Kompass – Zeitung für Piraten

Gericht: Provider sollen Webseiten sperren, wenn GEMA das verlangt

Zensur
Filtern ist keine Lösung: Aktion aus der Zensursula-Debatte um Internet-Sperren Foto: ksfoto Creative Commons Attribution-ShareAlike License

Diese Woche hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden: Internet-Zugangsanbieter können in letzter Konsequenz verpflichtet werden, ihren Nutzern den Zugang zu bestimmten Web-Angeboten zu sperren. Dies begehrten die Rechteverwertungsgesellschaften GEMA und mehrere Tonträgerhersteller. Sie verlangten, das Provider den Zugang zu Sharehostern wie „goldesel.to“ blocken. Vorausgesetzt, die Rechteinhaber haben erfolglos versucht, die Inhaber zu ermitteln.

Nicole Britz, Vorsitzende der Piratenpartei Bayern:

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Nicole Britz, Foto: Piratenpartei Mittelfranken Creative Commons Attribution-ShareAlike License

„Das ist nichts anderes als ein Versuch, Zensur salonfähig zu machen. Netzsperren haben immer den Beigeschmack einer politischen Verzweiflungstat. Schnell werden dann nicht nur potentiell strafbare, sondern auch kritische Inhalte gesperrt. Die Verantwortlichen wollen aus Unwillen oder Unfähigkeit die eigentlichen Ursachen eines Problems nicht angehen. Stattdessen sollen Zensurinfrastrukturen aufgebaut werden. Sind die erstmal installiert, werden zweifellos weitere Inhalte gesperrt. Die Sperrlisten entziehen sich üblicherweise einer unabhängigen demokratischen Kontrolle. Das ist vollkommen inakzeptabel!“

Ex-Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen scheiterte im Jahr 2009 bei dem Versuch, Netzsperren einzurichten. Sie argumentierte mit dem Schutz vor Kinderpornografie. In den Medien und Netzcommunity führte das zu einem Aufschrei und der „Zensursula-Debatte“.

Bisherige Filtermaßnahmen lassen sich leicht umgehen. Es genügt etwa der Wechsel vom Provider-DNS – eine Art Telefonbuch für die IP-Adressen, in dem dann die zensierten Seiten ausgetragen sind – auf ein externes DNS. Das war eine wenig schwierige Systemeinstellung, die in unter einer Minute erledigt ist.

Neue, nicht ohne weiteres zu brechende, Sperren werden mit einem aufgerüsteten Netz möglich: für Anwendungen wie Vorratsdatenspeicherung oder Anti-Netzneutralität (das Ausbremsen von nicht-providereigenen Inhalten aus kommerzieller Motivation). Im Zuge der Terrorpanik wird Inhalteblocking von Propagandamaterial gefordert. Mobile Netznutzer können nicht gut über das Internet telefonieren: Anbieter wie die Telekom pfuschen dann in dem Datenstrom, so dass das Gespräch unterbrochen wird. Chinesische Verhältnisse halt.

Das offene Internet wird mehr und mehr zu einem gefilterten, vielfältig regulierten Online-Dienst. Provider entwickeln sich vom reinen Daten-Transporteur zu einem gerichtlich verpflichteten Inhalte-Kontrolleur.

Die Lösung wird nur eine politische sein: Klarstellung, dass am Datenstrom nicht gedreht werden darf, echte Netzneutralität. Bei den aktuellen Mehrheiten hat das eher keine Chance, wem es wichtig ist, der muss entsprechend wählen, und zwar nicht Verräter-Parteien wie SPD und Grüne, die geschlossen der neuen Vorratsdatenspeicherung zustimmen, wo immer sie auch an der Macht sind.

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Demo für Netzneutralität auch in den USA, Foto: Backbone Campaign Creative Commons Attribution License

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