Kompass – Zeitung für Piraten

Der Kompass-Europa-Kandidatengrill: Bruno Kramm

Europakandidatenwahlen der Piratenpartei Deutschland 2014

BRUNO KRAMM - IMG_1659 - Foto be-him CC-BY NC ND - BLOG
BRUNO KRAMM – IMG_1659 – Foto be-him CC-BY NC ND

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

KOMPASS:

 

Bei den Wahlen zum Europaparlament im Jahr 2009 gelang es zwei Kandidaten der Piratenpartei in die europäische Volksvertretung einzuziehen.

Amelia Andersdotter und Christian Engström aus Schweden wurden Mitglieder des Gremiums und vertreten seitdem die Interessen der Piraten im Verbund mit der Fraktion der Europäischen Grünen / EFA.

 

Am fünfundzwanzigsten Mai 2014 stellen sich die Abgeordneten für das EU-Parlament unter anderem auch in Deutschland erneut dem Votum der Wähler.

 

Auf dem Bundesparteitag am 04. und 05. Januar 2014 werden die deutschen Kandidaten der Piratenpartei gewählt.

 

Damit wir uns ein Bild von Ihnen machen können, befragen wir sie in einer Interviewserie.

 

KOMPASS:     

 

Es treten neben Dir noch einige weitere Kandidaten zur Wahl auf diesem Parteitag an.

 

Wir möchten Dich bitten, unseren Lesern ein paar persönliche Informationen über Dich zu geben, damit sie einen Eindruck davon gewinnen können, wen sie wählen, wenn sie Deinen Namen ankreuzen.

 

 

BRUNO KRAMM:

 

Nationale Grenzen waren mir immer fremd. Ich bin Europäer und lebe mit meiner deutsch-finnischen Familie in Franken, Berlin und Finnland. Wir Piraten sind im grenzenlosen Netz sozialisiert, entwickelten aus dem digitalen Wandel heraus die Kernthemen unserer Bewegung.

 

Diese Themen inspirieren alle Bereiche der Gesellschaft. Sie liefern konstruktive Antworten auf Europas Stillstand. Für mehr Bürgerbeteiligung, Transparenz und Offenheit. Für den Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft. Für die Prosperität der Gemeingüter Bildung, Wissen und Kultur. Für Kooperation und gutes Gelingen statt Konfrontation und Ausgrenzung.

 

Als Kandidat auf der bayerischen Liste zur Bundestagswahl 2013, als Politischer Geschäftsführer in Bayern 12/13 und als Beauftragter Urheberrecht habe ich umfassende Erfahrungen im Umgang mit Medien gesammelt.

 

Im TV, im Radio, in Interviews, auf Demos und auf Podiumsdiskussionen habe ich erfolgreich Piratenpositionen vertreten. (z.B. SAT1 1gegen1 [[1]], ARD Morgenmagazin [[2]], 3sat Kulturzeit [[3]], ZDF Login [[4]], Stop Watching US Demo [[5]], BPT 2013.1 Rede [[6]], Deutschlandradio zu GEMA Klage [[7]] )

 

Auf meinem Wiki Benutzerprofil http://wiki.piratenpartei.de/Benutzer:Brunokramm sind PMs, Blogs und meine öffentlichen Tätigkeiten für die Piratenpartei zusammengefasst.

 

 

KOMPASS:      Zuerst möchten wir ein paar Fragen zu Deiner Person an Dich richten:

 

1) Was sind Deine politischen Schwerpunkte / Themen?

 

BRUNO KRAMM:

Urheberrecht, Freihandelsabkommen, Lobbykontrolle, Commons, Kultur + Medienpolitik

 

2) Welche europäischen Bezüge siehst Du in diesen Themenfeldern?

 

BRUNO KRAMM:

 

Die Harmonisierung gemeinsamer Europäischer UrhR Regelungen sind in der INFOSOC Richtlinie festgeschrieben. Das ist ein wesentliches EU Thema. Sämtliche Lobbyfäden der Contentindustrie laufen hier zusammen.

 

Das Freihandelsabkommen TTIP/TAFTA wird von einer EU und einer USA Verhandlungsdelegation geleitet.

Nur auf EU Ebene (so wie damals bei ACTA) haben wir Möglichkeiten, aktiv Politik zu gestalten

 

 

3) Was sind Deine politischen Ziele?

 

BRUNO KRAMM:

 

Eine Urheberrechtsreform die endlich Nutzer und Urheber auf Augenhöhe bringt. Das Internet bedeutet statt des alten Kulturmonopolismus der 1:n Kommunikation, die n:n Kommunikation der modernen Wissensgesellschaft. Hier funktionieren weder die alten Vertriebswege, noch die Urheberrechtsregelungen. Sie schränken sowohl Nutzer als auch Urheber ein. Hier kann ich auf EU Ebene aktiv werden.

 

Der Kampf gegen ein intransparentes Freihandelsabkommen trifft die gleiche Kerbe. Dies ist nur auf EU Ebene möglich.

 

Um mehr Akzeptanz der Europäer für ein gemeinsames Europa zu erreichen brauchen wir mehr Partizipationsmöglichkeiten. All dies ist im digitalen Wandel wirklich möglich, nur bisher von den durch die Industrielobbies durchdrungenen Strukturen nicht gewollt. Das ist ein elementares Piratenthema

 

4) Welche Eigenschaften machen Dich zum geeigneten Kandidaten für das Europäische Parlament?

 

BRUNO KRAMM:

 

Als Betreiber einer Indie Plattenfirma, als Musiker und als Nutzer kenne ich alle Seiten des Themas Urheber- und Urheberwahrnehmungsrechts. Ich kenne sämtliche Institutionen der Contentindustrie und ihre Verbände sehr gut von innen und kann dadurch so mache Verstrickung, die vielen der Parlamentarier auf EU Ebene nicht einmal bekannt sind aufdecken. Z.B. wünschen alle die Harmonisierung des UrhR – auch wir Piraten – Die wenigsten aber bemerken, wie perfide die GEMA diesen Begriff für eigene Zwecke nutzt und die Harmonisierung zur Durchsetzung ihrer Vorstellung von UrhrWG nutzt.

 

Das bedeutet z.B. Gefahr für kleinere EU Verwertungsgesellschaften mit CC Lizenzen.

 

Aber auch die Schaffung von intransparenten Finanzierungsinseln für große Contentpools wie CELAS / PAEKOL gilt es im Rahmen der Harmonisierung kritisch zu betrachten. Die Durchsetzung von Harmonisierungen wie im Falle der EUGH Urteile Padawan und Luksan muss man noch kräftig anschieben. Im Sinne der Verbraucher und der Urheber.

 

In diesen Bereichen habe ich durch meine Jahrzehntelange Berufserfahrung sehr gute Voraussetzungen, auch als Einzelner in einer Fraktion viel zu erreichen. Durch die Expertise.

 

Was TTIP betrifft: Ich habe bereits bei der Vernetzung der Proteste die wesentliche Bündnisarbeit mit „TTIP nein Danke“ angestossen und werde hier vor allem darauf achten, dass das sogenannte Advisory Commitee der NGOs endlich Zugang zu den Verhandlungspapieren finden.

  

5) Hast Du bereits Erfahrung in Parteiämtern oder politischen Mandaten sammeln können?

 

BRUNO KRAMM:

 

Ja.

 

6) Wenn ja, welche(s)?

 

BRUNO KRAMM:

 

Ich war Pol GF in Bayern und bin seit ein paar Jahren Beauftragter für das Urheberrecht und jetzt auch TTIP.

 

 

7)Bist Du vor Deiner Mitgliedschaft in der Piratenpartei bereits in einer anderen Partei gewesen?

 

BRUNO KRAMM:

 

Ich war früher bei den Grünen und hab mich mit Grausen abgewendet. Die Lobbypartei besserverdienender Biounternehmer und neuerdings auch Vertreter konservativ-christlicher Werte haben nicht mit den Wurzeln dieser ursprünglich mal antiautoritären Partei zu tun

 

8)Wie stellst Du Dir die Kommunikation mit Presse, Funk und Fernsehen in Deiner Eigenschaft als Abgeordneter des Europäischen Parlamentes vor?

 

BRUNO KRAMM:

 

Die bereits geschaffenen Strukturen von Amelia nutzen und ausbauen. Ich bin gut im Umgang mit Presse und Medien, wie ein Auszug meiner TV/Radio/Zeitungsinterviews in meinem Wiki dokumentieren kann.

 

9) Hast Du in diesem Bereich bereits Erfahrung sammeln können?

 

BRUNO KRAMM:

 

Ich habe bereits gute Erfahrungen in der Pressearbeit gesammelt. Als Kandidat für die Bundestagswahl, aber auch als Chef einer Plattenfirma.

 

KOMPASS:

Wir möchten Dich jetzt bitten uns ein paar Fragen zu unterschiedlichen     politischen Themenbereichen zu beantworten.

 

A)     Währung und Finanzen:

 

12) Wie ist Deine Position bezüglich der gemeinsamen Europäischen Währung Euro?

 

BRUNO KRAMM:

 

Ich stehe pro Euro.

 

13)  Bist Du für einen zwischenstaatlichen Finanzausgleich?

 

BRUNO KRAMM:

 

JA.

 

14) Welche Entscheidungen im Bereich der innereuropäischen Steuersysteme sollten Deiner Ansicht nach getroffen werden?

 

BRUNO KRAMM:

 

Mehr Steuerbefugnisse auf EU Ebene, dafür mehr Kontrolle, Transparenz und Mitbestimmung der Europäer

 

15) Welche Maßnahmen sollte die EU in Bezug auf die Frage der Bankenregulierung ergreifen?

 

BRUNO KRAMM:

 

Mehr Bankenregulierung. Und Regulierung, damit Banken nicht „too big to fail“ werden. D.h. z.B. Anlegerschutz aber nicht für Derivatehandel u.Ä.

 

 

B)     Arbeit und Sozialpolitik:

 

16) Wie stehst Du zur Freizügigkeit auf dem Arbeitsmarkt innerhalb der Europäischen Union?

 

BRUNO KRAMM:

 

Sie muss weiter bestehen und darf keine Sonderausnahmen entwickeln, wie gerade für Osteuropäer in der Schublade

 

17) Welche Maßnahmen sollte das Parlament in Bezug auf die Löhne und Gehälter (Mindestlöhne) oder das Bedingungslose Grundeinkommen treffen?

 

BRUNO KRAMM:

 

Das BGE ist Konsequenz aus dem digitalen Wandel, der auch Abschied aus der Vollbeschäftigung bedeutet. Das trifft auf ganz Europa zu. Wir brauchen dringend Planprojekte für ein langfristiges Europaweites BGE.

 

Gesetzlicher, flächendeckender Mindestlohn hilft langfristig die EU Flucht aus verschiedenen Ländern zu dämmen, braucht aber viele stabilisierende Massnahmen in den jeweiligen Ländern.

 

18) Was kann zum Schutz der Arbeitnehmer unternommen werden?

 

BRUNO KRAMM:

 

19) Wie sollte die Flüchtlingspolitik Europas aussehen?

 

BRUNO KRAMM:

 

Offenes Europa. Kein Mensch ist nirgendwo illegal.

 

Unsere Demokratie muss zum Anspruch auf Asyl als Grundwert einer solidarischen Gesellschaft stehen und diesem endlich umfassend gerecht werden. Gerade in Europa kann man die Bedingungen, unter denen Asylbewerber in veralteten, verdreckten, überbelegten und viel zu engen Heimen abseits der Gesellschaft kaserniert werden als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnen. (Lampedusa).

 

Die dezentrale Abschottung der Asylbewerber trägt im übrigen genauso wie die ständigen Forderungen der Verschärfung von Visabedingungen dazu bei, dass gerade Überfremdungsphantasien der rechten Populisten auf fruchtbaren Boden fallen.

 

Europa ist ein Einwanderungsland, der Fortschritt unserer Gesellschaft lebt von der Vielfalt der Etnien.

 

C)      Internationale Beziehungen:

 

20) Wie stehst Du zu TTIP / „TAFTA“ (Trans-Atlantic Free Trade Agreement), dem geplanten Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika und welche Bedingungen sollten die USA Deiner Ansicht nach erfüllen?

 

BRUNO KRAMM:

 

Wie bereits weiter oben ausgeführt und auf meiner Aktivistenseite stopttip.wordpress.com bald in allen europäischen Sprachen zu lesen, sehe ich TTIP (TAFTA ist der alte Name) als eine große Gefahr für unsere Demokratie. TTIP ist nichts anderes als die Wiedereinführung von ACTA durch die Hintertüre.

 

Zum Thema empfehle ich auch mehrere Blogs auf piratenpartei.de und auf brunokramm.de aus meiner Feder.

http://brunokramm.wordpress.com/2013/10/14/was-ist-taftattip/

 

21)  Was sollten EU und die USA zur Sicherung der Bürger-, und Freiheitsrechte der europäischen Bürger beschließen?

 

BRUNO KRAMM:

 

TTIP Verhandlungen beenden – wir brauchen keine Handels NATO.

Save Harbour Abkommen kündigen.

 

 

22)  Wie ist Deine Position in Bezug auf die Bereiche NSA-, GCHQ – Spähaffäre und die Vorratsdatenspeicherung? 

 

BRUNO KRAMM:

Abschaffung der VDS.

 

Ein europäischer, nicht von Konzerninteressen durchdrungener Datenschutz ist wesentlich. Der Umstieg auf Opensource und ein wesentlicher Schutz der digitalen Privatsphäre, der nicht durch privatwirtschaftliche Auskunftspflichten u.Ä. aufgeweicht werden kann. Verpflichtete digitale Verschlüsselung.

 

23)  Sollten NATO und EU militärische Operationen außerhalb ihrer Staatsterritorien durchführen?

 

BRUNO KRAMM:

 

Nein

 

D)     Bildung:

 

24) Welche Ansätze sollten hier verfolgt werden, mehr wirtschaftsorientierte oder persönlichkeitsbildende Ausbildungsgänge?

 

BRUNO KRAMM:

 

Bildungs-, Sozial- und Wirtschaftspolitik greifen Hand in Hand. Nur wenn Bildung wert-, barriere- und altersfrei jedem Menschen, egal welcher sozialen Herkunft, offen steht, hat sich der Begriff der Bildung von der zweckgebundenen Ausbildung differenziert. Eine gebildete Bevölkerung bedeutet einen Zugewinn für die Demokratie. Das Recht auf Bildung muss europäische Leitlinie werden.


Nur so können Menschen die ihren Arbeitsplatz durch Umstrukturierungen verloren haben, aufrecht und selbstbestimmt neue Wege einer beruflichen Entwicklung versuchen. Das individuelle Scheitern muss, statt in eine Einbahnstrasse zu münden eine Neuausrichtung und Umorientierung zu jedem Zeitpunkt möglich machen.

 

25) Welche Konzepte sollten bezüglich des Handwerks und der Universitäten verfolgt werden?

 

BRUNO KRAMM:

 

Die komplette Öffnung zu Konzepten wie Open Educational Ressources (OER) und dem Open Courseware Consortium (OCWC) sowie eine umfassende Open Access Regelung muss Universitäten jedem offen verfügbar machen. Es ist eine Schade, das gerade das OCWC Konzept, das internationale Erfolge feiert, in EU durch ein veraltetes UrhR augebremst wird.

All das mündet in die generelle Forderung, Lernmittel unter freien Lizenzen zu fördern.

 

E)      Verkehr:

 

26) Wie stellst Du Dir in Zukunft die Verkehrssysteme innerhalb der Europäischen Union vor?

 

BRUNO KRAMM:

 

Mobilität ist ein Grundrecht. Der Ausbau transeuropäischer Eisenbahnen trägt zur gefühlten Nähe Europas bei und hilft die Probleme von Verkehr und Umwelt zu begrenzen.

Die Erhebung von Daten im Rahmen von Verkehrsbewegungen, die die informationelle Selbstbestimmung beeinträchtigen, gilt es abzuschaffen.

 

27) Wie stehst Du zu einer europaweiten Maut?

 

BRUNO KRAMM:

 

F)      Fraktion, Parlament und Regierung:

 

28) Wie stehst Du zum sogenannten „Fraktionszwang“?

 

BRUNO KRAMM:

 

Ich bin gegen den Fraktionszwang und werde mich entsprechend meiner Meinung und den durch ein Beteiligungstool eingeholten Empfehlungen der Bürger verhalten. Hierzu plane ich eine Wikiargumentsinstanz auf meiner Internetseite.

 

29) Sollte am Ende des Europäischen Prozesses eine gewählte Europäische Regierung stehen, welche durch das Europaparlament kontrolliert wird?

 

BRUNO KRAMM:

 

Eine starke europäische Regierung die die Vielfalt der Regionen Europas als ihre Stärke begreift. Dazu brauchen wir aber erst ein klares Votum aller Bürger, die über eine gemeinsame europäische Verfassung abstimmen müssen. Ein europäischer Verfassungskonvent ist die Eintrittskarte zu diesem, von den Parlamentariern und nicht der Kommission regiertem Europa

 

30) Was wünscht Du Dir für die Zukunft in Europa?

 

BRUNO KRAMM:

 

Die EU hat uns Frieden gebracht. Die nächste Generation fühlt sich bereits als Europäer. Europa muss das Labor moderner Demokratie werden, das auf dem Weg zur vernetzten, globalen Welt die richtigen Antworten auf Subsidiarität findet.

 

Ich wünsche mir, dass die Bürger Europas endlich die große Chance zu mehr Mitbestimmung in dieser neuen Ordnung finden und gestalten. Open Governance ist meine Leitidee für ein modernes Europa.

 

 

Interview mit Bruno Kramm zur Kandidatur für das Europaparlament 2014

Kompass:        Bruno Kramm, vielen Dank für das Gespräch.

 

Timecodex CC-BY NC ND