Kompass – Zeitung für Piraten

KOMPASS – BuVo – Kandidatengrill 2014.2: Ali Utlu

 

Bundesvorstandswahlen der Piratenpartei Deutschland 2014

 

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Kandidateninterviews

KOMPASS – BuVo – Kandidatengrill 2014.2:

 

KOMPASS:  

Ende November 2013 fand auf dem Bundesparteitag in Bremen die Wahl des aktuellen Bundesvorstandes statt. 

Der Wahl folgten in kurzen Abständen, verschiedene innerparteiliche Verwerfungen, hervorgerufen durch #Flaggenstreit, #Bombergate, #Orgastreik, sowie der daraus resultierende „Flügelstreit“ der „linken“ und der „sozial-liberalen“ Piraten. 

Aufgrund der erfolgten Eskalation, traten am 16-03-2014, dem Abend der bayerischen Kommunalwahl, der politische Geschäftsführer Björn Semrau, Generalsekretärin Stefanie Schmiedke und Schatzmeister Stefan Bartels zurück. 

Ihr Rücktritt hinterlässt einen amtierenden, handlungsunfähigen Bundesvorstand.

Das führt zur Notwendigkeit eines außerordentlichen Bundesparteitages (aBPT), mit dem alleinigen Ziel, einen neuen Bundesvorstand (BuVo) zu wählen.  

Mit dieser Interviewserie möchte die KOMPASS-Redaktion allen wahlberechtigten Piraten die Möglichkeit geben, ihre BuVo-Kandidaten vorher genau kennen zu lernen. 

Da sich in den Entwicklungen der letzten Monate gezeigt hat, dass es in der Piratenpartei keine „prinzipiell“ unpolitischen Bundesvorstands-Ämter gibt, bekommen alle Kandidaten die gleichen Fragen gestellt, egal für welchen Posten sie sich bewerben.

KOMPASS:

Es treten neben Dir noch einige weitere Kandidaten an, die ebenfalls einen Platz in diesem Gremium erringen wollen.

Wir möchten Dich bitten, unseren Lesern ein paar persönliche Informationen über Dich zu geben, damit sie einen Eindruck davon gewinnen können, wen sie wählen, wenn sie Deinen Namen ankreuzen. 

 

ALI UTLU:

42 Jahre, Köln (NRW), Kundennetzmanager 3rd Level Support.

Pirat. Queerat. Gamer und Hobby DJ.

 

KOMPASS:      Kommen wir nun zum Fragenkatalog:

 

1) Für welchen Posten im Bundesvorstand kandidierst Du?

 

ALI UTLU:

Politischer Geschäftsführer & Stellvertreter.

 

2) Aus welchem Grund kandidierst Du? 

 

ALI UTLU:

Es gibt zwei Möglichkeiten:

Entweder Dinge zu kritisieren und weiter warten das es sich von alleine ändert, oder aktiv daran mitzuarbeiten als Team im BuVo um Bremsen zu lösen, und wieder nach außen als Partei wahrgenommen zu werden. Ich glaube an unsere Partei und unsere Themen, diese müssen außerhalb der Piratenbubble wieder gehört und ernst genommen werden.

Geschlossen nach Außen und im Inneren geeint, auf der Basis von Konsens und Dialog.

Die Integration der Basis in die Entscheidungen des BuVos, Schnittstellen schaffen für gemeinsamen Austausch, haben für mich eine sehr hohe Priorität.

 

3) Was sind Deine politischen Ziele? 

 

ALI UTLU:

Bürgerrechte sollten nicht nur auf dem Papier stehen, sondern auch wirklich gewahrt werden. Viel Vertrauen ist in die Politik verloren gegangen, da genau diese immer wieder Opfer von Macht und Koalitionsverhandlungen wurden.

Wir PIRATEN stehen zu unserem Wort: Bürgerrechte sind nicht verhandelbar, egal ob online oder offline.

Diese Themen müssen wir wieder geschlossen und gemeinsam an den Bürger bringen:

Die verdachtsunabhängige Massenüberwachung aller Bürger in Deutschland, zerstört den Glauben an den Staat, dessen Aufgabe es sein sollte den Bürger zu schützen und nicht zu verdächtigen.

Aber auch das Leid an den EU Außengrenzen muss thematisiert werden, diese dürfen nicht weiter Friedhöfe sein für Menschen, deren Hoffnungen auf ein besseres Leben oftmals auf dem Meer ein Ende findet, ohne das sie jemals eine Chance hatten. Wir brauchen faire Einwanderungsgesetze.

Sehr wichtig ist mir persönlich PIRATEN wieder für die Partei zurückzugewinnen, die in letzter Zeit ausgetreten sind. Wir müssen Ihre Enttäuschung ernst nehmen, unsere Lehren daraus ziehen und Ihnen wieder eine politische Heimat anbieten. Sie fehlen uns.

 

4) Welche Eigenschaften machen Dich zum geeignetsten Kandidaten für den Vorstand? 

 

ALI UTLU:

Ich bin lösungsorientiert, versuche Dinge im Team zu lösen, und bin immer bereit über den Tellerrand zu schauen, um mich regelmäßig erden zu lassen. Konsens steht für mich immer vor Top-Down, offene Strukturen immer vor verschlossenen Hintertüren.

Ich bin Medien erprobt, bedingt durch viele TV Auftritte und Interviews in Zeitungen/Magazinen. Dadurch habe ich auch sehr gute Verbindungen zu Journalisten und bin ein gern gesehener Gast.

 

5) Hast Du Erfahrung in Menschenführung? Hast Du bereits Menschen angestellt, beauftragt oder entlassen? 

 

ALI UTLU:

Erfahrungen in Menschenführung habe ich gesammelt als Supervisor eines 40 Mann Teams, worin ich auch Mitarbeiter geführt habe. Einstellung und Entlassung gehörten aber nicht zu den Aufgaben.

 

6) Mit wem besprichst Du Dich, und wer gibt Dir Ratschläge in politischen und organisatorischen Fragen?

  

ALI UTLU:

Ratschläge habe ich mir bisher immer von der Basis geholt, im Dialog und aus verschiedenen Blickwinkeln. Einen festen Kreis habe ich nicht, da es mich in der Sicht einengen würde.

 

7) Kannst Du privates und Amtsbezogenes trennen?/  Wärst Du in der Lage auch Freunden eine Ordnungsmaßnahme zu erteilen?

 

ALI UTLU:

Wir sind eine Partei, somit muss jeder auch für sein Handeln gerade Stehen. Insofern hätte ich keine Probleme eine OM auszusprechen.

 

8) Aus welchen Personen würde sich Dein Lieblingsvorstand zusammensetzen? 

 

ALI UTLU:

Als ersten Vorsitzenden würde ich gerne „Sekor“ sehen, abgestuft darunter gibt es einige Kandidaten mit denen ich sehr gut zusammenarbeiten könnte.

 

9) Wie groß sollte Deiner Meinung nach der Bundesvorstand sein?

 

ALI UTLU:

Die Stellvertreter-Positionen sind immer noch neue Positionen, und müssen sich im politischen Tagesgeschäft bewähren, bedingt durch den Zerfall des alten BuVos konnten sie sich noch nicht richtig entfalten.

Die Zahl der BuVo Mitglieder finde ich im Moment richtig, auch wenn sich das in der Zukunft eventuell ändern könnte, sofern die Basis dieses wünscht. 

 

10) Siehst Du den BuVo als ein administratives (verwaltender Vorstand), oder als ein politisches Amt? 

 

ALI UTLU:

Der Vorsitzende und pol. GFs sind in jedem Fall politisch, denn sie vertreten unsere Themen direkt nach außen.

Aber auch die Bereiche von Schatzmeister und GenSek sind politisch, wenn auch nach Innen gerichtet und nicht nach Außen. Insgesamt ist der BuVo somit politisch und verwaltend. 

 

11) Wie stehst Du zur Bezahlung von Vorständen oder Mitarbeitern? 

 

ALI UTLU:

Solange die Finanzierbarkeit nicht gesichert ist, müssen wir Abstand davon nehmen. Wie hoch soll das Gehalt sein? Wer kündigt seinen regulären Job für eine kurze Amtszeit von 12 Monaten?

Solange diese Fragen nicht geklärt sind, sehe ich da keine Möglichkeit.

 

12) Hast Du bereits Erfahrung in Parteiämtern sammeln können?

 

ALI UTLU:

Ich war Beisitzer im LaVo NRW bis zu meinem Rücktritt, bedingt durch private Schicksalsschläge.

Ich bin Bundesthemenbeauftragter für die Themen LGBTTI / Queer

 

13) Wenn ja, welche hast Du bisher ausgeübt?

 

ALI UTLU:

siehe oben! 

 

14) Bist Du vor Deiner Mitgliedschaft in der Piratenpartei bereits in einer anderen Partei gewesen? 

 

ALI UTLU:

Nein!

 

15) Bist Du aktives Mitglied, oder Sympathisant von außerparlamentarischen Gruppen, oder NGOs? 

 

ALI UTLU:

Ja: Deutsche AIDS-Hilfe und ehrenamtlich für verschiede Schwul/Lesbische Projekte in Frankfurt a. M. und vor allem Köln.

 

16)  Wie verortest Du Dich politisch? / Welchem Flügel der Piratenpartei fühlst Du Dich zugehörig? 

 

ALI UTLU:

Labels und Flügel sind schwierig, denn jeder interpretiert diese anders. Ich selber kann mit der Einordnung in „sozialliberal“ sehr gut leben, auch wenn ich gerne sagen würde,  ich bin einfach nur PIRAT.

 

17) Inwiefern würdest Du einen Einfluss nicht rechtsstaatlicher, und nicht gewaltfreier Gruppen, auf die Piratenpartei verhindern, obwohl Du eventuell mit ihren Zielen sympathisierst? 

 

ALI UTLU:

Als Partei haben wir uns an geltendes Recht zu halten. Gewalt darf niemals als politisches Mittel benutzt werden, außer, das eigene Leben ist unmittelbar bedroht. Dazu zählt auch, das Eigentum Dritter zu schützen. Wandel durch überzeugen, nicht mit Gewalt. Ich werde da immer klare Kante zeigen.

 

18) Inwieweit kann die Piratenpartei verlangen, dass ihre Kandidaten, Amts-, oder Mandatsträger-, persönliche politische Ansichten oder Aktionen, die nicht dem allgemeinen Piratenkonsens entsprechen, unterlassen? 

 

ALI UTLU:

Jeder hat das Recht auf eigene Meinung. Diese sollte aber, wenn kontrovers, immer vom Amt getrennt vorgebracht werden. In der Vergangenheit war diese Trennlinie nicht immer ersichtlich und hat für Verstimmung gesorgt. Jeder sollte in seiner eigenen Verantwortung bedenken, ob bestimmte Handlungen/Aussagen seinem Amt oder der Partei Schaden zufügen könnten. Ich lege jedem unseren PIRATEN-Kodex ans Herz.

 

19)Wie sollte der BuVo auf eine innerparteiliche Krise reagieren? 

 

ALI UTLU:

Wir brauchen dringend ein funktionierendes Krisenmanagement, das nach Außen schnell reagiert und im Inneren aufarbeitet. Tagelang nicht zu reagieren ist ein „No-Go“, und verursacht nur zusätzlichen Schaden.

 

20) Wie kannst Du als Bundesvorstand, zur Verbesserung der allgemeinen Streitkultur der Piraten beitragen, damit es nicht zu Beleidigungsexzessen unterschiedlicher Strömungen kommt, und eine gemeinsame Arbeit, trotz verschiedener Ansichten möglich bleibt? 

 

ALI UTLU:

Ich kann keinem den Mund verbieten, Zensur findet nicht statt.

Aber man kann durchaus die Beteiligten aus der Öffentlichkeit nehmen, und versuchen sie in „One on One“-Gesprächen zusammen zu bringen, um Dinge auf diesem Weg zu klären. Oftmals handelt es sich nur um aufgeschaukelte Missverständnisse, die im direkten Gespräch gelöst werden können.

Bei schwereren Fällen, wo es um Drohungen, Gewalt etc. geht, muss man auf jeden Fall dazwischen gehen, Opfer Schützen und Täter auch in die Schranken weisen, deutlich machen, das derlei Verhalten bei den PIRATEN null Toleranz findet.

 

21) Wie stehst Du zu Quotierungen bei Ämterbesetzungen? 

 

ALI UTLU:

Quotierung schafft oftmals erneut Diskriminierung. Deswegen lehne ich sie bei uns als Partei ab.

 

22) Wie stellst Du Dir diese quantitativ vor? 

 

ALI UTLU:

Siehe oben!

 

23) Wie stellst Du Dir eine Kommunikation zwischen Basis und Vorstand vor? 

 

ALI UTLU:

Wichtig ist es, vorhandene Schnittstellen zu nutzen, wie z.B. die von BuBernd durchgeführte „Montagssprechstunde“. Die Basis darf nicht das Gefühl bekommen, dass sie nur Ballast ist, sondern das sie ein Teil des Ganzen ist und auch ernst genommen wird. Wer nicht auf die Basis hört, verliert schnell den Rückhalt.

Die existierende PolGF Runde jeden Dienstag im Mumble ist so eine wertvolle Schnittstelle, wo man sich gemeinsam austauschen kann, im konstruktiven Dialog.

 

24)Was sind SMV, BEO und Liquid Feedback für Dich? 

 

ALI UTLU:

Ich bin persönlich vom BEO überzeugt. LQFB hat sich leider überlebt. Wichtig ist es, endlich ein Konzept zu finden unter der Auswahl womit sich die breite Basis anfreunden kann, und dieses dann zu fördern um die Praxistauglichkeit festzustellen.

 

25) Wie stellst Du Dir in Deinem Vorstandsamt die Kommunikation mit Presse, Funk und Fernsehen vor? 

 

ALI UTLU:

Professionell, pragmatisch und offen.

 

26)Hast Du in diesem Bereich bereits Erfahrung sammeln können? 

 

ALI UTLU:

Ja, ich hatte viele positive TV und Funk Auftritte und bin geübt im Umgang mit den Medien.

27) Bist Du für zentrale, oder dezentrale Organisationseinheiten (Medienvielfalt), in der Öffentlichkeitsarbeit der Piraten?

 

ALI UTLU:

Dezentral und zentral. Denn dezentral in den einzelnen LVs wird jetzt schon eine gute Pressearbeit geleistet. Auf Bundesebene präferiere ich zentrales Arbeiten, um unsere „CI“ (Corporate Identity) besser und einheitlich gegenüber den Medien vertreten zu können. Professionalisierung, aber auch offene Strukturen damit zum z.B. wichtige PMs nicht „hängenbleiben“.

 

28) Was sind Deiner Meinung nach die drei „Essentials“ der Piratenpartei? 

 

ALI UTLU:

Bürgerrechte, Transparenz, Netzpolitik.

 

29) Welche sind Deine drei wichtigsten politischen Ziele der Piratenpartei? 

 

ALI UTLU:

Siehe Oben! 

 

30) Die drei  größten Strukturprobleme in der Piratenpartei sind für Dich…. 

 

ALI UTLU:

1)  Zu wenig Austausch auf Länderebene. Wir brauchen ansatzweise so etwas wie einen Länderrat.

2) Zu starke Diversifikation, oftmals findet kein Austausch statt und führt dadurch bedingt zu Fehlern oder Unstimmigkeiten.

3) Zu hoher Zahlungsausfall durch fehlende Mitgliedsbeiträge.

 

31) Was macht die Partei Deiner Ansicht nach „richtig“ oder „falsch“? 

 

ALI UTLU:

Wir verbrennen viele Aktive und rauben ihnen damit die Motivation. Wir haben die richtigen Themen, scheitern aber daran PIRATEN zu motivieren, um wieder gemeinsam unsere Stimme nach Außen hören zu lassen. Auf Länderebene und Kommunal funktionieren unsere Strukturen gut, wir sollten dahin schauen um davon zu lernen.

 

32) Wie stehst Du zum „Bedingungslosen Grundeinkommen“? 

 

ALI UTLU:

Es ist unser Alleinstellungs-Merkmal in der Parteienlandschaft. Das BGE soll dem Menschen ermöglichen, an unserer Gesellschaft nach seinem eignen Lebensmodell teilzunehmen, ohne in Existenznöte zu kommen und frei von staatlichen Repressalien ein gesichertes Grundauskommen zu haben.

 

33) Wo siehst Du die Piratenpartei in einem Jahr? 

 

ALI UTLU:

Stabiler im Inneren und geschlossener nach Außen.

 

Interview mit Ali Utlu zur Kandidatur BuVo 2014.2

 

Kompass:        Ali Utlu, vielen Dank für das Gespräch.

 

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