Kompass – Zeitung für Piraten

Der Kompass-Europa-Kandidatengrill: Angelika Brinkmann

Europakandidatenwahlen der Piratenpartei Deutschland 2014

 

ANGELIKA BRINKMANN - FOTO PRIVAT - BLOG
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Kandidateninterviews

 

Angelika Brinkmann

 

Kompass:

 

Bei den Wahlen zum Europaparlament im Jahr 2009 gelang es zwei Kandidaten der Piratenpartei in die europäische Volksvertretung einzuziehen. 

Amelia Andersdotter und Christian Engström aus Schweden wurden Mitglieder des Gremiums und vertreten seitdem die Interessen der Piraten im Verbund mit der Fraktion der Europäischen Grünen / EFA. 

Am fünfundzwanzigsten Mai 2014 stellen sich die Abgeordneten für das EU-Parlament unter anderem auch in Deutschland erneut dem Votum der Wähler.  

Auf dem Bundesparteitag am 04. und 05. Januar 2014 werden die deutschen Kandidaten der Piratenpartei gewählt.

Damit wir uns ein Bild von Ihnen machen können, befragen wir sie in einer Interviewserie.

 

 

KOMPASS:

 

Es treten neben Dir noch einige weitere Kandidaten zur Wahl auf diesem Parteitag an.

 

Wir möchten Dich bitten, unseren Lesern ein paar persönliche Informationen über Dich zu geben, damit sie einen Eindruck davon gewinnen können, wen sie wählen, wenn sie Deinen Namen ankreuzen.

 

  1. 1.       Was sind Deine politische Schwerpunkte/Themen?

 

ANGELIKA BRINKMANN:

 

Meine Themen sind Finanzen, transatlantische Beziehungen

 

2. Welche europäischen Bezüge siehst Du in den Themenfeldern?

 

ANGELIKA BRINKMANN:

 

Bankenregulierung, gemeinsame Steuerpolitik, TAFTA/TTIP,

 

3. Was sind deine politischen Ziele

 

ANGELIKA BRINKMANN:

 

Europa den Bürgern näher zu bringen. Europa muss neu begründet werden, und zwar durch die Bürger, nicht von Eliten.

 

Die Gründerväter konnten sich erlauben, elitär zu handeln. Heute ist es aber nicht mehr die Angst vor der SS oder der Roten Armee, die die Menschen umtreibt, sondern junge Menschen, aber nicht nur sie, haben Angst vor Arbeitslosigkeit und sozialer Ausgrenzung.

 

Mit Hilfe der Internetplattform Openantrag möchte ich ein Angebot für mehr Bürgerbeteiligung bereitstellen.

 

Dies ist eine Internetplattform bei der die Bürger die Möglichkeit haben, direkt Anträge einzustellen. Das Tool ist bedienungsfreundlich und soll idealerweise den Kontakt zwischen Parlamentariern und Bürgern erleichtern. Ziel ist es, das Sender-Empfänger-Schema aufzulockern.

 

Dies ist als ein Angebot an den Bürger zu verstehen. Die Bringschuld der Informationen liegt bei den Abgeordneten. In diesem Zusammenhang ist es für mich von besonderem Interesse herauszufinden, wie ernsthafte Bürgerbeteiligung durch Transparenz gestaltet werden kann, ohne dass sie den Bürger überfordert.

  

4. Welche Eigenschaften machen dich zu einer geeigneten Kandidatin für das EUParlament?

  

ANGELIKA BRINKMANN:

 

Ich fühle mich stark der Zusammenarbeit verschiedener Gruppen verpflichtet. Desweiteren befasse ich mich gerne mit Fragen unterschiedlichster Problemstellungen und kann gut neue Kontakte knüpfen. Außerdem habe ich Erfahrung in der Analyse politischer Prozesse. 

 

5. Hast Du bereits Erfahrung in Parteiämtern oder politischen Mandaten sammeln können?

  

ANGELIKA BRINKMANN:

  

Ja

  

6. Wenn ja, welche?

  

ANGELIKA BRINKMANN:

 

 Seit April 2011 Finanzbeauftragte von Berlin Charlottenburg-Wilmersdorf; seit Juni 2013 außerdem eine von drei Gebietsbeauftragten.

 

Seit der Wahl 2011 auch Vertreterin der Piraten im Lenkungsausschuss bezirkliches Stadtteilmanagement.

  

7. Bist Du vor Deiner Mitgliedschaft in der Piratenpartei bereits in einer anderen Partei Mitglied gewesen?

 

ANGELIKA BRINKMANN:

 

Als ich im Juli 2009 zu den Piraten kam, warben sie als “Mitmachpartei” für sich. Das hat mich angesprochen und ich konnte auch sofort inhaltlich mitarbeiten, z.B. einen Flyer zum Thema eGK erstellen.

Ich finde das Konzept, durchlässige Organisationsgrenzen zu haben sehr überzeugend, auch wenn es zumindest bei den Piraten erhöhte Anforderungen an die Eigenorganisationsfähigkeiten stellt.

Es ist für mich völlig ok, dass Entscheidungen nur von Mitgliedern getroffen werden dürfen.

Für mich ist wichtig, in Diskussionen und Vorentscheidungen miteingebunden zu werden.

Für LiquidFeedback bedeutet das, über ein Pad mitzudiskutieren und Ideen und Vorschläge einzubringen.

 

Die Piraten bieten mir diese Möglichkeiten in einzigartiger Weise, weshalb ich bisher nicht eingetreten bin und vorher auch noch nie in einer anderen Partei Mitglied war.

  

8. Wie stellst Du dir die Kommunikation mit Presse, Funk, Fernsehen in Deiner Eigenschaft als Abgeordnete des EU-Parlaments vor?

  

ANGELIKA BRINKMANN:

  

Zunächst einmal über die Erstellung von regelmäßigen Berichten, Podcasts, Twitter, Youtube- Videos meiner Ausschussarbeit auf einer Homepage, über die die Presse informiert wird.

 

Idealerweise entwickelt sich dies als ein automatisches Informationstool, auf dass die Presse zurückgreift, sobald etwas interessantes im Ausschuss geschieht. Dazu gehört auch eine rechtzeitige Information über Beratungen, anstehende Anträge etc. hinzu sowie Einladung zu Hintergrundgesprächen.

  

9. Hast Du in diesem Bereich Erfahrung sammeln können?

 

 ANGELIKA BRINKMANN:

 

 Sehr begrenzt auf bezirklicher Ebene. Hier war es häufig klar, welche Themen von Interesse sind und Medienvertreter an Ausschusssitzungen teilnahmen bzw. -nehmen.

  

A) Währung und Finanzen

  

12. Wie ist Deine Position bezüglich der gemeinsamen europäischen Währung Euro?

 

ANGELIKA BRINKMANN:

 

 Ich bin für die Beibehaltung einer gemeinsamen Währung.

 

 13. Bist Du für einen zwischenstaatlichen Finanzausgleich?

 

ANGELIKA BRINKMANN:

 

 Nein, das würde vermutlich eine Regelung außerhalb EU-Rechts bedeuten und das Mitspracherecht des Parlaments einschränken/begrenzen.

 

14. Welche Entscheidungen im Bereich der innereuropäischen Steuergesetze sollen Deiner Ansicht nach getroffen werden?

 

 ANGELIKA BRINKMANN:

 

 Es sollte z.B. eine europäische Umweltsteuer erhoben werden um die Digitalisierung des Stromnetzes zu finanzieren. Neben einer einheitlichen Steuer sollten dementsprechend auch einheitliche Steuererleichterungen eingeführt werden.

 

Firmen sollte es nicht gestattet sein, sich “arm” zu rechnen. In jedem Land sollte ein öffentliches Unternehmensregister eingerichtet werden, mit Namen der Personen, in deren Namen tatsächlich Geschäfte getätigt werden.

 

Einführung einer länderbezogenen Berichtspflicht und eine europaweite Gesamtsteuer (Unitary Taxation) wie z.B. von Attac gefordert, damit international operierenden Firmen wie z.B. Apple, Microsoft, Starbucks nicht durch legale Steuervermeidung sich der Zahlung einer Gewinnsteuer entziehen können.

  

15. Welche Maßnahmen sollte die EU in Bezug auf die Frage der Bankenregulierung ergreifen?

 

 ANGELIKA BRINKMANN:

 

Eines der umstrittensten Projekte ist die Bankenunion, welche leider noch keine Regulierung ist.

Gemeint ist dass Banken selbst für ihre Fehler haften sollen. Die Möglichkeit doch Zugang zu Staatsgelder zu erhalten, sollte unterbunden, oder zumindest stark beschränkt werden. D.h. der Rettungsfond ESM wird nicht ausgeweitet.

Es ist zu überlegen, ob ein bestimmter Prozentsatz der Gesamtsumme für den direkten Zugang zu “reservieren”. Ist diese Summe aufgebraucht, müssen Geldinstitute geschlossen werden.

Wichtig ist auch, wer darüber entscheiden soll. Ich finde, es sollte weder die EU-Kommission allein, noch ein nationales Gremium allein entscheiden. Vielleicht ein nationales Gremium indem auch ein Mitglied des EU-Parlaments vertreten ist. Alternativ ein nationales Gremium, welches dann seine Entscheidung sowohl vor einem EU-Ausschuss als auch der Kommission vertreten muss. 

Des Weiteren ist ebenfalls die Transparenz der Kontrollgremien und deren Zusammensetzung wichtig. Soll nur die Kommission in Abstimmung mit nationalen Behörden agieren?

Oder soll der entsprechende Ausschuss des EU – Parlaments miteinbezogen werden, durch regelmässigen Informationsaustausch?

  

B) Arbeit und Sozialpolitik

  

16. Wie stehst Du zur Freizügigkeit Freizügigkeit auf dem Arbeitsmarkt innerhalb der

EU?

  

ANGELIKA BRINKMANN:

  

Sollte beibehalten werden.

  

17. Welche Maßnahmen sollte das Parlament in Bezug auf die Löhne / Gehälter (Mindestlohn) oder das BGE treffen?

  

ANGELIKA BRINKMANN:

 

Es sollte eine einheitliche europäische Regelung geben.

 

18. Was kann zum Schutz der Arbeitnehmer unternommen werden?

 

 ANGELIKA BRINKMANN:

  

Die Arbeitnehmerentsenderichtlinie muss reformiert werden. Sie soll einen Mindeststandard an Sozialleistungen für Beschäftigte garantieren, die ins EU-Ausland geschickt werden, was aber nicht geschieht.

 

Die EU-Richtlinie sieht die Einhaltung der Sozialstandards im Entsendeland vor, darunter fallen Arbeitszeit und Mindestlohn; strengere Kontrollen helfen nur bedingt.

Entscheidend ist einerseits mehr Transparenz bei den diversen Subunternehmen. 

Andererseits sollte aber auch eine Haftung für Auftraggeber beschlossen werden, um das Sozialdumping nicht nur in Schlachthöfen, sondern auch auf dem Bau und an Werkbänken zu unterbinden.

  

19. Wie sollte die Flüchtlingspolitik Europas aussehen?

  

ANGELIKA BRINKMANN:

  

Die Dublin II Vereinbarung sollte überarbeitet werden. Flüchtlinge sollten, unabhängig davon wo sie zuerst an Land gehen auf die EU-Länder verteilt werden. Desweiteren sollte auch in Nicht-EULändern, die z.Zt viele Flüchtlinge aufnehmen, wie z.B. die Türkei mit Organisationen Kontigente zur Übernahme vereinbart werden.

 

 20. Wie stehst Du zu TTIP / TAFTA (Transatlantic Free Trade Agreement) dem geplanten Handelsabkommen, welche Bedingungen sollten die U.S.A. Deiner Meinung nach erfüllen?

  

ANGELIKA BRINKMANN:

 

 In seiner “State of the Union” Rede im Januar 2013 macht US-Präsident Obama konkrete Sondierungsvorschläge. Seitdem hat sich der Begriff langsam von TAFTA zu TTIP (Transatlantische Handels-und Investmentpartnerschaft) gewandelt. Erste Vorgespräche gab es am 8. Juli in Washington.

Neben TAFTA/TTIP (Kanada/Mexiko) sollen auch die Schweiz, Lichtenstein, Norwegen Island sowie Mazedonien und Türkei einbezogen werden.

 

Verbraucherrechte sollten gestärkt werden und eine Gleichstellung von Wirtschaftssubjekten bei Regierungsaufträgen.

 

Genveränderte Lebensmittel, wenn sie denn nicht ganz ausgenommen werden können, sollte einer einheitlichen Kennzeichnungspflicht unterliegen, die ähnlich drastisch daher kommt wie die Warnung vorm Rauchen bei Zigarettenpackungen.

  

21. Was sollten EU und USA zur Sicherung der Bürger-, Freiheitsrechte der EU Bürger beschließen?

 

 ANGELIKA BRINKMANN:

 

Es sollte genau wie in den U.S.A eine Auskunftspflicht und Klagerecht bestehen, wie beim “First Amendment” Formular.

 

22. Wie ist Deine Position in Bezug auf die Bereiche NSA, GCHQ, Spähaffäre und die Vorratsdatenspeicherung?

  

ANGELIKA BRINKMANN:

 

Sowohl die britischen als auch die US – amerikanischen Parlamentarier haben es an der notwendigen Sorgfalt bei der Kontrolle ihrer Geheimdienste fehlen lassen. Es besteht ein Zusammenhang zwischen der systematischen Ausspähung durch die Geheimdienste und der Bedrohung der Bürger durch die Vorratsdatenspeicherung.

 

Eine anlass-und ausnahmslose Speicherung umfangreicher Daten ist keine unentbehrliche Waffe der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen Terrorismus.

 

Das Bundesverfassungsgericht hat 2010 festgestellt, dass die sechsmonatige anlasslose Speicherung von Telekommunikationsdaten als mit dem Grundgesetzt “schlechthin unvereinbar” ist.

 

Ausserdem hat es festgestellt, dass ein Grundrechtseingriff zur Erreichung der Ziele geeignet, erforderlich und angemessen sein, all diese Voraussetzungen erfüllt die Vorratsdatenspeicherung nicht.

 

Sie ist ein Angriff auf die Privatsphäre und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Bürger.

 

23. Sollten NATO und EU militärische Operationen außerhalb ihrer Staatsterritorien durchführen?

  

ANGELIKA BRINKMANN:

  

Nur als UN-Blauhelmmission.

  

D) Bildung

  

24. Welcher Ansätze sollten hier verfolgt werden, mehr wirtschaftsorientiert oder persönlichkeitsbildende Ausbildungsgänge.

 

ANGELIKA BRINKMANN:

 

 Es sollte Ethik und Nachhaltigkeit in der Wirtschaft als Grundelement vermittelt werden.

  

25. Welche Konzepte sollten bezüglich des Handwerks und der Universitäten verfolgt werden?

 

ANGELIKA BRINKMANN:

 

 In Europa sollte das Konzept der “dualen Ausbildung” stärkere Anwendung finden. Russische Universitäten sollten mit in das Erasmus-Programm aufgenommen werden.

  

E) Verkehr

 

 26. Wie stellst Du Dir in Zukunft Verkerssysteme innerhalb der EU vor?

 

 ANGELIKA BRINKMANN:

 

 Mehr Schiene als Straße

 

 27. Wie stehst Du zu einer europaweiten Maut?

 

 ANGELIKA BRINKMANN:

 

 Würde ich unterstützen unter der Voraussetzung, dass die Einnahmen in einen Topf fließen aus dem Infrastruktur-Projekte bezahlt werden.

 

 F)Fraktion, Parlament, Regierung

 

 28. Wie stehst Du zum sogenannten Fraktionszwang?

 

 ANGELIKA BRINKMANN:

 

 Ich bin gegen Fraktionszwang.

 

 29. Sollten am Ende des Prozesses eine gewählte Europäische Regierung stehen, welche durch das EU-Parlament kontrolliert wird?

 

ANGELIKA BRINKMANN:

 

 Als Fernziel vielleicht, auf dem Weg dahin eine starke Föderation der Nationalstaaten, als eine Art Staatenbund.

 

30. Was wünschst Du dir für die Zukunft Europas?

 

 ANGELIKA BRINKMANN:

 

 Aufbauend auf der Idee eines Staatenbundes die EU als einen demokratischen Staat zu gestalten, wo mehr Rückhalt und Legitimation von den Bürgern eingeholt wird.

 

Das z.B. kann durch mehr Volksentscheid über Grundsatzfragen geschehen, aber auch mit einem Parlament das den Kommissionspräsident ohne Vorauswahl durch die Staats-und Regierungschefs bestimmt.

 

Das würde einen Wahlkampf der Kandidaten erforderlich machen, bei dem sie das ‘Projekt Europa’ in allen Mitgliedsstaaten neu begründet müssen.

 

Mehr Mut zu Europa als Antwort auf die Euroskeptiker.

 

Interview mit Angelika Brinkmann zur Kandidatur  für das Europaparlament 2014

 

Kompass: Angelika Brinkmann, vielen Dank für das Gespräch.

 

Timecodex CC-BY NC ND