TTIP, das Freihandelsabkommen zwischen Europäischer Union und Vereinigten Staaten von Amerika, steht seit einiger Zeit im Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik. Die Aufmerksamkeit lässt nicht nach. So sehen sich Verantwortliche gezwungen, auf die Kritik einzugehen, das Abkommen etwas zu entschärfen.
Handelskommissarin Cecila Malmström sagte diesen Mittwoch vor dem Europaparlament, dass sie am umstrittenen Investorenschutz in TTIP festhalten möchte. Dies scheint eine unverhandelbare Position der US-Verhandlungspartner zu sein. Dennoch möchte Malmström neue, strikte Auflagen. Nicht nur das TTIP, auch die etwa 3.000 bestehenden Investschutzabkommen sollen reformiert werden.
Diese Abkommen sind in letzter Zeit ausgeufert. Der eigentliche Zweck, nämlich Ausländer-Investitionen vor Enteignung zu schützen, wird durch immer weitere Rechte ergänzt, und die beschränken den Handlungsspielraum des nationalen Gesetzgebers.
So nutzen weltweit operierende Konzerne die Investoren-Klage, um in einzelnen Staaten Gesetze zu verhindern oder auch in demokratische, verbraucherpolitische Entscheidungen einzugreifen. Beispielsweise verklagte Tabakkonzern Phillip Morris das rabiate Nichtraucherland Uruguay auf 2 Milliarden US-Dollar vor einem Weltbank-Schiedsgericht in Paris.
Ohne Garantie
In Zukunft, so Malmström, soll dann allgemein gelten, dass es keine Garantien auf unveränderliche Rechtsrahmen gibt. Der Investorenschutz soll als internationales Gericht institutionalisiert werden, innerhalb von TTIP soll jedoch vorläufig das Schiedsgericht bleiben, wie es ist, ergänzt um ein neues Berufungsgericht.
Der TTIP-Themenbeauftragte der Piratenpartei, Bruno Kramm geisselte diese Woche Intransparenz und starke Verstöße gegen wesentliche demokratische Prinzipien wie dem Gebot der Partizipation und Mitbestimmung.
In einem Redebeitrag vor dem Petitionsausschuss des Europaparlamentes sagte Kramm:
„Wir haben ein dringendes Recht, über dieses Abkommen alles zu erfahren. Eine laufende, stark frequentierte europäische Bürgerinitiative hat über eine Million Unterschriften gesammelt und belegt eindrucksvoll: Wir Bürger Europas wollen nicht nur Transparenz, sondern Mitbestimmung.
Wir wollen dieses Abkommen so nicht. Denn es geht um die Zukunft unserer Demokratie. Der Mangel an Transparenz und Partizipation zieht sich wie ein roter Faden durch das Abkommen, er ist das Symptom eines fatalen Systemfehlers, der sich bis in die Schiedsgerichte fortpflanzt.“
Kehrtwende
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel legt erneut eine TTIP-technische Kehrtwende hin. Nachdem er in seiner Partei viel Druck auf Kritiker ausübte, sagte er nun der „Süddeutschen“, in bestimmten Punkten des TTIP-Abkommens nicht nachgeben zu wollen. Im schlimmsten Fall will Gabriel das Freihandelsabkommen blockieren, sollten zum Beispiel Sozialstandards abgesenkt werden. „Wir werden keine Privatisierung der Schiedsgerichtsbarkeit erleben“, so Gabriel laut SZ.
Noch im Januar beschimpfte der Vizekanzler in Davos deutsche TTIP-Kritiker als „reich und hysterisch“.
Überhaupt heißt es auf Seiten der Befürworter gerne, der Protest gegen TTIP und die anderen Freihandelsabkommen wie aktuell CETA und TiSA sei ein rein deutsches Phänomen. Was so nicht stimmt. Das zeigt der europaweite Protest.
EU-Bürgerini
Inzwischen sammeln die unermüdlichen TTIP-Aktivisten weiter Stimmen für eine Europäische Bürgerinitiative. Dazu die linke Tageszeitung „Junge Welt“ in ihrer heutigen Ausgabe:
Bis zum Oktober haben die rund 360 Organisationen im internationalen Anti-TTIP-Bündnis noch zur Unterschriftensammlung Zeit. Das nötige Quorum haben sie aber schon jetzt erreicht. Seit Start der EBI im Oktober haben sich 1,589 Millionen Menschen beteiligt, zugleich wurde die Mindestanzahl Unterschriften in zwölf Ländern erreicht. Nötig sind eine Million Unterschriften und das Erreichen des Minimums in sieben EU-Staaten.