Die Bundeskammern von Ärzten, Zahnärzten, Apothekern und Psychologischen Psychotherapeuten üben Kritik an dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung von Telefon-Daten. Das meldete heute die „Ärzte Zeitung“. In einem gemeinsamen Schreiben, datiert 10. Juli, fordern die Kammern eine ärzte-spezifische Ausnahme von der VDS:
Die besondere Schutzbedürftigkeit von Gesprächen zwischen ÄrztInnen, ZahnärztInnen, ApothekerInnen oder PsychotherapeutInnen und ihren PatientInnen machen es auch im Rahmen der Telekommunikation erforderlich, den PatientInnen die Sicherheit zu geben, dass die Kontaktaufnahme zu Angehörigen unserer Professionen keine negativen Konsequenzen nach sich ziehen kann. Dieses Vertrauen wird durch die Vorratsdatenspeicherung in der jetzt vorgesehenen Form untergraben.
Der Vorratsdaten-Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, alle Daten ausnahmslos zu speichern: bis auf Gespräche mit Seelsorgern.
Die Ärzte fordern nun, ebenso wie Seelsorger in eine Telefonnummernliste bei der Bundesnetzagentur aufgenommen zu werden. Die Vorratsdatenspeicherung bei den einzelnen Telekoms solle von vorneherein keine Arzt-Patienten-Gespräche erfassen.
Die Hintergründe: Im Telekommunikationsgesetz ist laut Paragraph 99, Absatz 2, ein Einzelverbindungsnachweis zu Anschlüssen von Personen, Behörden und Organisationen in sozialen oder kirchlichen Bereichen ausgenommen. Bedingung: wenn sie „grundsätzlich“ anonym bleibenden Anrufern überwiegend telefonische Beratung in seelischen oder sozialen Notlagen anbieten und einer besonderen Verschwiegenheitspflicht unterliegen. Diese Speichersperre gilt jedoch nur, soweit die Bundesnetzagentur die Seelsorgernummern eine Liste aufgenommen hat.
Der Referentenentwurf zu den neuen Vorratsdaten zieht den nur für Einzelverbindungen gedachten Schutz für Telefonseelsorge-Anrufe hinüber in die Vorratsdaten-Neuregelung:
Daten, die den in § 99 Absatz 2 genannten Verbindungen zugrunde liegen, dürfen auf Grund dieser Vorschrift nicht gespeichert werden. Dies gilt entsprechend für Telefonverbindungen, die von den in § 99 Absatz 2 genannten Stellen ausgehen. § 99 Absatz 2 Satz 2 bis 7 gilt entsprechend.
Im Ergebnis: Die Vorratsdaten-Kritik der Ärztefunktionäre ist also eher lasch. Sie ist begrenzt auf das eigene Mitglieder-Interesse. Keine Lösung für alle. Auch Journalisten und ihre vertraulichen Kontakte sind betroffen. Abgesehen von Firmen und ihren Geschäftsgeheimnissen, sowie natürlich den Rechten aller Telekommunikationsnutzer und auch Telekommunikations-Bürgerbewegungen wie Freifunk.
Un-Sicherheits-Politik
Ursprünglich unintelligent angelegte Netze wie das Internet werden auf einmal „intelligenter“, komplexer und somit fehleranfälliger, unsicherer und noch stärker angreifbar. Überall in den Netzen, vom kleinsten bis zum größten, muss neue Speichertechnik her. Auch die europäische Aufweichung der Netzneutralität spielt eine ungute Rolle, durch erweiterte Paketfilter bei den Telekomanbietern. Unsicherheit durch „Sicherheit“: das ist das Paradox einer irren, freidrehenden Sicherheitsbürokratie mit deren oberstem Repräsentant, Innenminister Thomas de Maizière.
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