Die bildliche Darstellung sexueller Misshandlung an Minderjährigen muss wieder einmal herhalten, wenn es um Begründung der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung geht. Uwe Jacob, neuer Chef des Landeskriminalamts NRW sagte der „Neuen Rheinzeitung“:
„Bei Kinderpornographie im Internet geht es ja nicht nur um die Bildchen an sich, sondern um schwere Missbrauchshandlungen zum Nachteil schutzloser Opfer. Ich meine, wir sollten alle Spuren nutzen, um der Täter habhaft zu werden.“
Der neue Chefkriminalist freut sich, dass die große Koalition eine gesetzliche Regelung auf den Weg bringen will. „Fahrplan für Spionage“ nennt das die Piratenpartei. Jacob erkennt sehr wohl, dass sich manche Bürger Sorgen über die staatliche Speicherung machen: „Wir sind ja nicht die NSA. Nicht der Staat soll die Daten speichern, sondern die Telekom-Anbieter, die sie später auch wieder löschen.“
Dass die NSA unter neuen Obama-Regeln dazu übergeht, genauso zu verfahren wie es Uwe Jacob gut findet, nämlich mehr Metadaten bei den Telekoms vorzuhalten statt auf irgendeinem Behörden-PC, sei einmal dahingestellt. Wir sind ja in Deutschland hier.
Zahlentricks für Vorratsdaten-Spitzelei
Und Jacob bringt Belege: in 291 Strafverfahren konnten die Kriminalisten in 53 Fällen den Tatverdächtigen nicht ermitteln, „weil eine Regelung zur Vorratsdatenspeicherung fehlt“.
Nach meiner Rechnung sind das mal lediglich 18 Prozent potentielle Verbrecher, die ihrer Strafe dank Nichtspeicherung entwischen – brutto! Strafverfahren bedeutet nicht automatisch, dass sich dahinter eine Straftat verbirgt – viele Ermittlungen lösen sich eh in Luft auf. Das zeigt die Grafik unten vom statistischen Bundesamt. Ob mit oder ohne VDS, aus drei Ermittlungen wird nur eine Anklage oder Strafbefehlsantrag, und auch das heißt noch lange nicht: verurteilt.
Es wird gelogen, dass sich die Balken biegen. Bürgerrechte und Datenschutz haben offensichtlich keine Lobby in Nordrhein-Westfalen. Bis auf die Piraten. Die neuen Netzpartei-Sein-Woller stimmen für Bürgerbespitzelung – „aus parlamentarischen Zwängen“.
Noch bescheuerter ist das Statement von Uwe Jacobs Boss, NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Ihm gelang die geniale Idee, die extrem gestiegene Einbruchskriminalität mit einer Forderung nach Vorratsdaten zu verbinden. Der „Neuen Westfälischen“ sagte Jäger am 8.2.2014:
„Die Polizei braucht eine Mindestspeicherfrist. Nur so können wir beispielsweise Kinderpornographie bekämpfen und Stalker ermitteln. Das muss natürlich verfassungskonform sein und darf die Freiheit nicht einschränken. Im Koalitionsvertrag sind bereits die wichtigsten Eckpunkte geregelt. Es müssen ganz klar die Speicherdauer festgelegt, die Straftaten eindeutig definiert und der Richtervorbehalt berücksichtigt werden. Dazu müssen die Daten auf deutschen Servern liegen. Eine Regelung, die später vom Europäischen Gerichtshof gekippt wird, hilft weder der Polizei noch den Opfern. Deshalb müssen wir sorgfältig vorgehen.“
In ein paar Monaten wird das Urteil kommen. Ein Gutachter vom Gerichtshof hält die VDS für einen Verstoß gegen EU-Recht.
Welches Rufmordpotential dem Kipo-Verdacht innewohnt, sieht gerade Ralf Jägers Parteifreund Sebastian Edathy. Gerne wird seitens der Staatsanwaltschaft „öffentlich“ ermittelt, dass heißt, Infos werden an die Medien durchgesteckt oder sickern einfach durch. Das war es dann mit der Unschuldsvermutung. Edathy gab sein Bundestagsmandat und alle damit verbundenen Aufgaben auf, den NSU-Untersuchungsausschuss wird dann wohl jemand anders leiten müssen.
Warum soll man bei solchen Vorfällen eine groteske Aufzeichnung aller Kommunikationsaktivitäten zulassen? Nur dann, wenn man die Auswirkungen nicht durchschaut oder selbst davon profitiert.