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Es gibt mehrere Möglichkeiten unser Ergebnis bei der Bundestagswahl zu deuten:
„Wir haben nicht so viele Wähler gewonnen, wie wir beabsichtigt hatten.“
„Man kann behaupten, dass dies die erfolgreichste Piratenpartei bei einer Bundestagswahl
in der Geschichte der Bundesrepublik war.“
Auch das ist richtig.
Die erreichten 2,2 % liegen exakt 0,2 % über den Ergebnissen der letzten Bundestagswahl, bei der die Piraten eine absolute Newcomer-Partei von lauter „Nobodies“ gestartet war.
Das liegt sogar unter der Zahl unseres Stammwählerpotentials.
Jetzt könnten wir uns an dieser Stelle damit beschäftigen, welche äußeren Einflüsse ein besseres Wahlergebnis verhindert haben.
Wir möchten in dieser Interviewserie aber eher die internen Gründe ansprechen mit der Zielrichtung, es für die Kommunal-, und Europawahlen besser zu machen.
KOMPASS: Komplex 1: Wahlprogramm
Da wir ein sehr umfangreiches Wahlprogramm erarbeitet hatten, mit Bürgerthemen wie dem Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE), hätten wir einen großen Themenkanon präsentieren können.
Haben wir zu sehr auf die falschen Themen (wie die NSA-Affäre) gesetzt?
Mitkrieger:
Nein, es gab doch keine Vorgaben. Jeder hat auf die Themen gesetzt, auf die er wollte. Deine These, wir hätten einen großen Themenkanon präsentieren können, teile ich nicht. Im kleinen ist das (oft zur viel) geschehen. Um mediale Aufmerksamkeit zu erlangen, hätten andere Dinge stimmen müssen.
KOMPASS: Komplex 2: Kommunikation mit dem Wähler
Gab es Deiner Ansicht nach auch Schwächen in der Kommunikation unserer Themen?
Wären nicht weniger Flyer mit klarerer Sprache zielführender gewesen?
Hättest Du andere Schwerpunkte gesetzt?
Mitkrieger:
Die Flyer waren inhaltlich in Ordnung. Auffallend war, wie die Flyer mit optisch freundlicheren Titelgesichter deutlich besser weggingen, als die ernsten Gesichter. Wir sollten uns ruhig mehr Freundlichkeit zutrauen.
KOMPASS: Komplex 3: Wahlplakate
War unsere Plakatserie Deiner Meinung nach treffend, oder hättest Du hier andere Schwerpunkte gesetzt?
Mitkrieger:
Ich hatte frühzeitig vorgeschlagen, gar keine Plakate zu machen bis auf ein riesiges Großplakat, z. B. in Berlin. Den Rest des Geldes hätten wir in eine schlaue Web-Strategie und in die Infostände stecken sollen.
Ich werde vielleicht für 2017 ein Konzept dazu entwickeln, befürchte aber, dass sich die Leute lieber weiter um sich selber drehen und bedruckte Plastikdinger in die Gegend zu hängen um über diesen fleißigen Arbeitseinsatz reputationsträchtig zu twittern. Ich habe festgestellt, Piraten sind oft nicht mutig und innovativ, sondern viel zu oft gefangen in einer Art digitaler Kleinbürgertumsbubble.
KOMPASS: Komplex 4: Allgemeine Strategie / „Themen statt Köpfe“
In einem Wahlkampf, der sehr stark auf Personen fixiert war:
Kann man sagen, dass diese Strategie beim Wähler nicht angekommen ist?
Hätte die Piratenpartei besser „Themen mit Köpfen“ in den Vordergrund stellen, oder gleich einen Spitzenkandidaten / ein Spitzenduo präsentieren sollen?
???
Mitkrieger:
Klar hätten wir eine Spitzenkandidatin gebraucht.
Das größte Problem der Piraten ist meiner Meinung nach die mangelnde Kongruenz zwischen
1.beschlossenem Programm (und dessen objektive, wissenschaftliche Einordnung, in die politische Landschaft)
und
2.Kommunikation der Inhalte nach außen (abweichend, falsch, über das Programm hinaus, unterschiedlich interpretiert, Wichtigkeit, Reihenfolge) sowie
3. der gewünschten Ernsthaftigkeit, mit der wir Politik betreiben wollen
und
4. der Darstellung der Partei nach außen (Personen, Gruppen, Parteitage, Optik, Sprachwahl, Kommunikationsverhalten)
Dadurch gibt es kein klares Bild, weder nach innen, noch nach außen. Nach außen wirken wir extrem unglaubwürdig und großteils unsympathisch.
Es fehlt das Management seitens der Bu- und LaVos darauf hinzuweisen und die Bemühung eine Deckung zu erreichen. Nur BuBernd hat in Ansätzen unser beschlossenes Programm recht neutral nach außen vertreten. Alle anderen, vor allem die medial präsenten Abgeordneten machen daraus, was sie wollen. Wir brauchen Vorstände, die das von der Basis beschlossene Programm vertreten, so wie es geschrieben steht und nach innen und außen stärker vertreten
KOMPASS: Komplex 5: Wahlkampforganisation:
Glaubst Du, dass es eine gute Entscheidung gewesen ist, eine Wahlkampfzentrale in Berlin und eine WK-Zentrale in NRW zu betreiben?
Wurden diese Zentralen, Deiner Ansicht nach, kontinuierlich und gut gemanagt:
Hatten Kandidaten und Presse den bestmöglichen Support?
Mitkrieger:
Die Ortsfrage halte ich für zweitrangig. Wir brauchen echte Manager, Leute die das Ganze im Auge behalten und dann mit den freiwilligen zusammen klare Ziele definieren, verfolgen und umsetzen. Das gilt auch für den Bereich Öffentlichkeits- und Pressearbeit. Weder auf Bundesebene noch in NRW hatten wir die richtigen Leute mit den nötigen Skills, auch nicht in den Vorständen. Wir müssen Manager bezahlen, wenn wir erfolgreicher werden wollen.
KOMPASS: Komplex 6: Veränderungen / Verbesserungen
Was können / müssen wir für den Kommunalwahlkampf und die Europawahl im Mai besser machen?
Was schlägst Du für organisatorische Änderungen vor?
Welche inhaltlichen Themenschwerpunkte würdest Du setzen?
Welche Kommunikationsformen sollten wir wählen? Pressemitteilungen, Infostände, Kandidatentermine, Wahlplakate etc?
Mitkrieger:
Den Kommunalwahlkampf halte ich für viel wichtiger als den Europawahlkampf, der sollte nur nebenbei mit laufen.
Kommunal sollten wir so lokal wie möglich machen, vor allem mit den Themen Transparenz und Partizipation, weil wir da realistisch, auch in der Opposition heraus Erfolge erreichen können.
Vor allem müssen wir auf die Straße und überall kommunizieren, dass es keine Fünf Prozent Hürde gibt und die Stimmen für die Piraten vor Ort viel schneller dafür sogen, dass PIRATEN in der Politik aktiv für die Menschen arbeiten können.
KOMPASS: Mitkrieger, vielen Dank für das Gespräch.
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KOMPASS- BLOG-Interview zur Nachbetrachtung der Bundestagswahl 2013
Bezahlte Manager halte ich für einene Fehler. Diese Art der Professionalisierung nimmt uns ein Stück: unsere Ursprünglichkeit, Baisisdemokratie und Basismotivation.
„Grätscht dazwischen“, hörte ich von unsere Wählern immer wieder und nicht
„professionalisiert euch, bis ihr so glatt seid wie die Anzugträger der FDP.“
Strukturen müssen intern wachsen. Nur das ist nachhaltig. Die Begeiesterung für die Sache ist unser Motor, unser Antrieb und unsere Stärke. Wahlen werden mit Marketing gewonnen, Wähler aber mit Glaubwürdigkeit und Vertrauen.