Kompass – Zeitung für Piraten

Mal wieder Vorratsdaten im Bundestag

REICHSTAG FOTO be-him CC BY NC NDGestern im Bundestag eine aktuelle Stunde zum Thema, das die Netz-Community stark bewegt: die neue Vorratsdatenspeicherung (VDS) steht seit Ende 2013 im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, und das nach zwei höchstrichterlichen Urteilen, die das Projekt zwar nicht völlig verbieten, ihm aber sehr enge Grenzen setzen. Deshalb gab EU ihr Projekt zur Einführung der europaweiten Vorratsdatenspeicherung auf.

Auch in NRW viel Realitätsverbiegung rund um Mindestspeicherung und Vorratsdaten. Hier vor einem Jahr Innenminister Jäger (SPD).
Auch in den Ländern viel Realitätsverbiegung rund um Mindestspeicherung und Vorratsdaten. Hier vor einem Jahr NRW-Innenminister Jäger (SPD).

Nun also die Bemühungen im Bundestag. Die Fraktion der Grünen beantragte die aktuelle Stunde. Hier wurden hinlänglich bekannte Meinungen ausgetauscht.

Auf Seiten von CDU und CSU schreckten die Redner nicht vor Märchengeschichten und echten Lügen zurück.

CDU und CSU betonten Sicherheit und die wunderbaren Speicher-Möglichkeiten. Die mitregierende SPD verhielt sich eher ambivalent. Die Opposition der Linken und Grünen geißelte das Regierungsprojekt hart und deutlich.

Frau Winkelmeier-Becker von der CDU redete viel Unsinn: wegen der vielen Urheberrechts-Abmahn-Schreiben an downloadende Bürger soll die VDS kommen. Dabei ist die Vorratsdatenspeicherung nur für einen engen Katalog schwerster Straftaten möglich, so das Verfassungsgericht, wozu private Urheberrechtsverletzungen eindeutig nicht zählen. Dann allerdings: „Bei der NSU hätte uns VDS geholfen.“ Dort, bei der Aufklärung rechtsradikal motivierter Morde, haben die Verfassungsschützer ihre Arbeit nicht richtig gemacht beziehungsweise aktiv weggeschaut. Auch mit mehr Vorratsdaten wäre dem nicht abgeholfen.

Überhaupt: die Speicherung von Metadaten wurde von CDU/CSU-Rednern stark verharmlost. Das sei doch alles nicht so schlimm, denn die Gesprächsinhalte blieben vertraulich.  Thomas Strobl, Landesvorsitzender der CDU BaWü, sieht Verbesserung, wenn alle Vorratsdaten einheitlich bei allen Unternehmen gespeichert würden. Aber: allein aus den Listen, wer wann mit wem gesprochen hat, kommen aussagekräftige Profile zusammen, die tief in Freiheitsrechte eingreifen.

Christian Flisek, SPD wies in seinem interessanten Beitrag darauf hin, dass das Verfassungsgericht seinerzeit die „Streubreite“ kritisierte: es hat die Vorratsdatenspeicherung quasi in der Luft zerrissen. Es verbleibt nun noch ein sehr enger Möglichkeitsraum, der durch restriktive europa- und verfassungsrechtliche Vorgaben abgesteckt ist.

Unverhandelbare Kriterien sind: kurze Speicherfristen, nur schwerste Straftaten, Berufsgeheimnis umfassend geschützt. Bereits das Speichern an sich stellt einen Eingriff in Grundrechte dar, nicht erst der Datenabruf der Behörden. Da sei dann nur noch Raum für eine „VDS light“. Für diese Schmalspurvariante stellt sich erst recht die Frage nach Verhältnismäßigkeit. Und das in der Welt nach Edward Snowden.

Insgesamt: Das Argumentationsniveau gerade bei CDU und CSU liess doch sehr zu wünschen übrig. Frank Tempel von den LINKEN erbat sich in dem Zusammenhang mehr Respekt vom Parlament gegenüber dem Verfassungsgericht.

SuddenGrey_Merkel zur VDSDas wird dann, falls überhaupt ein Entwurf kommt, und der dann noch rechtzeitig vor der nächsten Wahl zum Gesetz wird, dann wieder ein neues Verfahren auf dem Tisch haben.

Jedenfalls ist des Merkel-Wort aus November 2013, dass die Vorrats-Datenspeicherung eine der ersten Gesetze ihrer Regierung sein wird, definitiv nicht eingetreten. Die nächste Bundestagswahl ist in etwa 29 Monaten im Herbst 2017. Zeit auch für Protest ausserhalb des Reichstages.