Bundesvorstandswahlen der Piratenpartei Deutschland 2014
Kandidateninterviews
KOMPASS – BuVo – Kandidatengrill 2014.2:
KOMPASS:
Ende November 2013 fand auf dem Bundesparteitag in Bremen die Wahl des aktuellen Bundesvorstandes statt.
Der Wahl folgten in kurzen Abständen, verschiedene innerparteiliche Verwerfungen, hervorgerufen durch #Flaggenstreit, #Bombergate, #Orgastreik, sowie der daraus resultierende „Flügelstreit“ der „linken“ und der „sozial-liberalen“ Piraten.
Aufgrund der erfolgten Eskalation, traten am 16-03-2014, dem Abend der bayerischen Kommunalwahl, der politische Geschäftsführer Björn Semrau, Generalsekretärin Stefanie Schmiedke und Schatzmeister Stefan Bartels zurück.
Ihr Rücktritt hinterlässt einen amtierenden, handlungsunfähigen Bundesvorstand.
Das führt zur Notwendigkeit eines außerordentlichen Bundesparteitages (aBPT), mit dem alleinigen Ziel, einen neuen Bundesvorstand (BuVo) zu wählen.
Mit dieser Interviewserie möchte die KOMPASS-Redaktion allen wahlberechtigten Piraten die Möglichkeit geben, ihre BuVo-Kandidaten vorher genau kennen zu lernen.
Da sich in den Entwicklungen der letzten Monate gezeigt hat, dass es in der Piratenpartei keine „prinzipiell“ unpolitischen Bundesvorstands-Ämter gibt, bekommen alle Kandidaten die gleichen Fragen gestellt, egal für welchen Posten sie sich bewerben.
KOMPASS:
Es treten neben Dir noch einige weitere Kandidaten an, die ebenfalls einen Platz in diesem Gremium erringen wollen.
Wir möchten Dich bitten, unseren Lesern ein paar persönliche Informationen über Dich zu geben, damit sie einen Eindruck davon gewinnen können, wen sie wählen, wenn sie Deinen Namen ankreuzen.
CARMELITO BAUER:
Mein Name ist Carmelito Bauer, bin 1994 in Wiesbaden geboren und studiere zur Zeit Politikwissenschaft und Philosophie in Marburg. Zu den Piraten kam ich 2007 über das ,,gulli“-Forum.
An einem Infostand erkundigte ich mich, ob es denn schon eine Jugendorganisation gäbe.
Die Antwort lautete: ,,Nö, mach mal eine!“. Das fasst für mich den Kern unserer Politik gut zusammen. 2009 gründete ich mit anderen engagierten Jugendlichen die JuPis und wurde deren erster Bundesvorsitzender, im Alter von 15 Jahren.
2013 war ich Bundestagskandidat auf der hessischen Landesliste.
KOMPASS: Kommen wir nun zum Fragenkatalog:
1) Für welchen Posten im Bundesvorstand kandidierst Du?
CARMELITO BAUER:
Politischer Geschäftsführer.
2) Aus welchem Grund kandidierst Du?
CARMELITO BAUER:
Wir müssen wieder als Partei wirken und Politik machen können. Ich wünsche mir einen Vorstand, der das ermöglicht und der professionell agiert. Ein Vorstand, der weiter Grabenkämpfe befeuert, wird dazu führen, dass auch die nächsten Monate weiter Stillstand herrscht.
Ich möchte, dass wir als Partei im Parteiensystem agieren, und unsere Inhalte in der Öffentlichkeit platzieren können. Wir müssen einen programmatischen Kurs festlegen, den unsere Parteimitglieder glaubhaft vertreten können.
Und wir müssen die Pluralität und das Ernstnehmen der Anliegen der Bürgerinnen und Bürger leben, da wir es bekanntermaßen propagieren. Deshalb ist die Umsetzung einer Online-Mitbestimmung ein längst überfälliges Projekt. Aus meiner Sicht könnte so vieles, was sich als Grabenkampf und Spalt darstellt, bereits im Keim erstickt werden.
Ich sehe keinen Widerspruch darin, das, was ,,die Basis“ beschlossen und artikuliert hat mit professionellem Agieren und Politik in Einklang zu bringen. Für mich schließt sich das nicht automatisch aus.
3) Was sind Deine politischen Ziele?
CARMELITO BAUER:
Ich möchte nicht, dass wir bei den kommenden Wahlen wieder aus den Landesparlamenten fliegen, in die wir eingezogen sind. Ich möchte nicht, dass die AfD an uns vorbeizieht und sich auch in Deutschland eine neurechte Partei etabliert.
4) Welche Eigenschaften machen Dich zum geeignetsten Kandidaten für den Vorstand?
CARMELITO BAUER:
Ich blicke auf 7 Jahre politische Erfahrung bei den Piraten zurück, auch in diversen Gremien. Ich glaube zu wissen, wie die Partei tickt und was wir jetzt brauchen.
5) Hast Du Erfahrung in Menschenführung? Hast Du bereits Menschen angestellt, beauftragt oder entlassen?
CARMELITO BAUER:
–
6) Mit wem besprichst Du Dich, und wer gibt Dir Ratschläge in politischen und organisatorischen Fragen?
CARMELITO BAUER:
Ich habe einen relativ großen Kreis an Personen mit Expertise, darunter viele Piraten, die mir mit professionellem Rat freundschaftlich zur Seite steht.
7) Kannst Du privates und Amtsbezogenes trennen?/ Wärst Du in der Lage auch Freunden eine Ordnungsmaßnahme zu erteilen?
CARMELITO BAUER:
–
8) Aus welchen Personen würde sich Dein Lieblingsvorstand zusammensetzen?
CARMELITO BAUER:
–
9) Wie groß sollte Deiner Meinung nach der Bundesvorstand sein?
CARMELITO BAUER:
–
10) Siehst Du den BuVo als ein administratives (verwaltender Vorstand), oder als ein politisches Amt?
CARMELITO BAUER:
Der BuVo ist ein politisches Amt. Ein rein administrativer Vorstand ist nicht sichtbar und sorgt dafür, dass die gesamte Partei an Aufmerksamkeit verliert. Ich will nicht, dass der Vorstand im Alleingang programmatische Entscheidungen trifft, das obliegt selbstverständlich der Basis. Der Vorstand muss professionell und öffentlichkeitswirksam agieren und unsere Themen nach außen tragen. Der kommende Vorstand muss außerdem diplomatisch nach innen wirken und die Grabenkämpfe beenden
11) Wie stehst Du zur Bezahlung von Vorständen oder Mitarbeitern?
CARMELITO BAUER:
Die Arbeit des BuVos ist ehrenamtlich nicht zu leisten. Ich persönlich würde mir ein Team zusammensuchen, an welches ich Arbeit in der Form wegdelegieren kann, dass ich mich dem Kerngeschäft des Pol.Gf. widmen kann und nicht Vollzeit tätig sein muss. Das kann man unbezahlt keinem Menschen zumuten. Ob und in welcher Form eine Aufwandsentschädigung stattfinden soll, entscheidet die Basis. Letztlich bin ich eher dafür.
12) Hast Du bereits Erfahrung in Parteiämtern sammeln können?
CARMELITO BAUER:
Ja, siehe oben.
13) Wenn ja, welche hast Du bisher ausgeübt?
CARMELITO BAUER:
Siehe oben.
14) Bist Du vor Deiner Mitgliedschaft in der Piratenpartei bereits in einer anderen Partei gewesen?
CARMELITO BAUER:
–
15) Bist Du aktives Mitglied, oder Sympathisant von außerparlamentarischen Gruppen, oder NGOs?
CARMELITO BAUER:
AK Vorrat, Jugendpresse Hessen.
16) Wie verortest Du Dich politisch? / Welchem Flügel der Piratenpartei fühlst Du Dich zugehörig?
CARMELITO BAUER:
Was, wenn ich der Flügelbildung nicht zustimmen kann? Was, wenn ich sage, dass die Piraten seit ihrer Gründung eine pluralistische Partei mit vielen interessanten Menschen aus unterschiedlichsten Hintergründen waren und sind? Ich finde es absolut hirnrissig, nun einen Versuch zu unternehmen, uns in das starre Korsett der Weimarschen politischen Richtungsangaben pressen zu wollen.
Wenn wir in unserem EU-Wahlspot konstatieren, Europa müsse mehr wie das Internet sein, so müssen wir begreifen, dass wir eine Partei sind, die wie das Internet ist: voll von unterschiedlichen Köpfen. Wir müssen uns nicht selbst Grabenkämpfe auferlegen denn genau jene sind es, die uns arbeitsunfähig gemacht haben.
Die Maßgabe, sich auf einen von zwei festgeschriebenen Kursen einigen zu müssen, nein, das überzeugt mich nicht. Was ist denn unsere Erkenntnis?
Sagen wir: ,,Oh, das Projekt Piratenpartei hat gezeigt: Die Menschen können mit Freiheit einfach nicht umgehen, die CDU hat Recht, wir müssen uns jetzt auf eine reaktionäre Richtung, sei sie links unten oder rechts oben, einigen“?
Sagen wir: ,,Das Internet ist letztlich doch nur ein großer Haufen Scheiße, die Piratenpartei hat das toll veranschaulicht“? Wohin wollen wir jetzt überhaupt?
You leave me confused.
17) Inwiefern würdest Du einen Einfluss nicht rechtsstaatlicher, und nicht gewaltfreier Gruppen, auf die Piratenpartei verhindern, obwohl Du eventuell mit ihren Zielen sympathisierst?
CARMELITO BAUER:
Ich sympathisiere nicht mit derartigen Gruppen.
18) Inwieweit kann die Piratenpartei verlangen, dass ihre Kandidaten, Amts-, oder Mandatsträger-, persönliche politische Ansichten oder Aktionen, die nicht dem allgemeinen Piratenkonsens entsprechen, unterlassen?
CARMELITO BAUER:
Es kommt darauf an, in welchem Kontext Privatmeinungen geäußert werden und ob sie als solche gekennzeichnet wurden.
19) Wie sollte der BuVo auf eine innerparteiliche Krise reagieren?
CARMELITO BAUER:
Von zentraler Bedeutung ist eine besonnene Handlungsweise. Man darf sich als Amtsinhaber nicht vom Twitter-Rauschen oder dergleichen verunsichern lassen.
Maßgebend ist zunächst der eigene Informationsstand, Konsequenzen sind aufgrund von neuen Erkenntnissen zu ziehen.
20) Wie kannst Du als Bundesvorstand, zur Verbesserung der allgemeinen Streitkultur der Piraten beitragen, damit es nicht zu Beleidigungsexzessen unterschiedlicher Strömungen kommt, und eine gemeinsame Arbeit, trotz verschiedener Ansichten möglich bleibt?
CARMELITO BAUER:
Leider hat sich gezeigt, dass wir gegen Beleidigungen und öffentliche Angriffe härter vorgehen müssen. Aus meiner Zeit als Lehrer an einer Förderschule habe ich gelernt: Fehlverhalten muss Konsequenzen haben.
Über solche Konsequenzen kann allerdings allein ein BPT entscheiden. Ich werde jedoch dafür sorgen, dass dieses Thema auf die Agenda kommt.
21) Wie stehst Du zu Quotierungen bei Ämterbesetzungen?
CARMELITO BAUER:
Dagegen.
22) Wie stellst Du Dir diese quantitativ vor?
CARMELITO BAUER:
–
23) Wie stellst Du Dir eine Kommunikation zwischen Basis und Vorstand vor?
CARMELITO BAUER:
Wir brauchen endlich ein Online-Mitbestimmungsportal, welches ansprechend gestaltet und leicht zu bedienen ist.
24) Was sind SMV, BEO und Liquid Feedback für Dich?
CARMELITO BAUER:
Wir brauchen dringend ein derartiges Tool, die oben genannten sind aber noch ausbaufähig, was für mich nicht heißt, dass man sie pauschal ablehnen muss.
25) Wie stellst Du Dir in Deinem Vorstandsamt die Kommunikation mit Presse, Funk und Fernsehen vor?
CARMELITO BAUER:
Ich sehe hierin eine der Kernaufgaben des Pol.Gf. Ich möchte auch aktiv auf die Medienvertreter zugehen. Wir müssen uns wieder in den Medien platzieren, sonst sind wir für einen großen Teil der Bürgerinnen und Bürger einfach nicht existent. Daneben möchte ich nicht-massenmediale Kanäle wie „Youtube“ nutzen.
26) Hast Du in diesem Bereich bereits Erfahrung sammeln können?
CARMELITO BAUER:
Ja, einfach bei „Youtube“ meinen Namen eingeben.
27) Bist Du für zentrale, oder dezentrale Organisationseinheiten (Medienvielfalt), in der Öffentlichkeitsarbeit der Piraten?
CARMELITO BAUER:
–
28) Was sind Deiner Meinung nach die drei „Essentials“ der Piratenpartei?
CARMELITO BAUER:
Wir sind eine pluralistische, basisdemokratische Partei, was aber nicht heißt, dass wir uns inhaltlich nicht klar verorten. Ich halte uns für der Zukunft zugewandt und progressiv, sehe unseren Kern in der Bürgerrechtsthematik und denke, aus dem Kerngedanken der Freiheit lassen sich noch viele weitere Programmpunkte ableiten.
Gerade Punkte wie das BGE müssen jedoch klar formuliert sein, da haben die Bürgerinnen und Bürger recht, wenn sie einer vagen Formulierung skeptisch gegenüberstehen.
29) Welche sind Deine drei wichtigsten politischen Ziele der Piratenpartei?
CARMELITO BAUER:
–
30) Die drei größten Strukturprobleme in der Piratenpartei sind für Dich….
CARMELITO BAUER:
Eine mangelhafte Kommunikationskultur, Parteitage der Geld- und Zeitelite, und eine generell unklare Zuständigkeiten
31) Was macht die Partei Deiner Ansicht nach „richtig“ oder „falsch“?
CARMELITO BAUER:
Wir treffen den Nerv der Zeit, haben uns im Berliner Wahlkampf gekonnt als ,,junge und urbane“ Partei inszeniert. Gleichwohl mangelte es an einer Aufarbeitung der Bundestagswahl bzw. der Misserfolge im Allgemeinen. Wir wirken noch nicht professionell als Partei.
32) Wie stehst Du zum „Bedingungslosen Grundeinkommen“?
CARMELITO BAUER:
Grundsätzlich dafür. Wir benötigen aber ausformulierte Vorschläge und keine vagen Formulierungen, die von den Menschen zu Recht als Worthülsen gesehen werden.
33) Wo siehst Du die Piratenpartei in einem Jahr?
CARMELITO BAUER:
Arbeitsfähig.
Interview mit Carmelito Bauer zur Kandidatur BuVo 2014.2
Kompass: Carmelito Bauer, vielen Dank für das Gespräch.
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