Kompass – Zeitung für Piraten

Das politische Gespräch: Interview mit Stefan Körner

KOMPASS - DAS POLITISCHE GESPRAECH - INTERVIEW MIT STEFAN KOERNER - be-him CC BY NC ND
KOMPASS – DAS POLITISCHE GESPRAECH – INTERVIEW MIT STEFAN KOERNER – be-him CC BY NC ND

PeGiDa, Datenschutz und Netzpolitik

Wir haben uns mit dem Bundesvorsitzenden der Piraten Stefan Körner über die gegenwärtigen politischen Entwicklungen unterhalten und einen Blick auf die aktuelle politische Debatte um Demoverbote und Gesetzesänderungen geworfen.

KOMPASS:

Stefan, nach den Ereignissen der letzten Wochen hat sich politisch in Deutschland einiges bewegt. Es werden ganz reflexhaft alte Forderungen wie zum Beispiel die Vorratsdatenspeicherung (VDS) aus dem Keller geholt.

1) Wie beurteilst Du als Bundesvorsitzender der Piratenpartei die aktuelle Lage nach den Anschlägen in Frankreich in Bezug auf unsere Bürgerrechte? 

Hätte die VDS an den Ereignissen etwas ändern können, oder kann sie allgemein hier zu Ermittlungsergebnissen führen?

Stefan Körner: Nein, Frankreich hat seit Jahren eine Vorratsdatenspeicherung, die nichts verhindern konnte. Aber eigentlich ist das doch auch nicht das echte Problem. Selbst wenn die VDS kein völlig ungeeignetes Instrument wäre, so bleibt doch der unfassbar tiefe Eingriff in unsere Persönlichkeitsrechte, wenn wir so etwas zulassen. Nur weil unser ehemaliger Innenminister Friedrich Sicherheit für ein “Supergrundrecht” hält, ist das noch lange keine Tatsache. Ganz im Gegenteil, unsere Grundrechte sind bekannt, und eine VDS ist mit diesen und überhaupt einer freiheitlichen Demokratie nicht vereinbar.

 KOMPASS:

2) Wie sind polizeiliche Maßnahmen, wie das „PeGiDa“ – Demoverbot in Dresden politisch zu bewerten?

Stefan Körner: Ich sehe das sehr kritisch. Auf der einen Seite sind mir die Initiatoren und die erklärten Ziele der PEGIDA wie wohl den meisten von uns zutiefst zuwider – auf der anderen Seite aber ist das im Grundgesetz Artikel 8 verankerte Recht auf Versammlung zum Zwecke der Meinungsäußerung für unsere Demokratie ein sehr wesentliches Fundament. Eine Einschränkung wegen eines Tweets – wie es in Dresden angeblich geschehen ist – darf es daher so nicht geben. Ich sehe die Polizei, die meines Wissens nach die Demo am Ende verbot, da schon etwas in Erklärungsnot.

Letztlich sind die rechten Demonstrationen in Dresden, Leipzig und in schwachen Ausläufern auch in anderen Städten eine Herausforderung für die Demokratie und für uns alle als Zivilgesellschaft. So wie wir es gemacht haben, ist es der richtige Umgang. Mit Gegendemonstrationen zeigen, dass sie eben nicht “das Volk” sind, sondern wir, die nicht von Fremdenfeindlichkeit getriebenen, eben die Mehrheit in der Gesellschaft bilden. Jede #No-Veranstaltung dabei hilft uns allen.

 KOMPASS:

3) Drohen uns jetzt weitere Einschränkungen unserer Freiheitsrechte durch die Politik und die Geheimdienste? Ich denke da an Maßnahmen wie den Entzug der Papiere und der Bewegungsfreiheit.

Stefan Körner: Gerade der Beschluss der Regierung, vermeintlichen islamistischen Kämpfern, ohne ein entsprechendes Verfahren den Personalausweis zu entziehen und damit die Grundlage der Freiheit der Wahl des eigenen Aufenthaltsortes zu nehmen, sehe ich sehr kritisch. Auch hier habe ich das Gefühl, dass die Abwägung zwischen Recht, Freiheit und Sicherheit sehr leichtfertig in die falsche Richtung verschoben wird! Ein verantwortungsvoller Umgang sieht definitiv anders aus!

 

KOMPASS: Verlassen wir nun das Feld der aktuellen politischen Ereignisse und wenden uns den allgemeineren Themen zu:

4) Wie schätzt Du das Potenzial der technischen Möglichkeiten von „Freifunk“ in der nahen Zukunft ein?

Stefan Körner: Ich bin davon überzeugt, dass die Freifunkinitiativen eine sehr gute Möglichkeit ist, den Traum von einem überall verfügbaren Internet für alle voranzubringen. Ein weitverbreitetes Freifunk kann verhindern, dass Versuche die Bürger zu drangsalieren, wie es das unsägliche HADOPI in Frankreich mit der Three-Strikes-Regelung tun sollte, funktionieren. Ein Netz, das einfach verfügbar ist und nicht einzelnen Menschen zugeordnete Endpunkte bietet, verhindert auch das “Abdrehen” für missliebige Konsumenten. So kämpft man in der digitalisierten Welt von heute für Freiheit und Bürgerrechte.

 KOMPASS:

5) Schwebt das Damoklesschwert der „Störerhaftung“ weiterhin über dem freien W-Lan? 

Stefan Körner: (lacht) Wir kämpfen auch dagegen an. Konkret unterstützen wir gerade zwei Klagen um zu klären, ob die Störerhaftung nicht endlich abgeschafft wird. Immerhin ist das noch so ein Relikt aus der Zeit des Anfangs der Digitalen Revolution im Kampf der Verwertungsindustrie gegen ihre eigenen Kunden. Als Pirat muss man da zusammengefasst wohl sagen: Das Hilfskonstrukt “Störerhaftung” hat sich als unbrauchbar erwiesen und kann weg.

 KOMPASS:

6) Wie schätzt Du eventuelle datenschutzrechtliche Probleme in Bezug auf die Autobahnmaut ein, wo wir für den LKW-Verkehr automatische Erfassungssysteme in Gebrauch haben?

(Für PKW ist bisher eine Vignettenlösung geplant).

Droht das am Ende allen Autofahrern?

Stefan Körner: Nun, noch haben wir den Vorschlag des Verkehrsministeriums, die Prüfung ob die Maut bezahlt wurde mittels Abgleichs des Kennzeichens mit einer “Datei” zu erledigen. Das bedeutet dann zum einen, dass Kennzeichen gescannt werden müssen und zum anderen, dass es ein Verzeichnis der Zahler oder der Säumigen in digitaler Form geben muss. Das alleine ist für den Datenschützer in uns eine zutiefst beunruhigende Vorstellung. Wenn dann Dobrindt noch sagt, er garantiere den “härtestmöglichen” Datenschutz, sollte uns allen klar sein, dass Datenschutz in deren Konzept keine wirkliche Rolle spielt.

KOMPASS:

7) Welche Chancen und Risiken siehst Du in neuen Technologien wie dem „autonomen“ Auto?

Überwiegen hier die positiven Aspekte, oder eher die Sicherheitsrisiken, wie eine mögliche permanente totale Überwachung und Entmündigung der Menschen?

Stefan Körner: Eine Welt, in der Computer das Fahren übernehmen und die wohl die meisten Unfälle verursachende “Schwachstelle Mensch” im Straßenverkehr ablösen könnte in der Tat eine faszinierende Möglichkeit für die Zukunft sein. Aber auch hier sind sofort wieder die Bedenken, die anfallenden Daten könnten von Konzernen gewinnbringend genutzt werden. Google hat inzwischen eindruckvoll gezeigt, dass ein Unternehmen mit der wirtschaftlichen Auswertung der Privatsphäre jedes Einzelnen von uns zur wertvollsten Marke im Big Business werden kann. Ich weiß von einem Automobilbauer, dass die ernsthaft der Meinung sind, dass die bei der autonomen Mobilisierung anfallenden Daten selbstverständlich dem Hersteller des Fahrzeugs gehören. Ein solches Maß an Unverfrorenheit zeigt, dass wir den Schutz der Daten insgesamt eine wesentlich größere Bedeutung beimessen müssen, als das bislang geschah.

KOMPASS:

8) Stehen Deiner Ansicht nach die Ampeln eher auf grün für Informationsfreiheit und Datensicherheit, oder sind die Law-and-order-Politiker auf dem Weg sich durchzusetzen?

Stefan Körner: Ich glaube nicht, dass das schon entschieden ist. Einerseits sehe ich eine immer stärkere Erkenntnis und Unzufriedenheit in der Bevölkerung, dass sie zum “gläsernen Bürger” oder “gläsernen Konsumenten” werden. Andererseits sind in den etablierten Parteien die vor zwei, drei Jahren kurzfristig aufgetauchten Netzpolitiker inzwischen meist wieder in der Versenkung verschwunden. Ich denke, hier liegt es an uns, diese Themen auf dem Tablett zu behalten, wenn wir eine langfristige Änderung wollen. Vielleicht wäre es Zeit für eine Neuauflage unseres Wahlplakats von 2009: “Transparenter Staat statt gläserner Bürger!”

 KOMPASS:

9) Wie steht die Piratenpartei zu den Plänen der Bundesregierung „schnelle Datenautobahnen“ im Netz zu erlauben, also de facto die Netzneutralität gegen die Bezahlung von Geld auszuhebeln? Gerechtigkeit adé?

Stefan Körner: Letztlich sind diese Pläne ein weiteres Geschenk der Regierung an einige wenige Unternehmen. Gerade die Tatsache, dass alle Inhalte bislang im Netz gleichberechtigt transportiert werden, hat vielen kleinen Unternehmen mit überzeugenden Ideen erst die Möglichkeit gegeben, erfolgreich zu werden. Ist die Netzneutralität erst mal beseitigt, entscheidet wirtschaftliche Macht über den Erfolg eines Projektes im Netz – und die Zeche dafür zahlen am Ende wieder wir Nutzer. Ganz davon abgesehen, dass die Vorstellung, jedes Paket könnte auf seinen Inhalt überprüft werden, bevor es von einem Server weitertransportiert wird, jedem Datenschützer die Haare zu Berge stehen lässt.

KOMPASS: Zuletzt zu einer Frage die uns alle als Nutzer von Technik und Gratisdiensten interessieren sollte:

 10) Was hältst Du von der These von Jaron Lanier, das wir als Nutzer von Technik besser daran täten, keine „Umsonst“- (Gratis-) Programme mehr gegen die unfreiwillige Herausgabe unserer Daten zu nutzen, sondern stattdessen Dienste verwenden sollten, die zwar kostenpflichtig sind, aber kein Data-Mining bei uns als Benutzern betreiben?

Stefan Körner: Ich finde es in der Tat einen interessanten Vorschlag, dass für Dienste, deren Nutzung man mit Daten bezahlt, künftig immer auch eine Version angeboten werden müsste, bei der man für die datengeschützte Nutzung mit Geld bezahlt. Jedoch sehe ich die Gefahr, dass Privatsphäre auf die Art und Weise letztlich zu einem Luxusgut wird. Damit ist klar: Diese Diskussion steht erst am Anfang und wird noch ausführlich zu führen sein.

Insgesamt denke ich, dass uns das Thema Datenschutz noch sehr viel beschäftigen wird. Herbert Prantl hat einmal formuliert, Datenschutz sei Persönlichkeitsschutz. Ich finde, das drückt sehr deutlich aus, worum es am Ende in der ganzen Diskussion wirklich geht. Bei einem zu nachlässigen Umgang mit unseren digitalen Seiten unserer Persönlichkeiten ist nicht weniger als unsere persönliche Existenz in Gefahr.

KOMPASS: Stefan Körner, vielen Dank für das Gespräch.

 

CC BY-SA Juergen Asbeck / Timecodex

Ein Kommentar

  1. Bei den etablierten Parteien waren nicht nur die Netzpolitiker für kurze Zeit populär auch die Themen sind auf einmal thematisiert worden. Jedoch ohne erkennbaren Sachverstand und gewinnbringende Umsetzungen. Jedoch konnte der Öffentlichkeit anscheinend vermittelt werden, dass sich auch die alten Parteien den neuen Heruasforderungen stellen werden. Nur ist seitdem bei der neuen Bundesregierung nicht mehr viel passiert, wie auch in vielen anderen wichtigen Punkten.

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