Kompass – Zeitung für Piraten

Zukunft der Arbeit, Arbeit der Zukunft

startreck
Foto: digital cat  CC Attribution License

Regelmäßig quellen die meisten Medien von dem jeweils tagesaktuellsten Thema wie Hilfen für Griechenland, dem Abgasskandal oder der Flucht nach Europa über. Andere, insbesondere die Zukunft betreffende Themen, liegen gewollt oder ungewollt eher im Abseits.

Dennoch gab es gerade in letzter Zeit einige Beiträge zum Thema Zukunft der Arbeit.  Manche sehen hier schon paradiesische Zeiten für abhängig Beschäftigte anbrechen.

Andere sehen die Zukunft weniger rosig.  Daher beschäftigt sich dieser Beitrag mit der Gegenwart, jüngeren Vergangenheit und Zukunft der Arbeit.

In der Gegenwart wird meist der Begriff Arbeit mit Erwerbsarbeit gleichgesetzt. Arbeit wird so gerade in der gesellschaftlichen Debatte oft noch weiter zu Arbeit gegen Lohn verengt.  Das zeigen Begriffe wie Arbeitsloser oder Aussagen wie: sozial ist, was Arbeit schafft. Würde man dies wörtlich nehmen, dann wäre Vandalismus sozial. Denn das Beseitigen der Schäden schafft ja Arbeit.

Natürlich ist das nicht so gemeint.  Das Beispiel soll jedoch bewusst machen, wie stark verengt der Begriff Arbeit in der gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Debatte ist. Der Grund dafür ist in der Vergangenheit ab der ersten industriellen Revolution zu suchen.

Hier ist der klassische Arbeiter entstanden. Hier wurde das Einkommen maßgeblich für das Auskommen.  Hier wurde die soziale Frage, die das 19. und den Anfang des 20.  Jahrhundert prägte, aufgeworfen. Das Leben in der Stadt und Arbeit gegen Lohn statt Selbstversorgung auf dem Land wurde für breite Schichten der Gesellschaft die neue Wirklichkeit. In Antwort auf diesen technologisch bedingten Wandel der Gesellschaft entstanden die ersten Sozialversicherungen.

Mit dem Fortschreiten der Industrialisierung ging auch der Aufbau des sogenannten Sozial- oder Wohlfahrtsstaats einher.  Insbesondere in den 1950er und 1960er Jahren war die soziale Frage praktisch gelöst, in dem wenigstens im Westen breite Schichten ein hohes Wohlstandsniveau erreicht hatten (z.B.  Auto, Fernseher, Haushaltsgeräte, Urlaubsreisen…).  Die Arbeiterbewegung war praktisch am Ziel.  Denn (fast) jeder hatte einen Arbeitsplatz, ein Einkommen und so auch ein Auskommen für sich und seine Familie.  Aber schon in den 1970er ist das Phänomen der Massenarbeitslosigkeit entstanden.

Seitdem prägt der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit die (sozial)politische Debatte.

Allerdings war dies ein westdeutsches Problem.  Im Osten, der ehemaligen DDR, gab es ein Recht auf Arbeit.  Dieses Grundrecht konnte auch in die Praxis umgesetzt werden, denn der Mangel an Automatisierung führte schlicht zu Arbeitskräftemangel. In Folge davon herrschte insgesamt eher Mangelwirtschaft. Zwar war der Bedarf an Grundnahrungsmitteln gedeckt, aber der Konsumbereich lag deutlich hinter dem Westen zurück.  Während im Osten so alle Arbeit hatten, finanzierte der Westen Millionen von Erwerbslosen und dennoch war der Wohlstand höher. Hieraus ergibt sich: Nicht Arbeit ist der Schlüssel für den Wohlstand,  sondern es war und ist die hohe Produktivität.

Der technische Fortschritt mit seiner Automatisierung und Steigerung der Produktivität geht ungebremst weiter.  So fallen das Ende der Vollbeschäftigung  und der technologische Schub durch die nun immer günstigeren Mikroprozessoren zeitlich in etwa zusammen. In dieser neuen Phase tauchte gerade in der Automobilproduktion der Kollege Roboter auf.

Trotz aller Konjunkturpakete, Wachstumsprogramme, politischer Reformen und Verringerung des Sozialstaats sind noch immer Millionen erwerbslos. Im Gegenteil, die strukturelle Erwerbslosigkeit ist langfristig mit einigen  Schwankungen klar gestiegen. Im internationalen Vergleich gelten 5% schon als so niedrig, dass von Vollbeschäftigung gesprochen wird.

Vierte industrielle Revolution

Das ist die Gegenwart, aber wie sieht die Zukunft aus? Mittlerweile wird oft von der 4. industriellen Revolution gesprochen.  Manche sprechen gar vom Ende der Arbeit.  Andere verweisen darauf, dass immer wieder neue Arbeitsplätze entstanden sind. Daher halten sie an dem Weg der letzten Jahrzehnte fest und setzten auf Wirtschaftswachstum.  Obwohl seit dem club of rome klar ist, dass das Wachstum nicht grenzenlos sein kann.  Obwohl echte Vollbeschäftigung oder gar Arbeitskräftemangel wie in den 1950er Jahren nicht nur in Deutschland trotz aller Reformprogramme ausgeblieben sind.

Zudem kommen auch Studien zum Schluss, dass der Bedarf an Beschäftigten sinken wird.  Neue Techniken wie 3D-Druck, autonome Fahrzeuge oder autonome Roboter (z.B.  Drohnen) können schon in naher Zukunft für viele Berufe das Aus bedeuten. Noch sind wir in einer recht komfortablen Lage.  Noch können wir die Zukunft gestalten.  Daher lohnt es sich vielleicht einen Blick in die ferne Zukunft zu werfen, um die Weichen in diese entsprechend zu stellen.

Ein positives Szenario, eine Utopie, ist die StarTrek-Gesellschaft.  In dieser bekannten Science-Fiction-Serie stehen die üblichen Gebrauchsgüter allen ohne Entgeld frei. Geld oder Erwerbsarbeit gibt es nicht mehr.  Dennoch engagieren sich Menschen und dienen zum Beispiel in der Sternenflotte oder sind wissenschaftlich tätig.  Zwar wird es die Technik der Replikatoren wohl nie geben.

Dennoch ist diese Zukunft weniger utopisch als manche vielleicht denken.  Aus dem Blickwinkel der Wissenschaft spricht man von 0-Grenzkosten, d.h. bei der Produktion entstehen durch komplette Automatisierung von Energieerzeugung bis Herstellung aller Maschinen durch andere Maschinen keine Kosten mehr. Dies erscheint in Anbetracht der Fortschritte im Rahmen der Digitalisierung durchaus möglich.

Offensichtlich ist in einer solchen Zukunft der Bedarf an Arbeitskräften gering.  Dennoch ist ein Auskommen für alle gerade wegen der Automatisierung kein Problem mehr.

Eine andere negative Zukunft, eine Dystopie beschreibt die Fernsehreihe „Stadt ohne Namen“ oder „Trepalium“.  Ein Trepalium ist ein mittelalterliches Folterinstrument, von dem sich travaille (französisch für Arbeit) ableitet.  In dieser Zukunft wird eine Gesellschaft beschrieben in der 80% erwerbslos sind.  Diese leben ausserhalb der Stadt in einer Art Elendsviertel.  Die restlichen 20% leben in der ummauerten Stadt und werden als „Aktive“ bezeichnet.  Verliert ein Aktiver seinen  Arbeitsplatz oder ist erwerbsunfähig dann muss er die Stadt verlassen. Entsprechend ist die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes extrem hoch. Daher ist es durchaus üblich mit allen Mitteln um seinen Posten oder gar eine Beförderung zu kämpfen (Betrug, Verrat und Mord eingeschlossen). Alles ist geprägt durch ein Klima der Angst und Überwachung.

Das Beklemmende daran ist, dass diese Zukunft schlicht wie eine konsequente Fortsetzung des Weges der letzten Jahre erscheint.  Aus dem Abbau des Sozialstaats und der marktliberalen Wirtschaftspolitik kann so eine absolute Ellbogengesellschaft, komplette Entsolidarisierung und Überwachung entstehen.

Noch haben wir die Wahl zu entscheiden, in welche Richtung es gehen soll.  Noch können wir können die Zukunft zum Wohl aller gestalten.  Daher gilt es die richtigen Weichen zu stellen.  Für die Piratenpartei ist die digitale Welt kein Neuland. Wir wollen die Chancen, die uns die Digitalisierung bietet, nutzen.  Daher wollen wir die gesellschaftliche Diskussion über die Zukunft jetzt führen. In der durch  Digitalen Wandel neu enstehenden Werte- und Tätigkeitsgesellschaft benötigen wir auch einen anderen Arbeitsbegriff.

Neue Ansätze wie Gemeinwohlökonomie, sharing economy, oder commons statt sozial ist, was Arbeit schafft. Auf jeden Fall muss das Recht auf sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe für alle gewährleistet sein. Daher unterstützt die Piratenpartei die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE). So wie die ersten industriellen Revolutionen das soziale Gefüge und die Gesellschaft stark verändert haben, wird auch die 4. industrielle Revolution zu großen Veränderungen führen. Gerade unter diesem Blickwinkel findet zur Zeit eine Themenwoche zum Bedingungslosen Grundeinkommen statt.

Digitalisierung ist eben nicht nur ein technologisches Thema sondern auch ein soziales und gesellschaftliches.  Neben Datenschutz,  Netzpolitik und Transparenz braucht es insbesondere neue Antworten auf die soziale  Frage.  Das Bedingungslose Grundeinkommen wird nicht nur von der Piratenpartei als mögliche Lösung für die Herausforderungen durch den Digitalen Wandel angesehen. Eine stetig wachsende Community weltweit sieht das BGE als den nächsten Schritt der sozio-kulturellen Evolution der Menschheitsgeschichte an. Es wird unsere zukünftige Gesellschaft genau so positiv prägen, wie die Abschaffung der Sklaverei, die Einführung des allgemeinen Wahlrecht und die Gleichstellung von Mann und Frau.

 

Gastbeitrag von Jürgen

4 Kommentare

  1. hallo,
    dank an gernot für den tip und dank an den autor. guter überblick. die 0-grenzkosten sind mir etwas suspekt … ich verbinde digitale technik immer noch mit enormen ressourcenverbrauch …. habe aber nicht weiter recheriert. „zukunft der arbeit“ hat sicherlich auch andere nicht-digitale seiten … die alle mit der frage zusammen hängen, wie wollen wir eigentlich (zusammen) leben.
    grüße aus bonn
    ulrich (www.grundeinkommen-bonn.de)

  2. 01.03.2016 – 18:00 Uhr (Einlass 17:30) – Landtag NRW
    Große Podiumsdiskussion der PIRATEN-Fraktion NRW

    Gesprächsteilnehmer:
    Prof. Dr. Sascha Liebermann, Alanus Hochschule Bonn, Mitbegründer der Initiative „Freiheit statt Vollbeschäftigung“
    Roland Blaschke, Netzwerkrat Grundeinkommen
    Werner Rätz, Attac
    Michael Fietsch, Initiative BGE-Lobby
    Moderation: Monika Pieper

    Ort der Veranstaltung:
    Villa Horion
    Johannes-Rau-Platz
    40213 Düsseldorf

    https://www.piratenpartei.de/2016/02/08/themenwoche-bedingungsloses-grundeinkommen-bge-und-die-industrie-von-morgen/

  3. Und wie passen Grundeinkommen für alle und der gleichzeitig hohe Migrationsdruck in Europa zusammen ? Ich denke, das wird nicht ganz so einfach umzusetzen sein wie es wünschenswert wäre.

Kommentare sind geschlossen.