Bernhard von Grünberg, 1. Vorsitzender des Mieterbundes NRW e.V.
Interview zum KOMPASS – Artikel: „Gentrifizierung – „Wohnst Du noch, oder wirst Du schon saniert?“
1) Ist eine Mietpreisbindung eine Lösung? (Wie könnte die aussehen?)
Mieten im freifinanzierten Wohnungsbau können nur im Rahmen der sog. „ortsüblichen Vergleichsmiete“ angehoben werden, die in der Regel in Mietspiegeln nach Erhebungen festgestellt wird. Allerdings werden nur die Mieten erfasst, die Neuvermietungsmieten sind bzw. bei denen es in den letzten vier Jahren Mieterhöhungen gegeben hat. Bei angespannten Wohnungsmärkten steigen die Neuvermietungsmieten stark an, sodass sich bei der nächsten Fortschreibung des Mietspiegels alle Bestandsmieten diesem hohen Niveau anpassen und es neue Mieterhöhungsspielräume gibt, ohne dass der Vermieter z.B. durch Investitionen den Wert der Wohnung gesteigert hat.
Der Deutsche Mieterbund fordert daher, dass möglichst alle Mieten Basis für die Erhebung der ortsüblichen Vergleichsmiete werden. Darüber hinaus möchten wir erreichen, dass Neuvermietungsmieten nicht mehr als 10% über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen dürfen.
Bisher gibt es als theoretische Kappung nur die Mietpreisüberhöhung und den Mietwucher. Nach dem Wirtschaftsstrafgesetz (WiStG) ist eine Miete, die 20% über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt, eine Ordnungswidrigkeit. Eine Miete, die 50% über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt, ist ein Mietwuchertatbestand.
Tatsächlich werden diese Vorschriften von den Städten und den Staatsanwaltschaften kaum noch angewendet, weil die Rechtsprechung verlangt, dass die Vermieter die Ausnutzung einer Zwangslage des Mieters bei der Vermietung kannte. Im Übrigen führt eine entspannte Marktlage in einem Stadtteil dazu, dass für die gesamte Stadt die erforderliche „Ausnutzung einer Zwangslage“ entfällt, weil die Auffassung vertreten wird, der Mieter hätte ja in diesen Stadtteil ziehen können.
Der Deutsche Mieterbund möchte, dass diese Einschränkungen durch den Gesetzgeber geändert werden, damit die Vorschriften der Mietpreisbremse durch Mietpreisüberhöhungen und Mietwucher wieder Wirkung entfachen.
2) Lässt sich das Problem über den sozialen Wohnungsbau eindämmen?
Natürlich brauchen wir gerade bei angespannten Wohnungsmärkten öffentlichen Wohnraum. Das Problem ist, dass bei angespannten Wohnungsmärkten auch die Wohnungspreise hoch sind und daher die Finanzierung äußerst schwierig ist. Es wird daher vorgeschlagen, dass bei jedem neuen Bebauungsplan oder bei der Genehmigung einer weiteren Verdichtung des Innenstadtbereiches eine Quote für den Sozialen Wohnungsbau von z.B. 30% auferlegt wird. Ähnliches gibt es bereits in München und Hamburg.
3) Soll man die Mietpreise an andere Faktoren binden, wie z.B. die Inflationsrate? (mit einem Faktor?)
Ich glaube nicht, dass die Inflationsrate sinnvoll ist, da es auch Regionen mit Wohnungsüberhang gibt. Da würde eine automatische Mietsteigerung nach der Inflationsrate zu Erhöhungen führen, die nichts mit der Nachfrage zu tun haben.
4) Welche weiteren Lösungsansätze könnte man wählen?
Die Einführung der Zweckentfremdungsverordnung ist sinnvoll, weil sie die Umwandlung von Wohn- in Büroräume und das spekulative Leerstehenlassen von Wohnungen mit Bußgeldern belegt. Darüber hinaus kann man über die Instrumente der Erhaltungssatzung versuchen, teure Modernisierungs- und Sanierungsprojekte in Stadtteilen zu stoppen bzw. zu verlangsamen.
Herr von Grünberg, vielen Dank für das Gespräch.
Kontakt zum Deutschen Mieterbund NRW e.V.:
Bernhard von Grünberg
1. Vorsitzender
Deutscher Mieterbund NRW e.V.
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Tel. 0211/ 586 009 – 11
Fax 0211/ 586 009 – 29
Interview: Timecodex / CC-BY NC ND