Ein Jahr alte interne Dokumente aus dem Justizministerium zeigen große Zweifel an der Rechtmäßigkeit des neuen Gesetzentwurfes zur Einführung der „Mindestspeicherfrist“ oder „Vorratsdatenspeicherung“.
Das enthüllte der „Spiegel“ in seiner Ausgabe vom 8. August 2015, leider ohne die entsprechenden Dokumente zu leaken.
Dreh- und Angelpunkt ist das weitreichende Verbot vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) aus dem April 2014. Die betreffenden Dokumente entstanden offensichtlich kurz danach, als Info für den Minister.
Das Urteil der Luxemburger Richter sei so weitreichend, dass man womöglich allenfalls noch „eine Art anlassbezogener“ Speicherung von Telekommunikationsdaten, etwa „für einen bestimmten Personenkreis“, vorsehen könne, schrieb laut „Spiegel“ ein Referatsleiter aus dem Ministerium nach dem Urteil.
Ähnlich lautete die Einschätzung in einer neunseitigen Vorlage für Maas drei Wochen später, die „Spiegel“-Journalisten einsehen konnten: Nach dem EuGH-Urteil müsse es wohl einen Zusammenhang zwischen den zu speichernden Daten und einer „Bedrohung der öffentlichen Sicherheit“ geben, erläutern die knapp 50 Zeilen Text in der „Spiegel“-Rubrik „Deutschland investigativ“ auf Seite 18.
Das alles sind keine besonders neuen Erkenntnisse. Schon seit Bekanntgabe der Vorratsdaten-Neuauflage wiesen Datenschützer auf die ganz engen Möglichkeiten hin.
Scheinbar ist der Merkel-Regierung völlig egal, wie Bürgerrechte von höchsten Gerichten bewertet werden. Angesichts gigantischer Zustimmungswerte und dem Urvertrauen in die „Leistung“ der Bundeskanzlerin glauben Sicherheitsfreaks, der eine Satz im 2013-er Koalitionsvertrag über neue Vorratsdaten sei wichtiger als das schon ein halbes Jahr später ergangene EuGH-Urteil.
Ministeriale Bedenken werden im Gestzentwurf nicht aufgegriffen, Justizminister Maas, der sich erst gegen die neuen Vorratsdaten positionierte, konnte sich nicht durchsetzen.
Nicht gegen SPD-Chef Sigmar Gabriel, der sich nicht zu schäbig war, die ermordeten Kinder vom Breivik-Attentat in Norwegen zu instrumentalisieren.
Im Gesetz wird einfach alles zum Speichern freigegeben. Das einzige, das garantiert nicht gespeichert wird, sind Anrufe zu und von Telefonseelsorgern, die über eine spezielle Datenbank „excluded“ werden. Ärztekammern forderten kürzlich eine ähnliche Sonderbehandlung für Heilberufe (wir berichteten).