Der Bundesrat hat vor ein paar Tagen trotz gravierender verfassungsrechtlicher Bedenken den Entwurf zum Telekommunikationsgesetz (TKG) durchgewinkt. Erst sah es so aus, als ob der Bundesrat hier und da noch entschärfen wollte. Nun nicht mehr: alle Kritikpunkte fielen ersatzlos weg. Die neue Regelung geht dabei weit über die Altregelung hinaus.
Die Daten sollen künftig automatisch und ohne größere Hürden fließen, eine konkrete Gefahr oder ein konkreter Verdacht sollen nicht notwendig sein, schreibt das IT-Newsportal golem.de. Also immer dann, wenn irgendein Ermittler eine „Idee“ hat, werden massenhaft Bürger ausgeforscht. Das ist der Einstieg in den elektronischen Schnüffelstaat, den das BVG aus gutem Grund verboten hat. Mit PIN-Codes für die Endgeräte wird das vernetzte Smartphone zum potentiellen Staatsspion!
Die alte Regelung wurde seinerzeit vom Bundesverfassungsgericht kassiert. Doch der Geist darin lebt weiter. Ohne klare Grenzen und ohne richterliche Genehmigung erhalten Polizeibehörden umfassende Zugriffsrechte:
- Passwörter zu E-Mail-Postfächern und Geräte-PIN-Codes
- Identifikation der Internetnutzer hinter dynamischen IP-Adressen
- Automatische Schnittstelle für Polizeianfragen bei Großprovidern ab 100.000 Kunden
Das heißt: Forciert werden soll die schnelle Auskunft – größere Provider müssen dazu eine „Schnittstelle“ einrichten, auf der Staat dann hemmungslos in die Privatgeheimnisse spähen darf.
Sebastian Nerz, stellvertretender Vorsitzender der Piratenpartei Deutschland sagt dazu:
„Dieser Gesetzesentwurf ist ein Angriff auf die freie Gesellschaft. Es muss ein Recht auf anonyme Kommunikation geben. Das Ziel demokratischer Politik kann und muss eine freie Gesellschaft sein. Dafür braucht es ein gewisses Maß an Sicherheit. Überwachung ist jedoch keinesfalls ein Wert an sich und darf deswegen nur mit Augenmaß eingesetzt werden. Dies ist derzeit nicht der Fall, wir bewegen uns in Richtung Totalüberwachung.“
Neue Technik steht bereit
Und wie schnell das mit der Totalüberwachung geht, sieht man wunderbar an den Forderungen nach mehr Videokameras plus Videoaufzeichnung nach dem versuchten Bombenattentat in Bonn.
Es geht immer weiter mit der grotesken Bürger-Ausspionierung:
- In den historischen Cable Cars und Bussen in San Francisco werden seit kurzem die Gespräche aufgezeichnet: fünf unabhängige Tonspuren sorgen dafür, dass jedes Einzelgespräch im Nachhinein herausgefiltert werden kann. Mindestens 30 Tage lang.
- Eine ähnliche Technologie (325 vernetzte Mikrophone) wurde in 2010 bereits für riesige Fußballstadien erprobt, um da einzelne Fans abzuhören. Im Nachhinein, da aufgezeichnet!
- In der Luft schwebt die Drohne mit einer Zivilvariante von „Gorgon Stare“, damit alle Bewegungen in der Stadt komplett erfasst werden.
Geschenk von Mutti: Das TKG wird wahlkampfrelevant
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2012 entschieden, dass Teile des TKG verfassungswidrig sind. Der nun verabschiedete Gesetzesentwurf steht im Widerspruch zum Urteil von Februar, das klare Vorgaben enthält.
Über den Entwurf muss nun der Bundestag entscheiden. Einen Termin gibt es bisher noch nicht, allerdings hat das Bundesverfassungsgericht die Zeit bis Juni 2013 als Rahmen genannt. Bis dahin muss ein neues Gesetz in Kraft sein.
(mit Material von Piratenpartei Deutschland)