Die europäische Drei-Prozent-Hürde verstößt gegen unser Grundgesetz, urteilten die Bundesverfassungsrichter am 26. Februar 2014. Für die Europawahl am 25. Mai 2014 gibt jetzt nur noch die natürliche Hürde für den ersten Abgeordneten einer Partei, sie liegt bei etwa einem Prozent.
Lässt sich nun aus dem Richterspruch Weitergehendes ableiten, etwa auch für andere innerdeutsche Sperrklauseln?
Zum erfolgreichen Einzug in den Bundestag muß eine deutsche Partei 5 Prozent der gültigen „Zweitstimmen“ ergattern, alternativ drei Direktmandate aus „Erststimmen“ gewinnen.
Daran scheiterten in der letzten Bundestagswahl zwei Parteien sehr knapp. Das Problem: ihre gut 4,1 Millionen Wähler sind schon mal nicht im Bundestag vertreten, wie eben auch die vielen Wähler der weiteren Kleinparteien, darunter allein 959.177 wirkungslose Zweitstimmen der PIRATEN. Die Macht bleibt in der Hand weniger, großer Spieler, die ihre Lieblingsgesetze wie etwa „Vorratsdatenspeicherung“ mit 80 Prozent Mehrheit sogar ins Grundgesetz schreiben können.
Für Parteien nationaler Minderheiten wie Dänen, Friesen, Sorben, Sinti und Roma gilt die 5-Prozent-Hürde nicht. Auch für Landtage und sogar viele Kommunalwahlvertretungen muss eine Prozenthürde überwunden werden.
Gestern warf die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung folgendes in die Diskussion:
„Interessant nun ist, mit welchem Argument die Karlsruher Entscheidung kritisiert wird. Neben utilitaristischen Hinweisen (dann kommen Parteien ins Parlament, die uns nicht passen) und national-egoistischen Argumenten (Deutschlands Einfluss sinkt, wenn viele Splitterparteien gewählt werden) wird vor allem ein Kriterium gegen die Entscheidung angeführt: die Effizienz. (…)
Wenn das Bundesverfassungsgericht für das Europaparlament zu dem Befund kommt, das Prinzip „one man, one vote“ sei wichtiger als die Effizienz, denkt man natürlich sofort an die Bundestagswahlen. (…)
Strenggenommen lässt diese Ungleichbehandlung nur zwei Deutungen zu: Entweder das Bundesverfassungsgericht nimmt das Europaparlament nicht richtig ernst, betrachtet es als ein Minderparlament (böse Zungen sagen: Quatschbude), für das Effizienz nicht so wichtig ist.
Oder: Für die Bundestagswahl muss die Hürde früher oder später auch abgeschafft werden.“
Man kann nicht weiterhin 15% der Wähler von der Teilhabe an der Gesetzgebung ausschließen. Unsere Gesellschaft ändert sich immer schneller und sie differenziert sich immer mehr aus.
Man müßte gegen die 5%-Hürde mit dem Argument klagen: „Entweder fällt die 5%-Hürde oder wir bekommen plebiszitäre Elemente.“
Art. 20 GG läßt das zu.
Hat man beides nicht, sind irgendwann alle, die was ändern wollen frustriert.
Was nützt es denn, wenn man stabile Regierungen hat und die immer GroKos sind?
Am Ende ist die Demokratie tot.
Das über 5 Millionen gültige Stimmen einfach mal nicht zählen, ist auf Dauer nicht haltbar. Hier muss sich etwas tun.
Mal kurz durchgespielt. Im Bundestag hat es 631 Abgeordnete. Das ist eigentlich sehr viel.
Ohne Sperrklausel liegt die Hürde für einen Abgeordneten bei 1/631 also grade mal 0,16 Prozent Wählerstimmenanteil. Dann hätten die Etablierten etwa 95 Abgeordnete weniger, und diese Parteien mindestens einen Sitz: FDP AfD PIRATEN NPD FREIE WÄHLER Tierschutzpartei ÖDP REP Die PARTEI pro Deutschland.
Bei 3-Prozent Sperre startet eine erfolgreiche Partei mit 18 bis 19 Vertretern. Das hätten AFD und FDP geschafft. Von den Etablierten könnten sie mit ihren 4,1 Mio Stimmen satte 59 – 60 Abgeordnetenmandate abziehen – fast 10 Prozent.
Und politisch? Eine mehr oder weniger stabile „große Koalition“ aus CDU/CSU, FDP, AFD und SPD wäre politisch sehr schwierig, vermutlich hätten wir dann irgendwas mit wechselnden Mehrheiten.
Die Sperrklauseln sind ja nicht absolut. Mit den drei Direktkandidaten kann eine lokal sehr starke Partei auch im Bundestag wirken. Die „Partei des demokratischen Sozialismus“ (PDS) hat das in den 90ern geschafft.
Und für Minderheitenparteien wie SSW gilt die Sperrklausel nicht, aber die müssten wenigstens die natürliche Hürde von 0,16 Prozent stemmen oder 70.000 Stimmen. Bei den Landtagswahlen 2012 in SH erreichte die SSW 61.025 Zweitstimmen. Es wäre, wenn die bundesweit auf dem Stimmzettel stehen, durchaus machbar für die.