Zeitungen haben es nicht leicht. Von allen Seiten stehen sie unter Druck. Die Leser wandern ins Netz und lesen dort gratis. Auto-, Haus- und Stellenanzeigen-Märkte brechen ein. Online-Abos funktionieren nur begrenzt. Schlagzeilen-Zusammenfasser wie Google News präsentieren das Angebot, ohne den Verlagen etwas zu bezahlen. In den USA machten in der Wirtschaftskrise reihenweise jahrhundertealte Blätter dicht. So krass gabs das im Noch-Zeitungsleseland Deutschland noch nicht. Hier ist Redaktionszusammenlegung das Mittel der Wahl.
Was tun? Das böse Internet ist schuld, denken die Verleger. Also muß ein Gesetz her, das die Zeitungsbranche schützt: das „Leistungsschutzrecht für Presseverlage“ soll für jegliche gewerbliche Nutzung, etwa am Büro-PC, zur Zahlungspflicht führen. Mit einer Verwertungsgesellschaft a la GEMA wollen die Verlage dann ans Kundengeld.
Merkel-Steuer
Unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel ist sich nicht zu schade, einer weiteren geistigen Enteignung der Menschen in Deutschland das Wort zu reden. Beim Zeitungsverlegerkongress sagte sie dieser Tage:
In anderen Bereichen hingegen ist eine stärkere Regulierung im Interesse der Verleger. Das betrifft insbesondere den Schutz geistigen Eigentums. Problematisch sind etwa Dienste sogenannter Nachrichten-Aggregatoren, die teilweise auf fremder verlegerischer Arbeit aufbauen, ohne diese zu vergüten.
Dann sollen die Verlage doch einfach keine Daten an Google herausgeben. Google respektiert entsprechende Einstellungen auf Webseiten. Und schon gibts keine Google-News-Schlagzeilen. Weiter darf das Zitatrecht nicht angetastet werden. Es muß weiterhin jedermann, auch dem gewerblich tätigen, erlaubt sein, lizenzkostenfrei Nachrichtentexte und Zeitungstexte auszugsweise zu verwerten. Das ist wichtig für die demokratische Meinungsbildung und wichtiger als „geistiges Eigentum“.
Verlegerische Leistungen kosten Zeit und Geld. Deswegen kann ich auch gut verstehen, dass ein Leistungsschutzrecht für Verleger gefordert wird. Deshalb arbeitet die Bundesregierung derzeit an einem Gesetzentwurf, der das Urheberrecht weiter an die Anforderungen einer modernen Informationsgesellschaft anpassen soll. Wir haben es nicht vergessen; es wird vorangetrieben.
Die Arbeiten an dieser neuen Entrechtung sind umgehend einzustellen. Das Urheberrecht ist zu reformieren. Leistungsschutzrechte sind dramatisch zurückzufahren. Der überzogene Autorenschutz von faktisch 100 Jahren ist auf eine angemessene Schutzdauer von 20 – 30 Jahren nach Veröffentlichung zurückzuführen.
Wir streben eine ausgewogene Regelung an, die den berechtigten Interessen aller Beteiligten Rechnung trägt. Im Übrigen werden wir diese Debatte um den Schutz der Rechte von Herausgebern und Journalisten an der Nutzung ihrer Werke auch auf europäischer Ebene vorantreiben, denn in Deutschland allein reicht eine solche Lösung nicht aus.
Nein Danke. Im wenig demokratischen Hauruck-Lobby-Europa hat die Exekutive in Form der EU-Kommission die Musikrechte weiter verlängert. Europa ist ein Selbstbedienungsladen der Lobbyisten, die sogar Personal für die Chefetage im Urheberrechtsbereich stellen. So wird nationale Politik trickreich umgangen, und die Menschen weiter geistig enteignet, hier konkret um die Beatles-Musikaufnahmen, für die es endlich Zeit für Gemeinfreiheit gewesen wäre.
Wie ein künftiges Leistungsschutzrecht für Verleger auch immer aussehen mag – ein Allheilmittel wird es nach meiner Überzeugung nicht sein. Wir werden uns vor der Aufgabe trotzdem nicht drücken. Wir haben im Übrigen schon oft erlebt, dass, wenn wir in Deutschland eine Regelung eingeführt hatten, sie auch auf europäischer Ebene implementiert werden konnte.
Hier wieder der Verweis auf Europa und die Mahnung an die wenig innovativen Verleger, die noch ihren fetten zweistelligen Monopol-Renditen hinterherträumen und so ihre Zukunft im Netz verpeilen. Jetzt, wo alles wegbröckelt, fordern sie dreist ein Sonderrecht. Merkel macht offensichtlich mit, weil die Wähler nicht realisieren, wie sie von den Verlegern ausgetrickst werden. Kommt die Rechnung, ist es zu spät. Aber Merkel wird noch deutlicher.
Wir dürfen und wir können allerdings nicht allein mit gesetzlichen Anpassungen auf neue Möglichkeiten digitaler Technologien reagieren, sondern es bleiben in erster Linie auch innovative Presseverleger gefragt, die immer wieder neue Wege gehen.
Mit Gesetzen zu Lasten aller kann eine Branche nicht subventioniert werden. Gierig schreien die Verleger nach ihrer Spezialsteuer. Bald kriegen wir wieder Minutenabrechnung a la Compuserve statt freies Internet, es wird mehr Überwachung des Netztraffics nötig, vielleicht kommt die Newspaper-Tax gleich auf die Provider-Rechnung. Ein Kilobyte Pressetext 60 Eurocent netto. Insgesamt ist das Projekt eine große Unverschämtheit der Verlage und ein potentieller Bürgerbetrug der Bundesregierung.
Im aktuellen Kompass 2 widmen wir dem Thema „Leistungsschutzrecht für Presseverlage“ ganze 4 Seiten auf totem Holz.
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