen, weil NSA-Whistleblower Edward Snowden an Bord vermutet wurde. Abgehörtes Merkel-Handy, Abwimmeln von Kanzleramtsministern in Washington: die US-Regierung führt sich auf wie eine Besatzungsmacht.
Merkel sagte neulich laut euractiv.de, dass es nichts ausmacht, wenn TTIP nicht nur vom EU-Parlament, sondern auch von den nationalen Parlamenten ratifiziert wird: dies wäre eine weitere Hürde auf dem Weg zum Freihandelsabkommen.
Lobby-Merz
Ex-Fraktionsvorsitzender Merz war in der CDU der 00er Jahre der stets medienpräsente Teil des wirtschaftsliberalen Flügels. Er setzte sich für Steuersenkungen und Privatisierung öffentlicher Leistungen, sowie viel Atomstrom statt erneuerbaren Energien ein.
Berühmt er ist für seine „Steuererklärung auf einem Bierdeckel“. Gesellschaftspolitisch verlangte Merz von Zugezogenen die Anpassung an eine „deutsche Leitkultur“. All diese Aktivitäten entfaltete er parallel zu einer Rekordzahl an Aufsichtsratsmandaten in Großkonzernen.
Wie so viele seines Schlages wurde er von Angela Merkel aus der Partei gedrängt. Doch so ganz geht man nicht: Ende 2014 machte Merz laut Medienberichten bei der Zukunftskommission der CDU mit, dort geht es um „Zusammenhalt stärken – Zukunft der Bürgergesellschaft gestalten“ im Zeichen der digitalen Revolution. Auf der CDU-Webseite zur Kommission wird Merz allerdings nicht namentlich erwähnt.