Amelia Andersdotter:
Piraten,
Freunde,
nach Silvester vor einer großen Menschenmenge zu stehen ist immer ein wenig umheimlich.
Es ist eine Zeit für neue Hoffnungen und für neue Möglichkeiten.
Europa steht vor vielen Herausforderungen. Glücklicherweise gibt es keine Herausforderungen, auf die Piraten keine Antwort hätten.
Wir müssen das Internet den Menschen zurückgeben.
Das Internet muss die Versprechen von sozialer Interaktion, Dezentralisierung und Stärkung der Mitsprachrechte erfüllen.
Tatsächlich ist Neuland der Ort der uns ermöglicht, Europäern und Piraten, frei zu leben und zu wirken.
Ich möchte über Netzwerkinfrastruktur, Urheberrecht und Datenschutz sprechen. Auf allen drei Gebieten ist klar, dass Europa auf keinem guten Weg ist. Die europäischen Politiker schaffen es nicht Europas Stärken zu erkennen, und sie schaffen es nicht diese Stärken umzusetzen.
Darum sind Piraten so wichtig, und darum müssen wir die Führungsrolle übernehmen.
Unser Beitrag zur europäischen Politik ist nicht bloss, dass wir das Internet verstehen, er ist auch, dass wir Europa verstehen.
Anfang 2014 kommt die Reform des Urheberrechts immer näher. Diese Reform ist lange erwartet. Es gibt keinen einzigen Unionsbürger in Europa, der nicht die Fesseln des Urheberrechts hat spüren müssen. In zunehmendem Maße bestimmt die Technologie das Gesetz und nimmt uns damit die Freiheiten die der Gesetzgeber versucht uns zu geben.
Monolithische, zentralisierte Unternehmen kontrollieren unsere Freundschaften, unsere Kultur und unsere Gemeinschaften.
Zentralisierung funktioniert nicht in Europa – wir sind ein Ort mit vielen Menschen, vielen Kulturen und vielen Plattformen.
Es ist kein Zufall, dass die erfolgreichsten verteilten Technolgien europäischen Ursprungs sind. MiniNova kommt aus den Niederlanden, OiNK aus Großbrittannien, Demonoid aus der Ukraine und The Pirate Bay aus Schweden.
Es ist kein Zufall, weil es der Europäische Weg ist.
Der Europäische Weg besteht aus Dezentralisierung und Kooperation, Dezentralisierung Kooperation zwischen Gleichen.
Es ist ebenfalls kein Zufall, dass Europa ein Ort der Remixe, Philosophie und Wissenschaft ist. Wir profitieren von gegenseitiger Erfahrung und Wissen, wir remixen, und wir schaffen etwas Neues.
In Europa war dies immer der Garant für Fortschritt, der jetzt vom Urheberrecht beschränkt wird.
Es ist kein Zufall, dass es in Europa in allen Städten Bibliotheken gibt, und dass diese ein integraler Bestandteil jeder europäischen Kultur sind. Es gibt deshalb überall Universitäten hier, wo die kulturelle Vielfalt bewahrt, geschätzt und zur Schaffung neuer Kulturen, Innovationen und neuer Herrschaftsformen genutzt wird. Urheberrecht versucht dies zu verhindern und deshalb müssen wir hier eingreifen.
Das Urheberrecht so wie es jetzt beschaffen ist, ist kein Instrument für Europa. Es ist kein Instrument für das Jahr 2014. Es ist derart beschaffen, dass es vollkommen inkompatibel zu den europäischen Ideen von Dezentralisierung, kultureller Vielfalt und Kooperation unter Gleichen ist.
Wir können für uns kein Europa bauen, wenn wir dauernd von einem rechtlichen Rahmen gebremst werden, der für eine wesentlich zentralisiertere Ordnung geschaffen wurde.
In Europa sind wir Partner, wir werden es immer sein, und das ist es, wofür Piraten stehen.
Zentralisierte Kontrolle über Informationen schleicht sich in immer mehr Informationssysteme ein. Die Snowden-Enthüllungen werfen ein besonders dunkles Licht auf die zentralisierten Funktionen von Sicherheitssystemen.
Europa funktioniert nicht mit einer zentralisierten Regierungsführung.
Europäische Regierungsführung muss auf Transparenz, Dezentralisierung und Vertrauen beruhen.
Stattdessen haben wir ausdauernde Probleme mit Mitgliedsstaaten, die sich gegenseitig in den Rücken fallen.
Die schwedische Regierung überwacht überwacht unsere finnischen Partner und wundert sich, warum diese nicht glücklich darüber sind.
Während Handelsverhandlungen ist kein Mitgliedsstaat sicher vor dem Betrug durch seine Partner aus den anderen Mitgliedsstaaten.
In der Weltraumzusammenarbeit ist es besonders offensichtlich, dass selbst wenn Mitgliedsstaaten wissen, dass sie zusammenarbeiten sollten, trauen sie sich nicht.
Stattdessen arbeiten sie gegeneinander und verbreiten Misstrauen.
Die Furcht der Mitgliedsstaaten voreinander färbt auch auf die Europäer ab.
Furcht vor dem Unbekannten, und Argwohn gegenüber dem, was wir gut können.
Das britische und das schwedische Militär befinden sich im Krieg, im Internet.
Sie wollen kontrollieren was Unternehmen tun, und was Privatpersonen tun.
Sie tun es im Namen der Sicherheit.
Sie verwandeln Neuland in Niemandsland.
Ein furchtbarer Fehler, nicht zuletzt für Europa.
Und dennoch, die Snowden-Enthüllungen zeigen nur einen Teil des Problems. Sicher, wir können sauer auf unsere Regierungen sein, weil sie dumm waren.
Wir können ihnen sagen, dass sie aufhören sollen schlecht zu sein.
In meinen Augen wird dieser Ansatz keine Erfolg haben.
Was Europa fehlt ist eine Idee davon, was Sicherheit in Europa bedeuten soll. Das politische Establishment sieht nicht, warum das Internet gut für Europa ist.
Wir, die Piraten, haben eine Vorstellung warum das Internet gut für Europa ist.
Uns fehlt keine Vorstellung davon, was für uns funktioniert.
Es gab viele Länder in Europa, in denen sich gezeigt hat, dass zentralisierte Planung der Wirtschaft durch eine Sicherheitsbehörde nicht funktioniert.
Wir haben dieses Modell getestet und es hat nicht funktioniert.
Unsere Zukunft liegt in quelloffener Software und Transparenz.
Europa kann Innovation, wir können offen – und wir können verteilt.
In Europa sind wir Partner, wir werden es immer sein, und das ist es, wofür Piraten stehen.
Im Kern der europäischen Politik liegen die Menschenrechte, dies müssen wir in in unseren Sicherheitsstrategien berücksichtigen.
In den Worten von Altiero Spinelli: Die moderne Zivilisation geruht auf dem Prinzip, dass wir nicht bloße, von anderen benutzte, Instrumente sind, sondern autonome Lebewesen.
Die Datenschutzregulierung ist natürlich die Vorzeigeinitiative der Europäischen Union, aber sie ist nur ein Teil des Puzzles.
Wir können weder unsere Sicherheits- noch unsere Datenschutzprobleme mit nur einem Gesetz lösen.
Wir benötigen eine Piratenideologie für eine europäische Zukunft, denn wir brauchen eine Ideologie die auf dem basiert, in dem wir gut sind in Europa.
Wir brauchen eine Ideologie basierend auf Transparenz, Vielfalt und Menschenrechten.
Dies ist nicht Amerika. Dies ist keine Einfahnen-Union. Was dort funktioniert muss nicht zwangsläufig hier klappen.
Die Herausforderung für Piraten und Europa ist es herauszufinden was unsere Zukunft ist, und sie dann bauen.
Europäische Zusammenarbeit wird heute von den Europäern mit Argwohn betrachtet.
Die Piratenideologie bestehend aus Transparenz, Vielfalt und Menschenrechten ist die Lösung, die wir brauchen – die Netto-Friedensagenda, unter der wir zusammenkommen.
Besonders für das Internet und Europa bedeuten wir den Unterschied.
Wir müssen Neuland den Menschen geben. Es ist der Ort wo wir die Möglichkeit haben, Europäer und Piraten, frei zu leben und zu wirken. Es ist der Ort an dem wir wohnen, es ist unsere Heimat.
Dezentralisierung hat Europa immer stark gemacht. Stärke in Vielfalt hört sich clicheehaft an, dennoch hat es immer für Europa funktioniert.
Vertrauen und Zusammenarbeit wird geschaffen, wenn Partner zusammenarbeiten, über Ländergrenzen hinweg.
Es wird geschaffen, wenn wir unsere Kultur teilen und offen, mit Respekt füreinander, handeln.
Das ist das Programm für die europäische Sicherheit, und für die europäische Industrie.
Es ist ein Programm für ein Europäisches Neuland, das Europa dient, und Technologien, die für uns gemacht sind.
In den Worten von Robert Schuman, einem ehemaligen französischen Außenminister und einem der Gründerväter der Europäischen Union:
„Europa lässt sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung. Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen“.
Das Internet ist das großartigste der Werkzeuge für diese Zwecke, und wir haben die europäische Kreativität, um dieses nach vorne zu bringen. Aber wir, die Piraten, müssen diese viele Pläne, diese vielen Ziele voranbringen, so dass nach den Wahlen im Jahr 2014 Europa es ist, das seinen Weg findet.
In Europa sind wir Partner, wir werden es immer sein, und das ist es, wofür Piraten stehen.
MEP Amelia Andersdotter in Bochum auf dem #bpt141