Kompass – Zeitung für Piraten

Vorratsdatenspeicherung: Staatsterror gegen Whistleblower und Bürgerrechte

Nach dem Gesetzesentwurf zur neuen Vorratsdatenspeicherung könnten Enthüllungen wie etwa zur Polizeifolter in Hannover strafbar werden. Der Grund: Datenhehlerei – der neueste fiese Anschlag auf Bürgerrechte von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Sicherheitspolitikern und dem Rest der „Großen Koalition“

Großer Fan der Vorratsdaten: Innenminister Thomas de Maizière - Foto: Wikimedia / gemeinfrei
Großer Fan der Vorratsdaten: Innenminister Thomas de Maizière – Foto: Wikimedia / gemeinfrei

Die so genannte „Datenhehlerei“ soll als neuer Straftatbestand eingeführt werden, ein Wiedergänger aus 2013.

Wenn dies wie geplant umgesetzt wird, macht sich jeder strafbar, der Daten nutzt und weiterverbreitet, die andere geheim halten möchten. Das Gesetz schon in zwei Wochen verabschiedet werden, heimlich und ohne lästige Diskussion mit der erdrückenden 80-Prozent-Mehrheit im Bundestag.

Die Weitergabe von Hinweisen – egal, ob durch Informanten oder Enthüllungsplattformen wie WikiLeaks – und ihre redaktionelle Veröffentlichung könnte als „Verbreitung nicht allgemein zugänglicher Daten“ durch den geplanten Paragrafen 202d beschränkt werden. Es erschwert investigativen Journalismus und verhindert so, dass mögliche Straftaten aufgedeckt werden. 

§202d Datenhehlerei

(1) Wer Daten (§202a Absatz 2), die nicht allgemein zugänglich sind und die ein anderer durch eine rechtswidrige Tat erlangt hat, sich oder einem anderen verschafft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht, um sich oder einen Dritten zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Die Strafe darf nicht schwerer sein als die für die Vortat angedrohte Strafe.
(3) Absatz 1 gilt nicht für Handlungen, die ausschließlich der Erfüllung rechtmäßiger dienstlicher oder beruflicher Pflichten dienen. Dazu gehören insbesondere solche Handlungen von Amtsträgern oder deren Beauftragten, mit denen Daten ausschließlich der Verwertung in einem Besteuerungsverfahren, einem Strafverfahren oder einem Ordnungswidrigkeitenverfahren zugeführt werden sollen.

Jens-Wolfhard-Wahlplakat„Das ist ein direkter Angriff auf den Journalismus als Kontrollinstanz der Politik. Ein  Rechtsstaat bräuchte keine Angst davor zu haben, dass aus seinen Interna berichtet wird. Und schon gar nicht so sehr, dass er Gesetze einführt, die dies um jeden Preis verhindern sollen. Freie Presse und informierte Bürger bilden die Grundlage einer starken Demokratie. Hier wird bessere Sicherheit vorgegaukelt, in Wirklichkeit aber aus Angst und Machtinteresse die Axt an unsere gesellschaftlichen Grundlagen gelegt“,

so Jens-Wolfhard Schicke-Uffmann, Ratsherr der Braunschweiger Piratenfraktion.

Dagegen sind auch der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco und der Fachjournalisten-Verband DJFV. Sie fordert Bürger und Mitglieder aller Parteien auf, gegen die massenhafte anlasslose Vorratsdatenspeicherung und Behinderung investigativ tätiger Journalisten die Stimme zu erheben: Nicht anlasslose Datensammlung auf Vorrat, sondern Whistleblowerschutz und Datensparsamkeit, auch zum Schutz gegen ausländische Nachrichtendienste, müssen gesetzlich abgesichert werden.

Am 23. Mai 2015 findet die Kundgebung der „Freiheit statt Angst“-Tour gegen die anlasslose Massenüberwachung der Telekommunikation in Hamburg statt.

Weitere Termine in anderen Städten sind unter www.freiheitstattangst.de zu finden.

 

Hintergrund Vorratsdatenspeicherung vor der Sommerpause

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Der Gesetzentwurf führt verschiedene Speicherpflichten für Standort- und Verkehrsdaten ein, die Regierungsparteien berufen sich dabei auf das „absolut Notwendige“ und auf objektive Kriterien.

Weder im Rahmen der Evaluierung durch die Europäische Kommission noch während der Verfahren vor Bundesverfassungsgericht und Europäischem Gerichtshof konnten Beispiele für einen effektiven Nutzen bei der Verfolgung schwerer Straftaten vorgelegt werden.

Der Entwurf fordert die Speicherung sämtlicher Standorte der Kommunikationsteilnehmer für vier Wochen, der Metadaten zu Telefongesprächen, SMS-Nachrichten, Messenger-Nachrichten und der IP-Adressen aller Internet-Zugriffe für zehn Wochen.

800px-vorratsdatenspeicherung_3_v2Dabei ist sehr unklar geregelt, wann diese Daten verwendet werden dürfen: laut Gesetzentwurf auch dann, wenn eine Straftat „mittels Telekommunikation“ begangen wurde und wenn die „Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos wäre.“

Das macht es Strafverfolgungsbehörden einfach, auf diese Daten zuzugreifen. „Damit kann auch gegen Filesharer und Trickbetrüger auf Ebay vorgegangen werden,“ so Steffens vom AK Vorrat. „Ein tiefer Eingriff in die Grundrechte für die Verfolgung solch vergleichsweise geringer Delikte ist mit dem Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vereinbar.“

Die Vorratsdatenspeicherung wurde bereits zweimal von Verfassungsgerichten abgeschafft. Vor wenigen Wochen noch lehnte Justizminister Heiko Maas die Vorratsdatenspeicherung strikt ab, die SPD ist gespalten.

Nun soll der jetzige Gesetzentwurf im Eilverfahren durch den Bundestag gebracht werden und noch vor der Sommerpause in Kraft treten. „Ein solches Vorgehen verhindert bewusst jeglichen zivilgesellschaftlichen Dialog, der einer Demokratie für so einen schweren Grundrechtseingriff notwendig wäre,“ ergänzt Rena Tangens vom AK Vorrat. „Offenbar will die Regierung keine Argumente mehr hören, sondern ein weiteres Mal ein verfassungswidriges Gesetz beschließen.“

Quelle: Vorratsdatenspeicherung verhindert Aufklärung, Piratenpartei Niedersachsen, Kasten: http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/757/1/lang,de/

4 Kommentare

  1. Der geplante § setzt voraus, dass es einem um Schädigung oder Bereicherung geht. Wenn man also Daten veröffentlicht um einen Schaden von der Allgemeinheit abzuwenden, dürfte der eigentlich nicht zutreffen.

    Außerdem ist Whistleblowerschutz durch Artikel 20 Abs. 4 Grundgesetz gegeben, denn in Fällen wie zum Beispiel Edward Snowden war andere Abhilfe sicherlich nicht möglich und es wurden die Grundrecht angegriffen.

    Und wahrscheinlich werden sie es auch jetzt noch.

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