Die Piratenpartei Deutschland hat soeben auf ihrer Webseite ein bisher geheim- gehaltenes Dokument aus dem CETA-Handelsabkommen veröffentlicht. Die Verhandlungen dazu finden aktuell im Hinterzimmer zwischen Kanada und Europa statt. Konkret handelt es sich dabei um das Kapitel »Immaterial Property Rights« (IPR), in dem es um geistige Eigentumsrechte, Patentrechte und Markenschutz geht.
Der Urheberrechtsexperte und EU-Kandidat der Piratenpartei Deutschland,
Bruno Gert Kramm, dem die Dokumente [1] zugespielt wurden, findet klare
Worte für den bisher neuesten Beleg intransparenter Lobbypolitik auf
europäischer Ebene:
»Die Dokumente offenbaren ein weiteres Mal das vollkommen aus dem
Gleichgewicht geratene Selbstverständnis von EU-Kommissaren und
Vertretern großer Konzerne und Verbände. Im Windschatten der
oberflächlichen öffentlichen Debatte um Chlorhühnchen im
transatlantischen Freihandelsabkommen zwischen USA und Europa entsteht
mit CETA ein weiteres Abkommen im Stile von ACTA«, so Kramm.
Aktuell werden die Freihandelsabkommen außerhalb der Öffentlichkeit und
damit auch weitestgehend abseits des öffentlichen Interesses verhandelt.
Dabei haben gerade Freihandelsabkommen als völkerrechtlich bindende
Vereinbarungen handfeste Auswirkungen auf die nationale Gesetzgebung,
kann der Gesetzgeber die mit den Abkommen eingegangenen internationalen
Verpflichtungen im Nachhinein doch kaum noch entschärfen, modifizieren
oder zurücknehmen.
»Den meisten Menschen sind die Auswirkungen von CETA und TAFTA auf die
eigene, zunehmend digitalisierte Lebenswelt kaum bewusst. Doch die
Zirkulation von Wissen, Schöpfungen und Informationen im Netz kennt
keine nationalen Grenzen. Damit stellen gerade restriktive
internationale Regeln eine Gefahr für das Wissen im Netz und seine
Nutzer dar.
Aus diesem Grund müssen bilaterale Abkommen wie CETA
transparent und unter Berücksichtigung aller Interessensgruppen – und
eben nicht nur der Industrieverbände und Unternehmen – ausgehandelt
werden«, fordert Kramm weiter.
So enthält das von den PIRATEN veröffentlichte CETA-Kapitel zum
geistigen Eigentum einige kritische Punkte, deren Auswirkungen auf die
Störerhaftung und die Durchsetzung von Schadensansprüchen gegenüber
Nutzern in ihrer Tragweite kaum zu spezifizieren sind. Weiterhin fällt
die Erwähnung von Camcorderaufzeichnungen auf, die sowohl
Lichtspielhäuser als auch öffentliche Aufführungen betreffen dürfte;
hier birgt die im Vertrag vorgesehene Möglichkeit, bisher rein
zivilrechtlich geahndete Durchsetzungen in den strafrechtlichen Bereich
zu verlagern, nicht zu unterschätzende Gefahren für Privatpersonen.
Die Störerhaftung und die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen und
abgeleiteten Forderungen könnten durch CETA ebenso eine weitreichende
Verschärfung erfahren.
Bruno Kramm kritisiert deshalb: »Wie schon bei ACTA und TTIP werden aus
dem Elfenbeinturm heraus Bedingungen für den internationalen Handel über
die Köpfe vieler hundert Millionen Bürger auf beiden Seiten des
Atlantiks entschieden, ohne auch nur ein Quäntchen Mitbestimmung zu
ermöglichen.
Gerade im Zeitalter der digitalen Partizipationsmöglichkeiten wie z. B. Onlinebefragungen und Volksabstimmungen stellt sich die Frage, ob nicht die grundsätzliche Legitimation dieser undemokratischen und entmündigenden Handelsabkommen hinterfragt werden muss. Wenn Regierungen die ihnen auf Zeit anvertraute Hegemonie immer bereitwilliger an die Konzerne abtreten, die zunehmend
die Bedingungen des gesellschaftlichen Miteinanders bestimmen, müssen die Bürger die Reißleine ziehen können.«
Neben notwendiger Transparenz und Mitbestimmung bei der Aushandlung
solcher Abkommen stellt sich für die PIRATEN auch die Frage, ob in einer
global vernetzten Welt der Handel ohne Grenzen überhaupt bilateral gelöst werden sollte oder nicht von vornherein multilateral und grenzenlos gedacht werden muss.
[1]
https://www.piratenpartei.de/wp-content/uploads/2014/02/CETA-consolidated-texts-December2013_IPR_v4.pdf
Quelle: Piratenpartei Deutschland