Kompass – Zeitung für Piraten

Interview mit Wolfgang Dudda zur Gründung der „Eberhard-Zastrau-Crew“

Wolfgang Dudda ist Landtagsabgeordneter der Piraten in Schleswig-Holstein.

Mit fünf Kolleginnen und Kollegen gestaltet er dort eine ruhige, sachorientierte Politik und geniesst auch in den Reihen der anderen Parteien Respekt.

WOLFGANG DUDDA - FOTO PIRAT TORSTEN KRAHN
WOLFGANG DUDDA – FOTO PIRAT TORSTEN KRAHN

Wolfgang, Du hast vor kurzem mit weiteren Piraten die „Eberhard-Zastrau-Crew“ gegründet.

Für alle, die es nicht wissen: Wer war Eberhard Zastrau?

 

Wolfgang Dudda:

Eberhard Zastrau war einer der fleißigsten Piraten, wenn es um Inhalte ging. Dabei ist es ihm immer gelungen, seine programmatische Quantität mit der nötigen Qualität auszustatten. Nicht nur ich habe von ihm gelernt, wie man einen Antrag schreibt, der zum Einen inhaltlich überzeugt und der zum Anderen formell nicht anfechtbar ist. Eberhard war programmatisch breit aufgestellt.

In der AG Bauen und Verkehr war er genau so zu Hause wie in den Themenbereichen Inneres, Recht und Soziales. Dabei war er immer streitbar, kauzig und kantig. So war unser persönlicher „Start“ beispielsweise aus dem Streit darüber entstanden, dass ich als BuVo 2010 mit dafür verantwortlich war, das Liquid Feedback erst nach einer ausführlichen Diskussion mit den Gegnern später als ursprünglich gedacht zur Verfügung gestellt wurde. Genau dort hat Eberhard die meisten Spuren hinterlassen. Später haben wir zusammen im Liquid Anträge erstellt.

Eberhard war da schon länger schwer erkrankt und hat trotzdem eine enorme Energie an den Tag gelegt, wenn es um  Inhalte ging. Er wusste, dass er bald sterben würde, als er zu seinem letzten Parteitag Ende April 2012 nach Neumünster anreiste. Schon an den Rollstuhl gefesselt schlug er mein Angebot aus, komfortabel bei mir oder anderswo Quartier zu machen. Stattdessen wollte er noch einmal mit „seinen Piraten“ in der Halle übernachten. Ich denke, dass mehr Leidenschaft für unsere Sache kaum denkbar ist, oder?

 

Was hat Dich bewogen, eine neue Gruppe innerhalb der Piratenpartei zu gründen?

 

Wolfgang Dudda:

Zunächst möchte festhalten, dass ich nicht alleine dafür verantwortlich bin. Das ist gemeinsam mit anfangs einer Handvoll Piraten entstanden. Wir waren uns einig darin, dass die parteiinternen Querelen sich gleich stark negativ auf der persönlichen und der inhaltlichen Ebene ausgewirkt haben. An vielen Stellen hat sich bei uns eine destruktive Streitkultur entwickelt. Andererseits ist es inhaltlich in vielen Bereichen zum Totalstillstand gekommen. Eine Partei, die keine Fragen stellt und Antworten entwickelt, braucht niemand.

Beide Aspekte, die Streitkultur und der inhaltliche Stillstand, wollen wir neu und anders als bisher „bedienen“. Dabei wollen wir vertrauen. Das ist ein anderer Ansatz, als ihn die Progressive Plattform verfolgt hat. Wer unseren, in steter Entwicklung befindlichen Kodex akzeptiert, kann bei uns mitmachen. Ohne „Bürgen“ und ohne „Veto“.

 

Welche innere Organisationsstruktur habt Ihr geplant?

 

Wolfgang Dudda:

Strukturell werden wir natürlich als Piraten so hierarchiefrei und offen wie irgend möglich arbeiten. Welche Verantwortungsstrukturen für eine gute Organisation nötig und gewünscht sein werden, können wir noch nicht beurteilen, weil sich die Crew ja noch im Aufbaustadium befindet.

Persönlich würde ich es sehr gut finden, wenn wir uns dabei im „Spirit“ der guten Jahre der Piratenpartei bewegen. Enthusiasmus, Kompetenz und Fleiß im richtigen Mischungsverhältnis mit Toleranz und respektvollem Umgang haben bei uns eigentlich immer effektive Strukturen erzeugt.

 

Wie wollt Ihr politisch in Erscheinung treten?

Welche Themenfelder wollt Ihr beleuchten?

 

Wolfgang Dudda:

Als Crew sind wir ein sehr kleiner Teil der Piratenpartei. Dessen müssen wir uns bewusst sein, wenn wir „politisch in Erscheinung treten“. Wenn wir also wichtige Fragen stellen oder solche beantworten, dürfen wir nach meiner festen Überzeugung inhaltliche Pflöcke nur so setzen, dass sie als unsere erkennbar sind, sofern sie sich auf Parteitagen oder anderswo nicht oder noch nicht durchsetzen konnten. Ich verstehe diese Crew als Ideenschmiede. Die Crew selbst wird demnächst nach der Startphase darüber entscheiden, wie sie sich Gehör verschafft. Hier gilt also: Stay tuned!

Unsere Themenfelder sind in keiner Weise begrenzt. Schwerpunkte unserer politischen Arbeit werden anfangs gewiss die sein, die im Moment in der Piratenpartei weniger populär sind wie z.B. Soziales, Teilhabe, Antifaschismus und Gleichberechtigung.

 

Plant die „Eberhard-Zastrau-Crew“, sich auf dem nächsten Bundesparteitag der Piratenbasis vorzustellen?

 

Wolfgang Dudda:

Wenn das der Wunsch der Crew ist, werden wir uns vorstellen. Ich wünsche mir natürlich, dass wir bis dahin positiv so gut aufgefallen sind, dass so etwas nicht nötig sein wird.

 

Was möchtest Du den Piraten zu Ende dieses Interviews noch zurufen?

 

Wolfgang Dudda:

Unsere Partei ist aus vielen Gründen, selbstverschuldet und von anderen gewollt, unter die Räder gekommen. Das betrifft allerdings „nur“ das Fremdbild und Selbstbild der Partei und ihre aktuellen Umfragewerte, auf die wir übrigens früher deutlich weniger geschielt haben als heute. Nicht betroffen davon sind unsere Inhalte, unser Programm. Nicht davon betroffen ist damit also das nach wie vor wohl modernste politische Angebot im demokratischen Raum.

Wer sich dessen bewusst ist und aus Verantwortung für unsere Gesellschaft politisch arbeiten möchte, kann und soll auf der Grundlage unserer Werte mit breiter Brust als Pirat dafür einstehen und demokratisch kämpfen. Mit einer „Strohfeuermentalität“ geht das nicht. Das braucht einen längeren Atem, als es insbesondere von September 2011 bis zum Frühjahr 2012 den Anschein hatte. Mit dem jüngsten Altersdurchschnitt aller Parteien geht natürlich auch einher, dass Geduld nicht gerade eine unserer Primärtugenden ist. Der nächste politische Level ist anders und schwerer zu erreichen als ein Gamelevel. Um im Bild zu bleiben: Wir haben eines unser Leben verloren. Mehr nicht.

Wer von uns das verstanden hat, gehört auf die Straße oder anderswo hin, um dort die Menschen zu überzeugen, und sollte sich dabei immer daran erinnern, dass uns unser politisches Angebot immer noch mehr vereint als trennt.

 

Interview mit Wolfgang Dudda zur Gründung der „Eberhard-Zastrau-Crew“

 

Kompass:        Wolfgang Dudda, vielen Dank für das Gespräch.

 

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