Kompass – Zeitung für Piraten

Gastbeitrag von Hollarius: Wie segeln wir weiter? Piratige Kommunikation II

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FUER DIESES SYSTEM IST EIN UPDATE VERFÜGBAR – FOTO be-him CC-BY NC ND

We are sailing ….

Ähm, ja, weiter geht es. Im letzten Post habe ich über die innerpiratige Kommunkation geschrieben und was wir da dringend ändern sollten. Heute kommt die Kommunikation nach außen dran – und ich möchte hier ausdrücklich betonen, dass einiges von dem, was ich hier schreiben werde, von einer Diskussion inspiriert wurde, die am letzten Dienstag nach der Sitzung der AG Öffentlichkeitsarbeit NRW im Mumble stattfand. Und da ich damit quasi auch zugebe, dass ich zum Presseteam eines der stärkeren Landesverbände gehöre, muss ich mir gewisse Missstände auch selbst ankreiden. (Nachtrag: es geht hier um die Kommunikation zur Presse, zu den Medien, einen weiteren Beitrag zur Öffentlichkeitsarbeit in Richtung Wähler wird es dann noch geben – der Artikel ist mir halt wieder etwas lang geworden)

Schaut man sich die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des letzten Jahres so an, so bleibt nicht besonders viel wirklich Positives zu berichten. Wir verloren von Monat zu Monat mehr die Möglichkeit mit unseren Themen in die Medien zu kommen, niemand interessierte sich für uns, es seid denn, es gab Krach und Streit und Auflösungserscheinungen – das war zumindest hier und da mal für eine knackige Überschrift gut.

Jetzt gibt es viele, und zeitweise habe ich da auch zu gehört, die sich einen Aluhut aufgezogen haben und meinten, dass die Medien uns absichtlich verschweigen. Nein, das ist allenfalls ein kleiner Nebenaspekt. Klar, wir sind entschiedene Gegner des Leistungsschutzrechtes für Verlage, wir wollen auch sonst nicht bei der Festschreibung aller möglichen anderen Rechte zur Ausbeutung der kreativen Zunft mitmachen – das macht uns nicht beliebt bei Verlagen und so. Aber sind wir deswegen keine Nachricht mehr wert?

Nein, da machen wir es uns definitiv zu einfach.

In gewisser Weise wollen wir das Spiel der Presse einfach nicht mitmachen und deswegen interessiert man sich nicht so sehr für uns. Wir wollen nicht dieses symbiotische Verhältnis eingehen, das die Presse oft mit anderen Parteien eingeht. Diese ganze Mauschelei mit persönlichen Freundschaften und Gefallen, das Klinkenputzen, das Katzbuckeln, die exklusiven Interviews und diese Nachricht bekommt jetzt dieser oder jener zuerst. Das alles ist nicht nur ethisch fragwürdig, es ist nicht nur das, was wir so gerne an anderen Parteien kritisieren, es macht auch keine Nachrichten.

Klar, wenn ihr peinliche Homestorys Nachrichten nennt, oder irgendwelche Freundlichkeiten, die man eventuell einem Journalisten aus der Seite leiern kann – Leute, das ist ein Irrtum, damit kommen wir keinen Deut weiter. Ein etwas spröder Umgang mit der Presse ist völlig in Ordnung, ein Ablehnen aller Exklusivität, ein Ablehnen aller Mauscheleien, und nein, wir müssen auch nicht Klinkenputzen.

Als Journalist hat mich nichts mehr angekötzelt, als wenn die Damen und Herren Politiker auf Kameradschaft gemacht haben, vereinnahmend auf mich zu gerannt kamen, wenn sie mich nur von weitem sahen. Vielleicht bin ich ja keine Ausnahme, und das geht anderen auch so. Und wie gesagt, Beziehungen ersetzen eines niemals: Nachrichten!

Und warum erzeugen wir eigentlich keine Nachrichten mehr? Das hat mehrere Gründe. Erstens sind wir nicht mehr neu. Und das ist ein Problem. Denn weil wir nicht mehr neu sind, überrascht es weniger, was wir sagen. Gut, jetzt kann man natürlich anmerken, dass Frau Merkel noch nie etwas Neues gesagt hätte, etwas Substanzielles noch viel weniger – das ist richtig, aber sie hat leider diese Wichtigkeit, von der Journalisten oft meinen, sie würde für Nachrichten reichen. Deswegen sind politische Teile von Zeitungen oft so uninteressant, weil da nur Wichtigkeiten drin stehen und keine Neuigkeiten. Würden da nur Neuigkeiten drin stehen, würden wir von Frau Merkel monatelang nichts hören. Okay, dann müssen wir uns fragen: Sind wir wichtig? Nun ja, wir sind natürlich von unserer eigenen Wichtigkeit überzeugt, so lange wir aber nicht gewählt werden, ist da nicht viel mit wichtig. Wir sind nicht neu, wir sind nicht wichtig, nun, wie machen wir das denn jetzt mit dem Nachrichtenwert?

Grob gesagt, in dem wir ein bisschen auf die Kacke hauen.

Und in dem wir seriös politisch arbeiten – beides geht und beides hat seine Daseinsberechtigung, sollte es auch noch zusammen gehen, wäre das höchst erfreulich. Ja, kryptische Worte, ich erklär ja schon: Ersteres meint, wir müssen ganz deutlich werden und, ganz wichtig, wir müssen unsere Botschaften mit Emotionen verbinden. Das Zweite, das mit der seriösen politischen Arbeit, das machen wir ja eigentlich schon, auch wenn das jetzt nicht jeder, der über die Piraten so hört, was es so in den Medien gibt, sofort unterschreiben wird. Aber wir haben viele fähige Leute, wir haben die besten Ideen, das klappt schon. Das mit der Kacke und dem Hauen klappt üblicherweise nicht. (Und, das sei hier erwähnt, das war mal anders)

Es gibt da einen fatalen Zusammenhang zwischen unserer internen Kommunikation, über die ich ja schon einiges geschrieben habe, und der nach außen. Wenn ich eine Äußerung von mir gebe, die knackig formuliert ist, und meine Begeisterung, meine Wut oder meine Verzweiflung gut transportiert, dann werden mir viele davon abraten, diese auch zu veröffentlichen. In vorrauseilendem Gehorsam zensieren wir uns selbst, wir, die wir die Partei sind, die doch so allergisch gegen Zensur ist.

Warum ist das so?

Wegen unserer internen Kommunikation. Denn für jede Äußerung, die uns in die Öffentlichkeit bringt, wird man Kritik einstecken, und im Normalfall wird diese Kritik beleidigende Züge haben, ja oftmals in Richtung Mobbing gehen. Und diese Kritik gibt es auch in der Öffentlichkeit, auf Twitter nämlich, und natürlich wird auch das von der Presse mitgelesen.

Ich für meinen Teil zeige jedem den virtuellen Stinkefinger, der mich dafür kritisiert, dass ich etwas mache. Nach meiner ersten eher zerstörerischen Kritik, die ich als Künstler einsteckte, sagte mir jemand, dass nur der kritisiert werden kann, der etwas macht. Ist ein wirklich wichtiger Spruch, sollte man auch in der Politik dran denken. Ich bin übrigens auch hier in meinem Blog ein Tyrann, der mit Beleidigungen und Unverschämtheiten, ja sogar mit einfach nur destruktiver Kritik so umgeht, wie es jeder machen sollte: Die kommt sofort in den Mülleimer. Ja, ist Zensur, und?

Aber für einen solchen Umgang mit Kritik muss man relativ abgeklärt sein. Man braucht dafür auch Selbstvertrauen. Wir alle kennen ja eigentlich die Sprüche, das „Haters gonna hate!“, das „Don’t feed the troll!“ – aber das ist ja das Gemeine, wir gehen davon aus, dass das Arschlochpotential innerhalb der Partei gar nicht so groß ist, man fragt sich auch, ob hier und da vielleicht etwas dran ist an der Kritik, weil man noch gar nicht gemerkt hat, dass da nichts Konstruktives hinter steckt, sondern einfach nur unverhohlene Machtpolitik. Die führt aber eben immer wieder zur Selbstzensur, und wenn man dann noch bedenkt, dass zum Beispiel Pressemitteilungen oft in gemeinsamer Arbeit entstehen, dann kommt da sehr schnell eine gewisse Beliebigkeit rein – und Beliebigkeit hat eben auch wieder nur dann einen Nachrichtenwert, wenn sie wahlweise aus dem Munde des Bundespräsidenten kommt, oder aus dem der Kanzlerin – und vielleicht noch vom Papst.

Wir müssen in unserer Öffentlichkeitsarbeit wieder Risiken eingehen,

darauf läuft alles hinaus, was ich bisher geschrieben habe. Denn, nichts lockert so schön einen Artikel auf, wie ein knackiges Zitat. Wenn ich meine alten Notizbücher aus Journalistenzeiten anschaue, dann stehen da zu sechzig oder mehr Prozent NUR Zitate drin. Die sind Gold wert. Ich kann mit guter Schreibe Leute dazu bringen, dass sie gern weiterlesen, aber in meinen Text kriege ich die Augen nur, wenn ich überrasche – und genau dazu sind Zitate nun mal da. Und dann müssen die Zitate halt geistreich, kritisch, scharf und gerne auch mit Humor gewürzt sein. Und die bekomme ich eben nicht durch Konsensentscheidungen. Die bekomme ich nicht, wenn ich die ganze Zeit darüber nachdenke, was morgen auf Twitter los ist.

Die bekomme ich nicht, wenn ich möglichst seriös sein will.

Das beißt sich übrigens nicht mit dem Anspruch, politisch seriös sein zu wollen. Ja, man wird hier und da etwas verkürzen, ja, man wird manchmal so klingen, als wollte man die anderen Parteien vor den Kopf stoßen – aber keine Sorge, die kennen das schon, die gehen miteinander alle so um und auf persönlicher Ebene sind die dann alle ganz freundlich miteinander. Ja, es ist ein bisschen Show dabei, aber mir ist ein bisschen Show lieber, als weiteres anpassen und größtmögliche Kungelei mit der Presse.

Es gibt Stimmen, die sagen, dass wir gar nicht mehr in die Presse kommunizieren sollten, sollen sie doch fragen. Andere meinen, wir sollten dringend die modisch benannte „proaktive Pressearbeit“ machen, und von uns aus auf die Presse zugehen, Redaktionen anrufen, Klinken putzen. Ich halte beides für eher unpraktisch. Pressemitteilungen müssen geschrieben werden, damit man auf unsere Termine hinweist, die haben eine Priorität, denn man muss von Seiten der Presse merken können, dass wir was tun.

Die dürfen ja auch immer vorbeikommen, wir sind ja auch immer öffentlich.

Inhaltliche Sachen würde ich als Blogposts besser finden. Die sind dann, auch wenn sie von Teams geschrieben werden, gerne einem Hauptautoren zugeordnet, der dann von der Presse auch damit zitiert werden kann. Und ja, jeder Blogpost kann auch einfach in den Presseverteiler gekippt werden – man will ja nicht, dass die Presse extra googlen muss.

Aber ja, das würde mir an Pressearbeit völlig reichen. Wir müssen nicht professioneller im Einschleimen bei der Presse werden, wir müssen wieder Nachrichten produzieren. Und wenn wir das nicht schaffen, dann ist es auch völlig in Ordnung, wenn wir bei 2,2 Prozent stehen. Welpenschutz ist halt nichts lange Andauerndes. Wir müssen Risiken eingehen, wir müssen das Maul aufmachen und Risiken eingehen!

Gastbeitrag von Hollarius

Ein Kommentar

  1. Hallo hollarius, ich habe im Wahlkampf (bin auch NRWler) viel Einsatz gesehen und viel Gutes. Aber auch viel Ungutes (ne Liste steht unten). Wir waren da nicht zu greifen, für die Medien. Da stimme ich dir zu, wir müssen wieder mehr riskieren, aufregender werden, aber auch interessante Nachrichten haben. Da fängt es ja bei unseren Parteimedien an: die Webseite ist eher so meh. Könnte man was machen.

    Letzlich sind aber im Vorfeld viele Dinge zusammengekommen, die das große Engagement vieler Piraten nicht belohnt haben.

    – Massives Basisversagen seit dem Bällebad/FreeHugs-Bundesparteitag 2012.1 Neumünster durch Wahl ungeeigneter Bundesvorstände. Da war der Hype des Hypes, die Leute haben echt geglaubt, wir sind die neue Volkspartei und morgen wird das BGE vollumfänglich mi PIRATEN-Macht eingeführt. Die Folge:

    – Wir als Piraten haben jetzt im Wahlkampf keinen Medienpush bekommen, dank schlechten Image aus den kontinuierlichen Ponader/Buvo/Gate-Fuckups.

    Es gab Berichterstattung, aber nicht in dem Umfang, wie es nötig gewesen wäre für die 5 oder 3-Prozent-Hürde. In den Medien muss sich ein Redakteur, der ein Thema machen will, immer gegen andere (Themen) durchsetzen und in einer Konferenz rechtfertigen. PIRATEN-Image negativ kostet da unglaublich viel –> „Mach lieber was über die Linken,Grünen, Af*“.

    – Der BPT 2013.1 im bayrichen Neumarkt brachte mit #ichbinmotivert keine Wende in der Außenwahrnehmung, sondern nur einen kurzen Aufmerksamkeits-Blip. (schaut mal in trends.google.com –> Deutschland –> Zeitraum ca 4 Jahre –> Suchbegriff „Piraten / Piratenpartei“).

    – Es gab im Wahlkampf keine Medien-„Köpfe“, also auf medieninteressant gecastete 3-4 Spitzenkandidaten als Maximum, das eine Presse und die Talkshoweinlader so verarbeiten kann.

    – Ausserdem mangelte es an Geld (Großspenden sind böse), Ressourcen (alles last-minute) und Manpower (viele Sympathisanten haben sich wg. Gender und anderen fuckups auf inaktiv geschaltet).

    – Eine kampagnenorientierte Wahlkampfplanung fand nicht statt, es gab — aus der Außensicht — ein wirres Hin und Her mit zig „Pressemeldungen“ bzw. in NRW eine unrealistische Über-Planung mit den „Themenwochen“.

    Aber ich finde, dass wir jetzt die Chance nutzen müssen, das zur Kommunalwahl/Europawahl zu drehen, wenn wir das mit den Medienköpfen und Wahlkampf-Kernthemen mediengerechter angehen.

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