Kompass – Zeitung für Piraten

KOMPASS: Das politische Gespräch: Interview mit Piraten-Wahlkampf-Koordinator Salomon Reyes

WAHLKAMPFSTRATEGIE PIRATENPARTEI - SALOMON REYES  - Wahlstrategien bei der Heinrich-Böll-Stiftung
WAHLKAMPFSTRATEGIE PIRATENPARTEI – SALOMON REYES – Wahlstrategien bei der Heinrich-Böll-Stiftung

Interview für den KOMPASS: Timecodex: CC-BY NC ND

Das Interview mit Salomon habe ich vor einigen Wochen geführt.

Da es ja den Wahlkampf betrifft, der für den KOMPASS genauso turbulent ist wie für alle anderen aktiven Piraten auch ist, und da wir den anderen Parteien ja nicht vorher alles verraten wollten, erscheint es erst heute.

Und: Wir verraten immer noch nicht alles:

KOMPASS:  Salomon, kannst Du Dich unseren Lesern bitte kurz vorstellen:                              Wer ist Salomon Reyes?

SALOMON REYES:  

Ich habe im Frühling mein Maschinenbau-Studium abgeschlossen. Bin jemand der es liebt Projekte von Anfang bis Ende zu begleiten. 

Ich bin in die Partei gerutscht, weil mein WG-Partner mich im Sommer 2011 dazu genötigt hat, mit ihm auf einen Stammtisch zu gehen.

Habe seitdem bei allen Landtagswahlen vor Ort mitgeholfen, Strukturen zu erstellen, Erkenntnisse zu sammeln oder faktischen Straßenwahlkampf zu betreiben.

So war es dann zwangsläufig, dass ich mit meiner Erfahrung und meinen Engagement wertvoll für die Vorbereitung und Organisation der Bundestagswahl war. 

Im Laufe des Jahres habe ich mich dann dazu entschieden, mich Vollzeit für die Piraten einzusetzen, woraufhin der Bundesvorstand mir dann das Angebot unterbreitet hat, die Wahlkampfkoordination von Matthias Schrade zu übernehmen.

KOMPASS:       

Salomon, Du bist Teil eines Teams, das – mit Hilfe der Parteibasis – die Wahlkampfstrategie für die Bundestagswahl 2013 erarbeitet hat. 

Kannst Du uns etwas über den Prozess und das Team erzählen? 

SALOMON REYES:  

Wahlkampfstrategie ist ein großes Wort, da es aus sehr vielen Facetten besteht. Wahlkampfstrategie bedeutet: Wie sollen die Plakatelemente (Sprüche, Konterfei, Stil) ausgestaltet werden? Es bedeutet: Wie präsentieren wir uns in den Medien? Was tun wir, um mit dem Bürger in Kontakt zu kommen? Und wie holen wir mit unserer Ehrenamtsstruktur und unserem Mikro-Budget aus all dem das Maximum raus?

Um die richtigen Antworten auf diese Fragen zu erhalten, muss natürlich ständig zwischen Konzeptern (Wünschis) und Umsetzern (Machis) rückgekoppelt werden.

Man merkt, es ist kompliziert & vielschichtig.

Aber heruntergebrochen ist Wahlkampfstrategie bei den Piraten am ehesten vergleichbar mit einem offenem Forum, in dem es ein paar Administratoren gibt, die dafür sorgen, dass keine Thematik doppelt behandelt wird und dass Thematiken ab einem gewissen Zustand abgeschlossen werden. Die Prozesse und Teilnehmer innerhalb dieser Thematiken gestalten sich dabei individuell verschieden natürlich verschieden aus. Es gibt daher auch nicht ein Team oder einen Prozess im engeren Sinne, sondern nur Administratoren. Und das sind die einzelnen Beauftragten & Verantwortlichen der wahlkampfspezifischen Aufgabenbereiche. 

WAHLKAMPFKONZEPT - SALOMON REYES - Vorstellung bei der Heinrich Böll-Stiftung
WAHLKAMPFKONZEPT – SALOMON REYES – Vorstellung bei der Heinrich Böll-Stiftung

KOMPASS:  

Du hast die aktuelle Strategie vor kurzem bei der Heinrich-Böll-Stiftung vorgestellt. Unter lauter „erfahrenen“ Profis hast Du eine erfrischende Performance abgeliefert.  

Kannst Du uns bitte einen kurzen Überblick über die Kernpunkte des Konzeptes geben?

SALOMON REYES:

Gerne! Wir haben in der Vorbereitung der Wahl unsere Stärken und Schwächen analysiert.

Folgende fünf Merkmale sind uns dabei aufgefallen:

  • Das wir als Partei überhaupt wahrgenommen wurden, haben wir der Zensursula-Debatte zu verdanken.
  • Unseren Berlin-Erfolg und der Hype, der dadurch ausgelöst wurde, ist unserer Plakatkampagne geschuldet.

Während diese beiden Elemente uns nach oben gespült haben, gab es auch Dinge, die uns das Leben schwer gemacht haben.

  • Wir haben auf Kann-Elemente verzichtet, Dinge die optional sind, aber in der Summe wertvoll sein können (ich spreche hier von Verzicht auf eigene Wahlkampfveranstaltungen, aktive Pressearbeit und das Platzieren von Direktkandidaten in jedem Wahlkreis)
  • Für viele Bürger sind und waren wir eine Ein-Themen-Partei
  • Durch die strikte Trennung von Person und Inhalt sind wir in der Außenwahrnehmung eine Partei ohne Symbolfiguren.

Wie wollen wir diese Erkenntnisse nun in den Wahlkampf einfließen lassen?

Wir werden die Innenminister der Republik ins Visier nehmen. Wir werden offenlegen, was die IM des Terrors so alles für einen Unfug fabrizieren, wenn man ihnen nicht gehörig auf die Finger klopft.

Das fängt bei Sicherheitsgesetzen an, die fahrlässig Bürger- & Grundrechte beschneiden und hört bei denen auf, die einfach hochgradig unwirksam sind oder sogar kontraproduktiv sind.

Neben diesem Protest werden wir aber auch darauf hinarbeiten, dass wir unsere Ideale klar rüberbringen und dabei zeigen, dass unsere Ideale nicht nur wichtig für eine wie auch immer geartete Randgruppe, sondern wichtig für alle Elemente einer Gesellschaft sind.

Diese Ideale werden durch vier grundlegende Begriffe geprägt wird.

  • Bürger – & Grundrechte,
  • Digitale Demokratie & Mehr,
  • Teilhabe,
  • Offenheit & Integrität von Politik.

Jeder Aspekt unseres umfangreichen Wahlprogramms lässt sich im Endeffekt durch einen dieser vier Begriffe umschreiben. und wir werden den Leuten draußen bewusst machen, dass alles was sie angeht und alles wofür wir einstehen im Endeffekt unter mindestens einem dieser vier Begriffe subsumiert werden kann.

Und anders als in den vergangenen Jahren als wir noch Themen statt Köpfe proklamiert haben, werden wir nun nach dem Motto Themen und Köpfe unser Wahlprogramm in unterschiedlichsten Formen und Varianten durch unsere Experten ans Volk bringen.

Das ist im Groben die Strategie die wir fahren werden.

KOMPASS:      

Wird es zu den Plakataktionen diesmal auch einen TV – Spot der Piratenpartei geben?  (inzwischen läuft er auch: die Red.)

SALOMON REYES:

Ja, es wird natürlich auch einen TV-Spot geben. Diesmal werden wir sogar den Luxus erleben dürfen, dass unser Wahlwerbespot zur besten Sendezeit vor den Nachrichten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk laufen wird – und nicht wie in den vergangenen Jahren nur im Netz aufrufbar ist.

Das Drehbuch steht bereits.

Der TV-Spot wird ein klassischer Episodenfilm mit Vignettierung, der mehrere Aspekte unserer Ideen und Positionen bildlich aufgreift. 

KOMPASS:      

Welche Rolle werden die Kandidaten im Wahlkampf spielen?

Werden Sie mit unterschiedlichen Themenfeldern in die Öffentlichkeit treten? 

SALOMON REYES:

Naja, wie ich bereits erwähnt, werden unsere Kandidaten unsere Speerspitzen sein. Sie werden die Leute sein, die unser breites Spektrum präsentieren werden. Unser Bundespresseteam koordiniert die einzelnen Anfragen und weist diese dann je nach Themengebiet dann den jeweiligen Kandidaten zu. Dadurch, dass wir uns nicht auf 1 oder 2 Spitzenkandidaten beschränkt haben, konnten die einzelnen Themenfelder recht unproblematisch arbeitsteilig zugewiesen werden. Die Medien ihrerseits haben dadurch den Vorteil, dass sie jeden der 16 unterschiedliche Personen interviewen können, ohne an einen „Hinterbänkler“ zu geraten.

Durch die aktuelle Debatte, die sich rund um Datenschutz und Netzpolitik dreht, werden Katharina Nocun und Anke Domscheidt-Berg als Experten auf diesem Gebiet natürlich auch eine wichtige Funktion in der öffentlichen Wahrnehmung übernehmen.

KOMPASS:      

Kannst Du bereits etwas über den zeitlichen Fahrplan für die Umsetzung des Konzeptes sagen?

Gibt oder gab es dazu eine Eröffnungsveranstaltung?

SALOMON REYES:

Die Eröffnungsveranstaltung hat bereits stattgefunden. Am 30. Juni gab es den dezentralen Aufbruch. An diesem Tag haben die Bundesländer Hessen und Bayern ihren Landtagswahlkampf und gemeinsam  mit Berlin den Bundeswahlkampf eingeläutet.

Wir haben eine Live-Schalte initiiert, in der sich mehrere nationale und internationale Piraten in einer Videokonferenz zusammengefunden haben und offenbart haben, dass Piraten wirken. (http://www.piraten-zur-wahl.de/)

Wenn man möchte, kann man sich die komplette Aufzeichnung der Video-Konferenz nochmal online anschauen.

Das war unser offizieller Startschuss. Gemeinsam mit dem Wahlkampfauftakt haben wir unser zentrales Infoportal geschaltet. Ein Portal, in dem jeder Bürger auf so gut wie alle wahlspezifischen Fragen  Antworten oder weiterführende Informationen zur Piratenpartei erhält. Auch unsere regierungskritische Satirereihe Datenhamster wird dort veröffentlicht werden. Seit dem 30.06. sind wir nun auf allen Ebenen und allen Kanälen vermehrt aktiv. Dort wo es möglich ist, haben wir bereits Plakate gehängt (womit wir mal wieder die anderen Parteien überrascht haben). Außerdem betreiben wir seit diesem Zeitpunkt vermehrt Infostände und organisieren Diskussionsrunden, Demonstrationen und anderweitige Aktionen wie zum Beispiel Kiezspaziergänge.

Naja und dann zählt es. Am 14. September gibt es die großen, inoffiziellen Vorwahlen wenn der bayerische Landtag gewählt wird. Dort wird sich dann zeigen, ob unser Konzept zieht und mit welcher Argumentationslinie wir in die letzte Wahlkampfwoche gehen können.

KOMPASS:      

Salomon Reyes, vielen Dank für das Gespräch. 

 

 Timecodex