Am heutigen Freitag, 3. Juli, wird das „Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes“ im Bundestag beraten (Drucksache). Innenminister Thomas de Maizière findet es ganz toll. Denn die Welt gerät aus den Fugen, und die Folgen „sind auch bald bei uns zu spüren“, so ein Redner von der CSU: Straftaten im Rechtsextremismus steigen, aber auch im radikalen Islamismus.
Statt rechtsstaatlicher Politik heißt die Groko-Lösung mehr Überwachung im neuen Gesetz.
Die Zusammenarbeit der Länder-Verfassungsschützer wird gesetzlich freizügiger geregelt. Auch in diesem Bereich wird der staatlichen Zentralisierung weiter Vorschub geleistet: das Verfassungsschutz-Bundesamt übernimmt die „Koordination“ der Länder-Verfassungsschutzbehörden.
Mehr Datenbanken, IT-Nutzung zur Stärkung der Analysefähigkeit werden mit dem Gesetz freigeschaltet, bei Bedarf zu anderen Behörden. Und das beste: die Geheimen dürfen erspitzelte Infos an Polizei, Zoll und Finanzamt weiterleiten. Bedingung: wenn dadurch „Straftaten erheblicher Bedeutung“ verhindert oder verfolgt werden können. „Können“, denn es steht dem Geheimdienst frei, ob er andere informiert oder nicht. Zum einen ein weiterer Schritt zur „Geheimen Staatspolizei„, zum anderen keine Abhilfe gegen das bisher gezeigte System-Versagen des Verfassungsschutzes beim „Nationalsozialistischen Untergrund„.
Das Infosystem NADIS wird „analysefähig“ gemacht.
Für den Einsatz von V-Leuten entsteht ein gesetzlicher Rahmen. Die Regierung findet diese kriminellen Personen unverzichtbar, und will die staatlichen Spitzel nun „aus der Grauzone“ herausholen. Jedenfalls gibt es nur noch Teilzeit-Spitzel, denn gesetzlich dürfen sie demnächst nicht mehr ihre Haupteinkünfte aus der Spitzelei beziehen. Auch „Mörder“ und Totschläger dürfen nicht mehr V-Leute werden.
Mit dabei ist die Früherkennung von „Cyber-Gefahren“. Dazu wird das Fernmeldegeheimnis in Artikel 10 des Grundgesetzes durch neue Aufweichungen weiter eingeschränkt. Die Gesetzesänderung dazu kommt haarsträubend unübersichtlich daher. Freigeschaltet wird der Einsatz der Geheimdienste gegen allerlei IT-Sicherheitsgefahren und eine legalisierte, NSA-ähnliche geheimdienstliche Telekommunikations- und Internetüberwachung.
Eine Alternative, nämlich die freidrehenden Verfassungsschutzbehörden aufzulösen, und die Aufgaben auf die Polizei beziehungsweise Staatsschutz zu verlagern, stand bei der CDU/CSU und SPD-Regierung nicht zur Diskussion. Nachdem der Sicherheitsapparat im Fall der NSU-Mordserie spektakulär versagte, wollen die Innenminister noch mehr davon.
Der Datenschutz-Sprecher der PIRATEN, Patrick Breyer zu dem Gesetz:
„Dieses Wünschdirwas der Geheimdienste droht, den Bundesnachrichtendienst zur Internet-Überwachungsbehörde und zum NSA-Datenlieferanten aufzurüsten, Straftaten brauner Verfassungsschutz-Zuträger zu legalisieren und die Trennung der Eingriffsbehörden zu marginalisieren. Keine Spur von Konsequenzen aus NSA-Skandal und der Verfassungswidrigkeit der BND-Überwachung laut Verfassungsrechtlern.“
Die deutschen Dienste betrachten Edward Snowdens NSA-Enthüllungen offenbar als Betriebsanweisung für noch mehr Überwachung. Breyer weiter: „Der in Gesetzesform gegossene Wille der Bundesregierung ist von Verblendung, Ignoranz und Schamlosigkeit geprägt. Schon der Titel dieses Gesetzentwurfs ist eine Täuschung der Öffentlichkeit. Die Geheimdienste sind die wichtigste Bastion der Gegner einer demokratisch kontrollierten Exekutive. Das hat sich in den letzten Monaten nicht zuletzt im NSA-Untersuchungsausschuss gezeigt. Was der Bundesnachrichtendienst da als Auslegung von Gesetzen bezeichnete, grenzt an Rechtsbeugung.“
Dieses Machwerk von Sicherheitsideologen muss gestoppt werden – in Berlin oder in Karlsruhe, kündigt Breyer an.