Perfiderweise nennen sie es „Kommunalvertretungsstärkungsgesetz“: die Abgeordneten werden in der NRW-Landtagssitzung am Freitag, 10. Juni 2016, 10 Uhr, über eine neue 2,5-Prozent-Sperrklausel bei Kommunalwahlen abstimmen. Damit werden systematisch kleine Parteien in den Räten verhindert.
Die Initiative der Fraktionen von SPD, CDU und GRÜNEN sieht vor, die Stimmenhürde zur Sicherheit gleich in die Verfassung zu schreiben, so wie es auf Bundesebene bereits auch in der Diskussion war beziehungsweise ist. Damit glauben die etablierten Parteien, das ganze wäre verfassungsgerichtsfest. Wenn sie sich da mal nicht täuschen.
Klagen sind bereits seitens der Piratenpartei angekündigt. „Der vorliegende Gesetzentwurf ist eine Frechheit. SPD, CDU und Grüne haben alle Mitglieder des Landtags belogen – nicht zuletzt haben sie die Menschen im Land betrogen. Eine Sperrklausel ist und bleibt verfassungswidrig. Die Verfassungsgerichtsurteile von 1999 und 2008 sprechen eine deutliche Sprache – diese zu ignorieren, ist arrogant“, sagte Piraten-Abgeordneter Thorsten Sommer.
Kommunalparteienkonferenz
Viele regionale Bürgergruppierungen und kleine Parteien organisieren sich nun gegen die Undemokratie der Großparteien: seitens einer Anfang 2016 gegründeten „Kommunalparteienkonferenz“ gibt es zusätzlichen Druck. Mitglieder sind bisher ÖDP, Tierschutzpartei, Partei der Nichtwähler, Die Violetten und Freie Wähler NRW.
„Durch die von SPD, CDU und GRÜNEN geplante kommunale Sperrklausel wird die Vertretung derartiger Bürgergruppierungen nahezu verunmöglicht“, sagt Gerd Kersting, Landesvorstandsmitglied der Ökologisch-Demokratischen Partei ÖDP-NRW.
Die ÖDP hat bereits eine reiche Historie von NRW-Verfassungsgerichtsentscheiden zum kommunalen Wahlrecht. So kippte die konservativ-mittige Ökopartei bereits 1999 die 5-Prozent Hürde und 2008 dann eine speziell diskriminierend ausgestaltete Sitzverteilung in den Stadträten.
Listenverbindungen mehrerer Parteien zu einer „bunten Liste“ wie etwa in Bayern gibt es nicht. Parteiunabhängige Bürger-Gruppierungen sind durch das 1-Stimmen-Wahlrecht in NRW eh schon benachteiligt. Weil es bei NRW-Kommunalwahlen keine Listenstimme gibt, können diese nur dort gewählt werden, wo sie auch Kandidaten aufgestellt haben. Und dazu können ganz viele Kandidierwillige nötig sein.
Die nächsten NRW-Kommunalwahlen sind erst 2020.
LINK
Kommunalvertretungsstärkungsgesetz
https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-9795.pdf
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