Auf der CeBIT in Hannover gibt es viele Wegweiser: nach Norden, Süden, Westen, Osten. Nur nach irgendwelchen aussagekräftigen Wegweisern in Richtung Zukunft suchte ich vergebens.
Schon seit einigen Tagen häufen sich die Vorberichte in Funk, Fernsehen und Web. Bundeswirtschaftsminister Gabriel, Bundeskanzlerin Merkel und sogar der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger: Sie alle treffen sich in Hannover auf dem ehemaligen Expo-2000-Gelände, um dort irgendwelche digitalen Agendas zu setzen, irgendwelche Dinge mit dem Internet zu tun.
Da rauscht ein Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel von Großkonzern-Stand zu Großkonzern-Stand, um sich im Minutentakt Flachbildschirme oder Festplattenspeicherschränke zeigen zu lassen: vielleicht schaut er schon mal, wo seine neue Ablage für die Vorratsdatenspeicherung herkommen soll. Obwohl: beim Gabriel im Keller dürfen die dann nicht stehen, denn das Bundesverfassungsgericht hat die dezentrale Speicherung vorgeschrieben.
Alte Themen
Dabei ist jetzt gerade in Deutschland eine neue netzpolitische Debatte entbrannt. Scheinbar abgehakte Themen aus 2009, 1010 stehen auf einmal wieder auf der Tagesordnung. Etwa TTIP und die anderen Freihandelsabkommen als Wiedergänger vom wegprotestierten ACTA, die Netzneutralität, wie sie vor ein paar Jahren von der Telekom mit den Füßen getreten wurde.
Und da ist ganz aktuell die Vorratsdatenspeicherung. Sie stand seinerzeit kurz vor der Einführung, doch das entsprechende deutsche Gesetz wurde nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes in 2010 ersatzlos gestrichen. In 2013 schrieb es die Große Koalition in ihren Koalitionsvertrag.
Jetzt, nachdem ausgeprägt sozialdemokratische Projekte durchkamen, wie die eher jüngere, nicht-wählende Menschen benachteiligende Rente mit 63 und der Mindestlohn, pochen offensichtlich die konservativen Sicherheits-Fanatiker auf ihre Festlegung und ein Erfolgserlebnis: nämlich endlich Einführung einer Vorratsdatenspeicherung. Denn eins ist klar: viele Vorhaben des Überwachungsstaates funktionieren nur mit einer anlasslosen, massenhaften Aufzeichnung von Kommunikationsvorgängen.
Zensur-Partnerland
Da passt es wie die Faust aufs Auge, dass das diesjährige Partnerland der CeBIT 2015 China, das zensurgeneigte Reich der Mitte ist. China hat einige erfolgreiche Internet-Konzerne an den Start gebracht, die geschützt vor ausländischer Konkurrenz, dank staatlichem Protektionismus nun auf die europäischen und US-amerikanischen Märkte drängen. Wie etwa das chinesiche Pendant zu e-Commerce-Riese Amazon, die 1999 in Hangzhou gegründete Ali-Baba-Gruppe.
Zensur und ständige Überwachung des Internets sind jedenfalls in China ein ganz heißes Thema, und unsere Regierung bemüht sich, auch das bei uns stärker einzuführen.
Cyber-Sicherheitsrat e.V.
Ich höre dazu diverse Stimmen auf der Messe: so hat sich ein ominöser Verein namens „Cyber-Sicherheitsrat e.V.“ mit offiziell wirkenden Bundesfarben dort einen Stand gekauft, moderiert ein Podium, auf dem auch der altbekannte Chef der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sitzt: „Ist das IT-Sicherheitsgesetz ein sinnvoller erster Schritt?“
Erfreulich: am Thema Verschlüsselung und benutzerfreundlicher Sicherheit kommt die CeBIT wirklich nicht mehr vorbei. Danke Edward Snowden! Hier gibt es überall zahlreiche Ansätze. Beim Branchenriesen Microsoft sind umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen im kommenden Betriebssystem Windows 10 bereits eingebaut. Die Reise geht dahin, Benutzerfehler rund um das Passwort abzufangen, Festplatten durchgängig zu verschlüsseln, sichere Verfahren auszuarbeiten, damit der abgelenkte Mensch vor dem Rechner nicht einer bösartigen Phishing-Attacke zum Opfer fällt.
Angriffe im Netzwerk, etwa durch mitlauschen der Geheimdienste an den Internetknoten, werden durch bessere Verschlüsselungsmethoden schwieriger oder sogar ohne Zutun des Bedieners vereitelt, wenn das gleich ins Produkt eingebaut ist. Für Kenner der Open-Source-Anwendungen jedenfalls nichts Neues unter der Sonne.
Beim Gang über die Messe präsentieren sich immer wieder die selben Themen – vieles ist gleich geblieben und das neue ist nicht so toll, dass sich der Besuch in Hannover richtig gelohnt hätte. Spannend fand ich die code_n-Halle. Dort wurde das Thema Internet der Dinge beleuchtet, anhand von lebendigen Beispielen. Nicht nur hier standen bei der „Robochop“-Demo mehrere Roboter vom Premiumhersteller Kuka auf den Messeständen, Fertigungsmaschinen, wie man sie eigentlich von dem etwa einen Monat später stattfindenden Industrie-Treffpunkt „Hannover Messe“ kennt.
CeBIT back to the roots
In der Diskussion ist sowieso, ob CeBIT und Hannover-Messe nicht besser zusammen gehen, wie das ganz früher einmal der Fall war. Das Besucherinteresse bei der CeBIT ist seit vielen Jahren rückläufig. Für dieses Jahr werden lediglich 200.000 Messegäste erwartet. Es liegt vielleicht auch daran, dass die IT-Branche im Wandel ist: Viele kleinere Leitmessen knabbern der großen CeBIT das Interesse weg.
Auch der Zuspruch der Aussteller sinkt offensichtlich. Überall große Freiflächen, abgetrennte Bereiche, wo ein Teil der Halle überhaupt nicht genutzt ist. Oder eben zuviel Platz für eher bizarre Themen, die auf der CeBIT meiner Meinung nach nichts zu suchen haben. Chinesische Heiss-Wasser-Automaten zum Beispiel.
Mediale Plattform
Aber eins ist sicher: auch 2015 bietet die größte Informationstechnik-Fachmesse in Deutschland noch immer eine Plattform für die Spitzenpolitiker der ersten Reihe, um Kompetenz zu digitalen Themen und Vernetzung zu suggerieren.
Das neue digitale Wirtschaftswunder, wie es heute überall in den Tageszeitungen prominent auf der Titelseite stand, wird jedenfalls nicht von unserer geliebten Bundesregierung besorgt, sondern von den vielen innovativen Köpfen, die fleißig an den Themen arbeiten. Wenn es ihnen nicht durch seltsame deutsche Eigenarten wie Hackerparagraphen und Störerhaftung in Deutschland schwer gemacht wird. Müsste mal auf die Agenda.
Kommentare sind geschlossen.