Die Netzneutralität, also das gleichberechtigte Durchleiten von Inhalten durch das Internet, ist durch einen faulen Kompromiss bedroht. Der Kampf um das diskriminierungsfreie Internet findet momentan in Brüssel statt.
Ausgehandelt werden die „Regeln zur Harmonisierung für den Digitalen Binnenmarkt“, ein umfassendes Gesetzespaket, das grundlegende Weichen für die europäischen Telekommunikationsunternehmen stellt.
Das klare Bekenntnis zur Netzneutralität steht hier auf der Kippe. Noch Anfang 2015 gab es dazu ein deutliches Ja im EU-Parlament. Nun scheint sich ein Eingehen auf die Position der EU-Kommission abzuzeichnen. Dafür winkt den Parlamentariern das Kommissions-Okay für kostenloses Roaming, also Handytelefonieren im EU-Ausland ohne Extra-Zuschläge.
Also wieder einmal ein Verkauf von Freiheitsrechten zugunsten einer populären, beim Wahlvolk leicht vermarktbaren „Lösung“, nämlich keinen Auslandsroaming-Gebühren.
Was passiert bei einem nicht neutralen Netz:
- Die Europäische Kommission und der Europäische Rat wollen durchdrücken, dass Providern Extrapreise für die Benutzung bestimmter Online-Services verlangen können. Denkbar sind Sondergebühren für den Zugriff auf Netflix, Youtube oder Google oder indirekte „Schutzgebühren„, die Telekoms direkt von Internetfirmen kassieren, damit ihre Daten störungsfrei zu Endverbrauchern gelangen. Das zerstört die bisher gewohnte Offenheit und auch Meinungsfreiheit sowie Wettbewerbschancen, sagen Kritiker.
Stefan Körner, Vorsitzender der Piraten, erklärte das Vorgehen der Telekomfirmen im Januar so: „Die andere Säule des Kerngeschäfts ist die Konnektivität, die Erreichbarkeit von Host zu Host über Provider-Grenzen hinweg. An genau dieser Stelle wollen Telekom und Co. mit ihren Forderungen nach Zusatzdiensten zum Nachteil von Nutzern und Anbietern eingreifen.“
- Weiter soll Providern erlaubt sein, Inhalte zu blockieren und zu filtern und somit darüber entscheiden, welche Informationen für ihre Nutzer zugänglich sind und welche nicht. Einige Internetanbieter unterbinden bereits heute die Nutzung bestimmter Dienste z.B. Skype oder Filesharing oder wollen bestimmte Dienste gegen Bezahlung bevorzugt behandeln, z.B. das firmeneigene Telekom Entertain.
- Es drohen flächendeckende „Kinderschutz„-Filter im Netz, die jedem Internetnutzer zukünftig aufgezwängt werden dürfen und mit ausufernden Filterlisten die Netzinhalte zusammenzensieren. Im Zuge der Neuauflage des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages werden bereits entsprechende Forderungen laut.
Auf einer Vodafone-Veranstaltung am 4. Dezember 2014 erwärmte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für die bevorzugte Behandlung bestimmter Internet-Dienstanbieter und verabschiedete sich so vom Prinzip der Netzneutralität. Als Begründung führte sie zukünftige neue Dienste wie Telemedizin an.
Zur Zeit läuft die EU-„Trilog“-Beratung, in der das endgültige Gesetz entsteht.
Auf https://savetheinternet.eu/de/ fordert eine gemeinsame Initiative europäischer NGOs die Nutzer auf, ihre Abgeordneten zu kontaktieren. Das EU-Parlament soll für die netzfreundliche Entscheidung aus April 2014 einstehen.
Die Piratenpartei Deutschland spricht sich gegen Drosselungen der Internetverbindungen von Verbrauchern und die Abkehr von bewährten Flatrate-Tarifen aus. Die PIRATEN fordern eine gesetzliche Festschreibung von Netzneutralität und einen bundesweiten Ausbau der Telekommunikationsinfrastruktur.
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