Kompass – Zeitung für Piraten

Melden macht unfrei – Piraten lehnen neues Meldegesetz ab

optout dayDer Staat baut seine zentralen Datensammlungen aus. Kontoabfrage, Vorratsdaten, Gesundheitsdaten … die Liste ist endlos, und Rückschläge wie bei der Arbeitnehmerdatenbank (Stichwort „Elena“) treten umgehend durch frisch nachgewachsene Datenkraken-Tentakel in den Schatten. So nun bei der verschärften Meldepflicht für Wohnadressen und Hotelübernachtungen.

Die deutsche Meldepflicht: ein Erbe von Obrigkeitsstaaten des 19. Jahrhunderts. 1938, mitten in der Nazizeit, wurden die Meldeämtersammlungen für private Auskünfte freigegeben. Aus guten Gründen lehnen das andere westliche Demokratien ab.

Nach gut zehn Jahren Pause müssen sich deutsche Mieter also wieder ihren Einzug vom Vermieter bescheinigen lassen. Adressen für Werbezwecke können vom Meldeamt verkauft werden, wenn der Bürger das zuvor genehmigt hat: die sogenannte Opt-In-Lösung. Ungut: es reicht, wenn das adressenkaufende Unternehmen behauptet, es habe so eine Erlaubnis vom Bürger „erhalten“. Geprüft wird das nur stichprobenweise. Für jede Auskunft fallen 7 bis 25 Euro in die Stadtkasse.

Nachdem der erste Entwurf während des WM-Halbfinales 2012 überraschend durchgewunken wurde, trat pünktlich zum 1. November das  2013 beschlossene Bundesmeldegesetz in Kraft, verbrochen von der alten Unions/FDP-Bundesregierung.

Der Gesetzgeber glaubt nur so, Terror-Wohnungen und Sozialbetrug in den Griff zu bekommen. Und die wohnungsbezogene Zwangsabgabe für den staatlichen Rundfunk, die in ihrer Höhe bereits oft genug die Grundsteuern überschreitet.

Patrick Breyer, Datenschutzexperte der Piratenpartei Deutschland und Landtagsabgeordneter in Schleswig-Holstein kritisiert:

„Obwohl die Datenschutzbeauftragten seit Jahren eine Stärkung des informationellen Selbstbestimmungsrechts der Bürger im Meldewesen fordern, geht das nun in Kraft tretende Gesetz zur Fortentwicklung des Meldewesens (MeldFortG) in vielen Punkten in die gegenteilige Richtung.

Wir PIRATEN lehnen gemeinsam mit den Datenschutzbeauftragten die Nutzung von Einwohnermeldedaten für Parteiwerbung ohne Einwilligung ebenso ab wie den neuen Zwang zu Vermieterbescheinigungen, den Meldezwang für Hotelgäste und die Abschaffung des Widerspruchsrechts gegen Internet-Meldedatenübermittlungen.“

Nichts mit digitaler Agenda, wenn es um die Daten der Bürger geht. Ein elektronisches Widerspruchsrecht wurde zwar andiskutiert, jedoch wieder aus dem Gesetzentwurf herausgestrichen. Dabei wäre es doch so bürgerfreundlich gewesen, all die ganzen Datenkraken-Anfragen einfach wegzuklicken.

Elektronisch an die Daten kommen dafür jedoch die Wirtschaft, Ämter und Dienstleister aller Art. Der bisher gesetzlich mögliche Bürger-Widerspruch gegen automatisierte Melderegisterauskünfte an Private ist sogar komplett weggefallen – weil es ja jetzt diese tollen „Zweckbindungen“ gibt!

Die Institution „Opt-Out“-Day – in 2015 wie so vieles rund um die Piratenpartei etwas eingeschlafen – wird so auch mit dem neuen Recht zu neuem Leben erweckt werden können.

Solange dem Amt kein „Sperrvermerk“ (das ist der Opt-Out) vorliegt, können Privatpersonen die Daten anderer gegen eine kleine Gebühr abfragen, denn das Melderegister ist öffentlich. Mit etwas Argumentation kommt man so an Daten wie

  • Frühere Vor- und Familiennamen
  • Tag und Ort der Geburt
  • Gesetzliche Vertreter
  • Staatsangehörigkeiten
  • Frühere Anschriften
  • Tag des Ein- und Auszugs
  • Familienstand, beschränkt auf die Angabe, ob verheiratet oder eine Lebenspartnerschaft führend oder nicht
  • Vor- und Familiennamen sowie Anschrift des Ehegatten oder Lebenspartners
  • Sterbetag und -ort

Muss nicht so bleiben!