Europakandidatenwahlen der Piratenpartei Deutschland 2014
Kandidateninterviews
KOMPASS:
Bei den Wahlen zum Europaparlament im Jahr 2009 gelang es zwei Kandidaten der Piratenpartei in die europäische Volksvertretung einzuziehen.
Amelia Andersdotter und Christian Engström aus Schweden wurden Mitglieder des Gremiums und vertreten seitdem die Interessen der Piraten im Verbund mit der Fraktion der Europäischen Grünen / EFA.
Am fünfundzwanzigsten Mai 2014 stellen sich die Abgeordneten für das EU-Parlament unter anderem auch in Deutschland erneut dem Votum der Wähler.
Auf dem Bundesparteitag am 04. und 05. Januar 2014 werden die deutschen Kandidaten der Piratenpartei gewählt.
Damit wir uns ein Bild von Ihnen machen können, befragen wir sie in einer Interviewserie.
KOMPASS:
Es treten neben Dir noch einige weitere Kandidaten zur Wahl auf diesem Parteitag an.
Wir möchten Dich bitten, unseren Lesern ein paar persönliche Informationen über Dich zu geben, damit sie einen Eindruck davon gewinnen können, wen sie wählen, wenn sie Deinen Namen ankreuzen.
Michael Merkens
KOMPASS:
Zuerst möchten wir ein paar Fragen zu Deiner Person an Dich richten:
1) Was sind Deine politischen Schwerpunkte / Themen?
MICHAEL MERKENS:
Ich beschäftige und interessiere mich für fast alle politischen Themen, die wir in der Piratenpartei bearbeiten. Mein größtes Interesse gilt jedoch der Innen- und Netzpolitik, die mich damals auch zu den Piraten geführt hat.
2) Welche europäischen Bezüge siehst Du in diesen Themenfeldern?
MICHAEL MERKENS:
Auf europäischer Ebene werden die Weichen für Europa und damit auch für Deutschland gestellt. Innerhalb des Parlaments können beispielsweise Netzsperren in der EU verhindert werden und auch der Datenschutz und die Datenweitergabe müssen hier stärker kontrolliert werden.
3) Was sind Deine politischen Ziele?
MICHAEL MERKENS:
Mein oberstes Ziel ist es, den Grundsatz „Öffentliche Daten nützen, private Daten schützen“ umzusetzen. Die Privatsphäre muss ebenso erhalten bleiben, wie ein freies Internet.
4) Welche Eigenschaften machen Dich zum geeigneten Kandidaten für das Europäische Parlament?
MICHAEL MERKENS:
Ich möchte einen guten und „piratigen“ Job machen! 😉
Dazu halte ich mich selbst für gemeinschaftlich, ehrgeizig und wissbegierig genug, um die Arbeit als Abgeordneter bewältigen und mit den anderen Piraten etwas zu bewegen.
Außerdem habe ich kein Problem damit, die Transparenz, die wir von Politikern fordern auch selbst zu erfüllen.
5) Hast Du bereits Erfahrung in Parteiämtern oder politischen Mandaten sammeln können?
MICHAEL MERKENS:
Zumindest mit der Kandidatur zu einem politischen Mandat habe ich bereits Erfahrung gesammelt. Im Jahr 2009 bin ich zu der Landtagswahl in Schleswig-Holstein für die Piraten als Direkt- und Listenkandidat angetreten. Leider konnten wir damals keinen Sitz gewinnen.
6) Wenn ja, welche(s)?
MICHAEL MERKENS:
—
7) Bist Du vor Deiner Mitgliedschaft in der Piratenpartei bereits in einer anderen Partei gewesen?
MICHAEL MERKENS:
Nein — ich war weder vor, noch während der Mitgliedschaft bei der Piratenpartei Mitglied in einer anderen Partei.
8) Wie stellst Du Dir die Kommunikation mit Presse, Funk und Fernsehen in Deiner Eigenschaft als Abgeordneter des Europäischen Parlamentes vor?
MICHAEL MERKENS:
Das hängt von der Organisation innerhalb der Fraktion und der entsprechenden Anfrage ab. Anfragen, wie dieses Interview würde ich entsprechend beantworten, oder an einen passenden Ansprechpartner weiterleiten. Zu Talkshows und ähnlichen Formate würde ich jedoch anderen Leuten den Vortritt lassen.
Zusätzlich würde ich für die Fraktion ein Training zur Kommunikation mit den Medien anregen.
9) Hast Du in diesem Bereich bereits Erfahrung sammeln können?
MICHAEL MERKENS:
Lediglich in meinem Wahlkampf 2009, dort jedoch auch nur im Rahmen kleiner Interviews und lokaler Veranstaltungen.
KOMPASS:
Wir möchten Dich jetzt bitten uns ein paar Fragen zu unterschiedlichen politischen Themenbereichen zu beantworten.
A) Währung und Finanzen:
12) Wie ist Deine Position bezüglich der gemeinsamen Europäischen Währung Euro?
MICHAEL MERKENS:
Der Euro war ein wichtiger Schritt zu mehr Annäherung innerhalb der EU. Bei allen Fehlern, die laut Experten bei der Einführung gemacht wurden, sollte man nicht die Idee selbst infrage stellen. Ich sehe aktuell auch keinen Grund die Währungsunion aufzulösen, jedoch sollte geprüft werden, wie Staaten diesen Zusammenschluss freiwillig verlassen können.
13) Bist Du für einen zwischenstaatlichen Finanzausgleich?
MICHAEL MERKENS:
Durch die Gestaltung der Beiträge der EU kann man aktuell auch von einem Finanzausgleich sprechen. Aus meiner Sicht ist dies eine gute, aber sicherlich nicht die beste Lösung. Ob eine andere Form des Finanzausgleichs besser wäre, kann ich nicht beurteilen.
14) Welche Entscheidungen im Bereich der innereuropäischen Steuersysteme sollten Deiner Ansicht nach getroffen werden?
MICHAEL MERKENS:
Eine Finanzierung der EU durch eigene Steuern sollte weiter verfolgt werden.
15) Welche Maßnahmen sollte die EU in Bezug auf die Frage der Bankenregulierung ergreifen?
MICHAEL MERKENS:
Die Regulierung sollte weiter verschärft werden. Eine Finanztransaktionssteuer ist zu begrüßen. Auch die ethischen Aspekte verschiedener Produkte müssen dem Kunden stärker verdeutlicht werden.
B) Arbeit und Sozialpolitik:
16) Wie stehst Du zur Freizügigkeit auf dem Arbeitsmarkt innerhalb der Europäischen Union?
MICHAEL MERKENS:
Die Freizügigkeit ist zu begrüßen. Konzepte zur besseren Steuerung des Arbeitsmarktes, damit sich die Arbeitslosigkeit nicht erhöht müssen erarbeitet und geprüft werden.
17) Welche Maßnahmen sollte das Parlament in Bezug auf die Löhne und Gehälter (Mindestlöhne) oder das Bedingungslose Grundeinkommen treffen?
MICHAEL MERKENS:
Einen festen gesetzlichen Mindestlohn auf EU-Ebene halte ich bei dem aktuellen wirtschaftlichen Ungleichgewicht für nicht möglich. Es muss jedoch sichergestellt werden, dass jeder Mensch bei normaler Arbeitskraft auch einen angemessen Lohn erhält.
Dazu könnten die Mitgliedsstaaten auch verpflichtet werden, selbst einen Mindestlohn festzulegen, falls es dort keinen gibt. Dann steht auch ein juristischer Weg offen, um prüfen zu lassen, ob dieser Lohn angemessen ist.
Die Prüfung und wie ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) umgesetzt werden kann, sollte unbedingt erfolgen. Daraufhin könnte eine Umsetzung auf EU- oder Bundesebene erfolgen.
18) Was kann zum Schutz der Arbeitnehmer unternommen werden?
MICHAEL MERKENS:
Hier sehe ich die Pflicht bei dem deutschen Gesetzgeber, Werksverträge ebenso wie langanhaltende befristete Verträge zu unterbinden.
19) Wie sollte die Flüchtlingspolitik Europas aussehen?
MICHAEL MERKENS:
Wir müssen Flüchtlinge versorgen und eine gerechte Verteilung in Europa sicherstellen. Das einzelne Länder alle Flüchtlinge selbst aufnehmen müssen ist kein gemeinschaftliches Verhalten.
C) Internationale Beziehungen:
20) Wie stehst Du zu TTIP / „TAFTA“ (Trans-Atlantic Free Trade Agreement), dem geplanten Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika und welche Bedingungen sollten die USA Deiner Ansicht nach erfüllen?
MICHAEL MERKENS:
Leider wird hier ein Freihandelsabkommen im Geheimen verhandelt, bei dem wir aus den bisher bekannten Eckdaten bereits befürchten müssen, dass dieses viele Gefahren für die Souveränität mit sich bringt.
Nach der aktuell bekannten Lage gibt es zu viele Nachteile in diesem Vertrag. Hier müsste ganz neu verhandelt werden, um weder die EU-Gesetzgebungen, noch staatliche Regelungen einzelner Mitgliedsländer zu unterwandern.
21) Was sollten EU und die USA zur Sicherung der Bürger-, und Freiheitsrechte der europäischen Bürger beschließen?
MICHAEL MERKENS:
Als erstes sollte der gesetzlich beschlossene Datenfluss in die USA so schnell wie möglich abgeschafft werden. Danach sollte der Datenschutz europäischer Bürger in den USA gemeinsam beschlossen werden. Dazu sollte jede Form des Ausspähens geächtet werden.
22) Wie ist Deine Position in Bezug auf die Bereiche NSA-, GCHQ – Spähaffäre und die Vorratsdatenspeicherung?
MICHAEL MERKENS:
Die Vorratsdatenspeicherung ist hoffentlich bald auf einem politischen Weg abgeschafft.
Leider ist das für die Spähaffären nicht so einfach. Diese müssen sofort eingestellt werden, sowohl von Staaten außerhalb, aber besonders von Staaten innerhalb der Union!
23) Sollten NATO und EU militärische Operationen außerhalb ihrer Staatsterritorien durchführen?
MICHAEL MERKENS:
Dies ist eine Einzelfallentscheidung. Jedoch sollte jede militärische Handlung so weit wie möglich verhindert werden.
D) Bildung:
24) Welche Ansätze sollten hier verfolgt werden, mehr wirtschaftsorientierte oder persönlichkeitsbildende Ausbildungsgänge?
MICHAEL MERKENS:
Beide Ansätze sind wichtig. Bei den Änderungen, die dazu führen, dass auch Studenten immer öfter unterhalb der Volljährigkeit sind, muss der Anteil ggf. angepasst werden.
25) Welche Konzepte sollten bezüglich des Handwerks und der Universitäten verfolgt werden?
MICHAEL MERKENS:
Die Bildung muss nach oben durchlässiger werden. Das Studium muss auch ohne Abitur möglich sein. Dabei sollte auch ein Studium im Ausland einfacher ermöglicht werden.
E) Verkehr:
26) Wie stellst Du Dir in Zukunft die Verkehrssysteme innerhalb der Europäischen Union vor?
MICHAEL MERKENS:
Ich würde mich freuen, wenn der Wettbewerb im Schienenverkehr stärker angetrieben wird, um gegen den Individualverkehr bestehen zu können.
27) Wie stehst Du zu einer europaweiten Maut?
MICHAEL MERKENS:
Ich halte eine Maut für verschwendete Verwaltungsaufwand. Ich halte bspw. eine Besteuerung auf den Kraftstoff für eine gleichwertig gute Möglichkeit um alle Verkehrsteilnehmer mit Verbrennungsmotor nach Distanz an den Infrastrukturkosten zu beteiligen.
F) Fraktion, Parlament und Regierung:
28) Wie stehst Du zum sogenannten „Fraktionszwang“?
MICHAEL MERKENS:
Ein Konsens stärkt zwar den Auftritt und die Zuverlässigkeit der Fraktion, dieser Konsens kann jedoch nicht erzwungen werden. Das freie Mandat darf daher nicht zugunsten einer Fraktion aufgegeben werden.
29) Sollte am Ende des Europäischen Prozesses eine gewählte Europäische Regierung stehen, welche durch das Europaparlament kontrolliert wird?
MICHAEL MERKENS:
Ich halte das Prinzip der wechselnden Mehrheiten innerhalb des Parlaments für zielführender als eine feste Spaltung in Regierung und Opposition. In solchen Parlamenten kommt es vor, dass Koalitionspartner gegen die eigenen Ideale abstimmen müssen (siehe z.B. das Thema „Homo-Ehe“ bei der FDP im Frühjahr 2013).
30) Was wünscht Du Dir für die Zukunft in Europa?
MICHAEL MERKENS:
Das der Reichtum der Kulturen erhalten bleibt, wir aber dennoch weiter zusammenwachsen und das keine Krise der Idee eines gemeinsamen Europas nachhaltig schadet.
Interview mit Michael Merkens zur Kandidatur für das Europaparlament 2014
Kompass: Michael Merkens, vielen Dank für das Gespräch.
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