Das wegweisende Datenjournalismus-Projekt „Lobbyradar“ läuft beim ZDF zum Jahresende aus. Der IT-Newsseite heise.de sagte ein ZDF-Sprecher, der Dienst solle „nun in-house nicht weiter verfolgt werden“.
Lobbyradar baute eine gewaltige Datenbank über Lobby-Gruppen und Personen auf, jeder konnte per Web darauf zugreifen. Aber der Service ging noch weiter: Lobbyradar folgte dem Websurfer bei seinen Streifzügen über Nachrichtenseiten: ein Browser-Plugin erkennt alle Lobby-Personen und Organisationen in den angesurften Webseiten und markiert sie.
Auf Wunsch zeigt Lobbyradar dann weitere Verbindungen und Informationen. “Manche Nachricht und Geschichte wird so in einen völlig neuen Kontext gesetzt,” sagten die Macher im Mai 2015, als das ZDF mit dem Dienst an den Start ging. Das alles kostenlos, transparent und ohne Speichern von Benutzer-Daten.
Für ein öffentlich-rechtliches Projekt mit 150.000 Euro auch noch sehr kostengünstig. Das entspricht bei etwa 35 Millionen Beitragshaushalten nicht einmal vier hunderstel Eurocent pro Monat.
Diese 0,0004 Euro fürs Lobbyradar sind dem ZDF zu viel, neue Millionenzahlungen für Fußball-Übertragungsrechte und ein Kinderkanal wurden vom Sender als Pseudoargument vorgeschoben.
Lobbydruck, beziehungsweise die politischen Kosten, belasteten stärker. Im ZDF haben traditionell Lobbyisten und Politiker das Sagen. Die vielschichtigen Sendergremien sind statt mit Medienfachleuten und Journalisten mit staatsnahen Persönlichkeiten und Lobbyisten durchsetzt.
Im ZDF-Fernsehrat amtieren nach wie vor unglaublich viele 77 Mitglieder, „die aus den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft kommen und so die pluralistische Gesellschaftsordnung repräsentieren“. Jeder einzelne muss angehört und politisch zufriedengestellt werden.
Übersichtliche Lobbyradar-Transparenz gibt es auf den entsprechenden Webseiten des ZDF nicht: es ist eine mühsame Klickorgie, die Mitglieder und ihre Lobby-/Parteibezüge anzusehen. Listenmäßig gibt es überhaupt nichts. Seit dem 28. Juni 2002 ist der CDU-Politiker Ruprecht Polenz aus Münster Vorsitzender des ZDF-Fernsehrates.
Dem ZDF finanziell auf die Finger schaut der ZDF-Verwaltungsrat. Der kann im Zweifel auch Geld fürs Lobbyradar aus dem Budget streichen und somit übers Budget Zensur ausüben. Acht Mitglieder des Verwaltungsrates werden von den 77 Fernsehräten gewählt, fünf von den Ländern benannt. Die Bundesregierung entsendet ein Mitglied.
Voll gut, ZDF: Im Zweifel also Zuschauersport-Millionen für hochgedopte Betrüger statt Cent-Bruchteile für Transparenz.
Ein Hoch auf die Rundfunksteuermafia, die seit der Beitragsneuregelung in eigener Regie säumige Gebühren eintreiben darf, inklusive Kontoabfrage.
Ab 2016 bzw. 2017 gibt es zu den Gremien-Neuwahlen neue Regeln. Das Verfassungsgericht verdonnerte die Bundesländer, den Anteil „staatsnaher“ Verwaltungsratsmitglieder in Fernseh- und Verwaltungsrat ab Mitte 2015 per Gesetz auf dreißig Prozent zu begrenzen.
Das #zdf stellt das Transparenzprojekt #Lobbyradar ein. Ich lasse prüfen, ob wir #Piraten es weiterführen können. https://t.co/zsS5LTElxt
— Stefan Körner (@sekor) December 10, 2015
Tweet von Stefan Körner, PIRATEN-Deutschland-Vorsitzender: anlässlich ZDF-Lobbyradar-Schließung lässt er prüfen, ob die Piratenpartei es weiterführen kann.