Privatsphäre? Ist das nicht total altmodisch? Haben wir das nicht schon überwunden? Wofür soll das denn heute noch gut sein?
Die ganze Welt besteht aus Daten. Daten, die schnell kreuz und quer über den Globus geschickt werden. Daten, die aus unseren Smartphones und Computern stammen, oft mit unserem Einverständnis über Apps ermittelt. Wir möchten uns das Leben erleichtern und diese nützlichen Funktionen verwenden, die uns in den Stores der Hersteller angeboten werden. Das ist dann ein reeller Deal, wenn wir dafür Geld bezahlen und unsere Daten, beziehungsweise die Rechte daran behalten.
Unsere Smartphones und -watches können aber noch mehr: Sie messen unsere Körperfunktionen, speichern sie, ja werten sie zum Teil auch selbst aus. Unsere Einkäufe können wir in dieser modernen Gesellschaft auch bequem mit unserer EC-Karte, unserer Kreditkarte oder direkt mit unserem Smartphone bezahlen.
Unser Arztbesuch wird eingeleitet mit der Frage nach der elektronischen Gesundheitskarte, die als Schlüssel zu unseren Patientendaten in der Praxis eingelesen wird. Das ist in Ordnung, solange diese Daten nur dort verwendet werden, wo man sie für die Erfüllung der Aufgabe benötigt. Also nur im Dreieck von Patient, Arzt und Krankenkasse.
Unsere Privatsphäre ist nicht in Gefahr, solange wir selbst darüber entscheiden können, was mit unseren Daten ge-schieht. [und wir vollumfänglich darüber informiert werden, was mit unseren Daten passiert!] Das halten wir als Bürger für den natürlichen Standard, so sollte es immer sein.
So ist es aber in der Realität nur selten!
Wir laden uns kostenfreie Apps in unsere Smartphones, die zwar eine Leistung bieten, aber von uns mit der unkontrollierbaren Weiterverwendung unserer Daten teuer bezahlt werden.
Krankenkassen, Arbeitgeber und kommerzielle Datenverwerter wollen die Daten aus unseren mobilen Geräten wie unseren Smartwatches gern verwenden, um zum Beispiel den „faulen“ Sportlern eine teurere Versicherung vorzuschreiben. Oder zu überprüfen, ob ihre Mitarbeiter auch fit genug sind, oder besser bei der nächsten Umstrukturierung gehen sollten. Kommerzielle Datenverwerter, wie Werbetreibende, wollen uns nur Dinge verkaufen.
Das Recht auf Privatsphäre gilt allerdings nicht nur für die einzelnen Personen, es muss auch für Organisationen wie Unternehmen, Gewerkschaften, Kirchen, Vereine oder Behörden gültig sein. Der Deutsche Bundestag, unser höchstes nationales Gesetzgebungsorgan, kämpft im Augenblick mit einem Angriff auf die „Privatsphäre“ des Parlamentes. Hacker haben sich widerrechtlich Zugang zu dem Computersystem des Hohen Hauses verschafft und können alles lesen, verändern, beeinflussen.
Hier ist nicht nur die Privatsphäre des einzelnen Abgeordneten verletzt, schlussendlich auch die des Parlamentes insgesamt.
Wie wollen die Abgeordneten ihrer Aufgabe nachkommen, wenn sie nicht mehr frei, nur ihrem Gewissen verpflichtet und konzentriert an den Regeln unserer Republik arbeiten können? Politische Entscheidungen bedürfen des Nachdenkens und der Abwägung von Möglichkeiten, ohne dabei von unsichtbaren Datensammlern beobachtet zu werden.
Privatsphäre heißt, Patientendaten bleiben im Kreis der Beteiligten. Anwalts-, und Mandantendaten bleiben dem Staat und insbesondere dem Gericht verborgen.
Privatsphäre heißt, Unternehmen im Inland müssen nicht fürchten, dass ihre Daten direkt beim ausländischen Wettbewerber landen. Privatsphäre heißt, Gesetze und Verträge bleiben so lange innerhalb der autorisierten Organisationen, bis diese sie abstimmen und veröffentlichen.
Das Recht auf Privatsphäre gilt natürlich auch für uns Bürger, denen der Deutsche Bundestag und der Deutsche Bundesrat mit dem Wiedergänger unter den Gesetzen, der Vorratsdatenspeicherung dieses Recht beschneiden will.
Als Nutzer des Internets, als Arbeitnehmer, als Patienten, als Mandanten, als Unternehmer, als Parlamentarier und nicht zuletzt als Bundesbürger, haben wir alle ein Recht auf Privatsphäre, auf das unbehelligte Tun ohne Vorverurteilung und Durchleuchtung durch für uns unbekannte anonyme Organisationen. Die anlasslose Vorratsdatenspeicherung ist das Problem und nicht die Lösung.
Privatsphäre mag altmodisch sein, aber sie ist für ein demokratisches selbstbestimmtes Zusammenleben unerlässlich.
Ja, die brauchen wir noch, kann nicht weg!
(Timecodex – Juergen Asbeck)