Kompass – Zeitung für Piraten

Unser Wahlkampf: Verheddert? / Das können wir besser !

Ja, wo soll ich anfangen?

So viel zu lesen im Wahlprogramm der Piratenpartei 2013: „Wir stellen das in Frage“
So viel zu lesen im Wahlprogramm der Piratenpartei 2013:
„Wir stellen das in Frage“

Unsere Strategie hieß: „Themen statt Köpfe“. Wir hatten also viele Themen und noch mehr Köpfe, da jedes Thema seine eigene Visualisierung hatte. Unsere Plakate waren toll, aber viel zu viele. Noch dazu fehlte ihnen so ein wenig das letzte Quentchen Originalität, das wir noch zur Landtagswahl sichtbar dargestellt haben. Sie waren insgesamt zu brav.

Während wir also an den Infoständen mit den Flyern breit aufgestellt waren, haben wir mit unseren Plakaten die Wähler eher verwirrt. Die Flyer waren prima, von der Sprache her aber für viele Wähler zu kompliziert. Das wurde uns an den Infoständen sehr oft gesagt, die Leute haben die Fremdwörter schlicht nicht immer verstanden.

Außerdem haben sie bemängelt, dass sie, um umfassend informiert zu sein, gleich ein Bündel Flyer mitnehmen mussten, besser wäre es wohl gewesen, ein, zwei klare, einfache und themenübergreifende Flyer zu verwenden. So eine Art Kurzübersicht der Programmatik.

Presse

In unserer Pressekommunikation kam in den Monaten vor der Wahl insbesondere die NSA-Affäre vor, ein Thema das vor allem uns Piraten bewegt hat, an den Infoständen sprachen uns die interessierten Bürger aber auf das BGE, Rente, Sozialabgaben, Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt, unsere Vorstellungen von Bildung und so weiter an.

Am Einsatz hat es nicht gefehlt: überall Infostände, Plakate und Flyeraktionen. PIRATENSTAND CARSCH HAUS - IMG_1891 - Foto be-him CC-BY NC ND - BLOG
Am Einsatz hat es nicht gefehlt: überall Infostände, Plakate und Flyeraktionen. PIRATENSTAND CARSCH HAUS – IMG_1891 – Foto be-him CC-BY NC ND – BLOG

Die Menschen interessierten sich also für ganz andere Dinge, als wir ihnen in der veröffentlichten Kommunikation vorgesetzt haben.

Unser klassisches Datenschutzthema war gut für die ca. 2% der Stammwähler, nicht aber für die restlichen 3% die wir auch noch ansprechen wollten.

Schade, die Themen dazu hatten wir.

Die Art in der wir die Pressemitteilungen abgefasst hatten, war sehr oft davon geprägt zu sagen, was Andere alles falsch machen, oder schon in der Überschrift Forderungen zu stellen.

Bei den Redakteuren und – falls veröffentlicht – auch bei den Lesern, wird eine negative Botschaft oft auch gleich auf den Boten bezogen, unsere positiven Inhalte lassen sich nicht mehr transportieren, wenn der Redakteur bzw. Leser schon nach der Überschrift ausgestiegen ist.

Bei Versendung einer Pressemitteilung sollte ein Foto des Protagonisten mitgeliefert werden, ebenso sollte der Pressesprecher dem Redakteur der ihn veröffentlichen soll auch die Anzahl der Worte und der Zeichen mitliefern, damit der Redakteur auf den ersten Blick erkannen kann, ob die PM noch auf die Seite passt, oder nicht.

Überschriften sollten zumindest so informativ, spannend oder interessant formuliert sein, dass die Pressemitteilung eine Chance gegen all die Sport-, und Kaninchenzüchtervereine, Parteien und Veranstaltungen hat, mit denen sie konkuriert.

Fünf Piratenplakate, schön bunt.
Fünf Piratenplakate, schön bunt.

Unsere Wahlkampfzentrale in NRW hatte über die Zeit verschiedene Wahlkampfkoordinatoren und kein wirklich klares System der Kommunikation oder personeller Ausstattung.

Hier wurde viel improvisiert, wie mir auch einige der Kandidaten geschildert haben.

Der Piratenbus war auch nachts unterwegs in Nordrhein-Westfalen. Hier steht er in Dortmund (Foto CC-Zero stm)
Der Piratenbus war auch nachts unterwegs in Nordrhein-Westfalen. Hier steht er in Dortmund (Foto CC-Zero stm)

An den Kandidaten hat es nicht gelegen, die haben sich wirklich eingesetzt, da waren tolle Aktionen dabei, wie die Pressekonferenz unter Tage etc. die allein durch das ungewöhnliche Event schon von der Presse aufgenommen wurde.

Wir sollten alle Punkte (das waren nur ein paar die mir aufgefallen sind) sammeln und auswerten, da der nächste Wahlkampf vor der Tür steht.

Wir haben gute Chancen bei der Kommunalwahl in die Stadtparlamente einzuziehen und dann von dort aus kontinuierlich überzeugende Politik zu liefern, dort wo die Bürger wohnen. Bei der zeitgleichen Europawahl ist die Chance ebenfalls nicht schlecht, die Piratenpartei ist eine europäische und internationale Organisation mit Strahlkraft, auch dort sollten wir in der Lage sein, Kandidaten in das Parlament zu bringen.

Wir müssen in Kürze entscheiden, mit welchen Themen, welchen Kandidaten und welcher Kommunikationsstrategie wir in den Wahlkampf ziehen wollen.

Es schadet nicht, in diesem Prozess einfach mal darauf zu hören, was die Wähler uns für Fragen stellen, oder welche Themen sie ansprechen.

Total verkopften Technoblubber und einseitige Themenfixierung werden uns genauso wenig weiterbringen, wie eine totale Angleichung an die Altparteien, wir haben ein frisches Element in die Politik gebracht, wir haben auch die richtigen Themen, wir wollen eine erneuerte Demokratie mit Bürgerbeteiligung, fragen wir den Bürger einfach, was er damit machen will, er wird es uns schon mitteilen.

War das alles?

Sicher nicht.

 

Timecodex CC-BY NC ND

IMG_4545

4 Kommentare

  1. Kann dem nur zustimmen. Trotzdem finde ich unser Engagement gegen die NSA sehr wichtig, so konnten wir in dem Bereich unsere Glaubwürdigkeit erhalten und so wenigstens einen Teil der Stammwähler mobilisieren.

    Glaubwürdigkeit/Credibility steigern ist die zentrale Aufgabe der nächsten Monate für uns PIRATEN. Alles, was unglaubwürdig macht, besser lassen, wie etwa dummes Zeug twittern und verstrahlte Sachen tun — ohne sich zu verbiegen.

    Meine Hypothese ist, dass wir viele netzpolitisch interessierte Stammwähler aus 2009 verloren haben, ich schätze 30 bis 50 Prozent, und dafür 30-50 Prozent neue Wähler gewonnen haben, die sich eher für links-soziale Themen wie BGE et al interessieren.

    Die Protestwähler konnten wir dieses Mal nicht abgreifen, dazu war die Kommunikation in der Breite schlicht zu brav, sachlich und unaufgeregt.

    In NRW speziell kam der Kuschelkurs unserer Fraktion mit SPD/Grün negativ an bei den Protestwählern mM., die haben sich im Landtag Protest gewünscht und der ist weitestgehend eben nicht geliefert worden. Ausnahme in den spitzen Zielgruppen Raucher & Fans, aber auch SteuerCD und höhere Beamtenbesoldung, beides vom Ex-Fraktionär Robert Stein. Also: Protestwähler (3-4 Prozentpunkte) wieder weg.

    Meine 2 immer wertloser werdenden Eurocent X-D

  2. Pavel Mayer hat eine längere Analyse geschrieben, der ich nur zustimmen kann:

    http://pavelmayer.de/politik/doppelt-so-uberflussig-wie-die-fdp/

    Sein Resümee:

    Die Piratenpartei ist eine Organisation mit 30.000 Mitgliedern bei einer Struktur, die mal für einige hundert Mitglieder angemessen war. Sie befindet sie sich seit Jahren im permanenten Ausnahmezustand, der eine desolate Parteikultur hat entstehen lassen.

    Solange die Partei ihre Kultur nicht verändert, wird sie ihre Struktur nicht verändern können, und ohne größere strukturelle Veränderungen ist diese Organisation mit 30.000 Mitgliedern nicht politikfähig.

  3. Die Analyse sagt Ähnliches wie einige gute andere, die ich gelesen habe: Es fehlt an Struktur.
    Mir fehlt aber etwas, der Wahlkampf war zwar in Teilen schlecht koordiniert, zu viele Wünsche von zu vielen Seiten nach dem Motto: „Mach dies mach das, fahr hier hin fahr da hin“, was manchmal eine ^^leichte Überforderung bewirkte, aber mit viel Selbstdisziplin kam man durch – es fehlte an – wir hatten zu viele, oder zu viele, die sich dafür hielten.
    Die Frage: Was soll das denn jetzt schon wieder? habe ich oft gehört, und das bewirkt dann, dass man lieber sein eigenes Ding durchzieht.
    Ergebnis: Wir hatten keinen einheitlich sichtbaren Wahlkampf, wir haben uns zerstreut in tausend Einzelaktionen, die daher auch nicht groß wirken konnten.
    Wir hatten zu viele Themen!
    Für die Power, die wir reingesteckt haben, war, rein gefühlsmäßig, das Ergebnis erschreckend.
    Was noch niemand angesprochen hat: Es gab Piraten, die (auch angesagt!) unseren Wahlkampf gezielt blockiert haben.
    Egal ob man glaubt „Wir sind noch nicht reif für den Bundestag“ – (was wohl stimmt),
    ein Boykott ist so ziemlich das unsolidarischste, das ich mir vorstellen kann!

Kommentare sind geschlossen.