Kompass – Zeitung für Piraten

Calling Homo Faber: „Das Internet ist kein Platz der Demokratie“

Homo Faber, in der Verfilmung von Volker Schlöndorff – Pressefoto: Kinowelt
Sam Shepard als Walter Faber, in der Verfilmung von Volker Schlöndorff – Foto: Kinowelt

Ein ärgerlicher Beitrag in der „Computerwoche“ von Walter Brenner, Wirtschaftsinformatik-Institutsdirektor an der Uni St. Gallen:

Seit mehr als zehn Jahren gibt es, ausgehend von den USA, teilweise sehr emotional ausgetragene Diskussionen über Netzneutralität. Vor allem auf Seiten der Befürworter der Netzneutralität stelle ich teilweise eine idealistische, teilweise weltfremde Einstellung zum Internet fest. Es wird der Eindruck erweckt, das Internet sei ein Platz der Gleichheit, der Gerechtigkeit und der Demokratie. Ich teile diese Einstellung nicht.

Streng rational, technisch orientiertes Weltbild wie Max Frischs tragischer Anti-Held Walter Faber. In so einer Welt ist das Internet natürlich kein Ort der Demokratie, sondern Mittel für Profitmaximierung gesichtsloser Großkonzerne.

Auch EU-Kommissar Günther Oettinger, Freund der Lobby-Wirtschaft, sprach neulich gegen allgemeine Gleichheit im Datennetz.

Um drastische Vergleiche ist er nicht verlegen. Letzte Woche sagte er, in Sachen Netzneutralität „haben wir gerade in Deutschland talbian-artige Entwicklungen. Da ist die Netzgemeinde, da sind die Piraten unterwegs, da gehts um perfekte Gleichmacherei.“ (siehe folgendes Video)

Hochriskante Netz-Anwendungen wie Operationsbesprechungen im Krankenhaus oder autonomes Fahren seien durch Netzneutralität gefährdet.

Dass solche Dienste überhaupt nichts im offenen Internet zu suchen haben, verschweigt der ehemalige Großfan von brutal gegen Bürger durchgesetzten Bahnhofsprojekt „Stuttgart 21“ und Nazi-Todesrichter Filbinger. Die deutsche Bahn etwa verwendet für ihre Züge einen eigens aufgebauten, vom öffentlichen Netz getrennten Mobilfunk namens GSM-R. Ebenso Polizei und Militär.

Geht es um Leben und Tod, machen eigene Infrastrukturen sehr viel Sinn, und es steht Krankenhäusern und Autokonzernen frei, eigene Netze aufzubauen oder Standleitungen mit garantierter Verbindungsqualität zu mieten.

Lobby vs. Internet

Das will die Lobbywirtschaft um Oettinger wirklich: es ist ein Kampf gegen Freiheit im Netz. Denn die freien Inhalte im Internet sind grundsätzlich stärker als alles, was Konzerne hervorbringen – geschlossene Dienste setzten sich nie durch.

Da hilft ihnen nur eine künstliche Bremse wie fehlende Netzneutralität, die Bürger, NGOs und kleine Startups niederhält, zum Nutzen der riesigen Anbieter.

De-Mail am Anfang-zum-Ende

Letztes Beispiel: De-Mail, der angeblich super-sichere E-Maildienst für sichere Elektropost an deutsche Behörden. De-Mail kostete lange Zeit Grundgebühr und Porto, erst zur letzten CeBit 2014 gab es kostenlose Privatkundenangebote von GMX und Web.de. Außerdem fehlt es an echter Sicherheit, auch mit einer jüngst vorgestellten Nachrüstung.

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Stefan Körner. Foto: be-him CC BY NC ND

„Die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für De-Mail kommt viel zu spät. Und auch mit Plugin bleibt De-Mail von Grund auf schlecht konstruiert.

Es ist nur allzu offensichtlich, dass hier mit mehr oder weniger geschicktem Marketing versucht wird, das massive Akzeptanzproblem, das De-Mail – zu Recht in der Bevölkerung hat – zu beheben“, erklärt Stefan Körner, Bundesvorsitzender der Piratenpartei.


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