Kompass – Zeitung für Piraten

WLAN-Störerhaftung: Pirat klagt vor Europäischem Gerichtshof

wlan-stoererhaftung-september-2015Noch dieses Jahr könnte die WLAN-Störerhaftung auf EU-Ebene kippen, beziehungsweise der Anfang dazu gemacht werden. Am 9. Dezember 2015 verhandelt der Europäische Gerichtshof über eine Klage, mit der die Störerhaftung beim Betrieb von offenen WLAN-Zugängen geklärt werden soll (Aktenzeichen C-484/14).

Kläger ist der Pirat und Gemeinderat Tobias McFadden aus Gauting bei München. Die Klage wird von der Piratenpartei unterstützt.

Störer haften

Bei dem rechtlichen Konstrukt „Störerhaftung“ kann jemand vom Geschädigten für rechtswidriges Handeln in Anspruch genommen werden, obwohl er selbst nichts getan hat. So etwa ein häuslicher WLAN-Nutzer für illegale Musikdownloads über sein offenes, freigegebenes WLAN-Netz.

abmahnung
„Aber ich hab doch nicht …“: mit der WLAN-Störerhaftung ist das egal, denn Abmahnanwälte richten sich an den WLAN-Zugangsinhaber, dessen Adresse die Ämter bereitwillig herausgeben. Foto: dirkvorderstrasse Creative Commons Attribution License
Dem Störer kann dann passieren, dass er vom Abmahnanwalt für viel Geld auf „Unterlassung in Anspruch genommen wird“ und für zukünftige Vergehen eine richtig teure Unterlassungserklärung schreiben muss. Das ganze Störerhaften wird jedoch eingeschränkt: unzumutbar prüfen oder absichern muss der „Störer“ nicht. Ein Eldorado für Anwälte und massive Rechtsunsicherheit.

Während die deutsche Politik einen fragwürdigen Ansatz zur Regelung der Störerhaftung beim Betrieb von WLAN-Zugängen diskutiert, wird der Europäische Gerichtshof dazu schon bald Grundsätzliches entscheiden.

Nach Auffassung des Klägers und der Piratenpartei darf ein Betreiber von WLAN-Internetzugängen nicht schlechter gestellt sein als ein kabelgebundener DSL-Internetprovider. Für diese Provider gilt schon das sogenannte Providerprivileg aus Paragraf 8 Telemediengesetz, das die Durchleitung von Informationen weitgehend von der Haftung für die Inhalte freistellt.

Sollte das Gericht dieser Auffassung folgen, so ist zu erwarten, dass auch der derzeit in der Debatte befindliche Gesetzesvorschlag der Bundesregierung – wie üblich – von der Realität überholt ist.

Gute Aussichten

Tobias McFadden klagt für freies WLAN
Tobias McFadden klagt für freies WLAN
Tobias McFadden ist jedenfalls sicher, dass Klage gute Chancen hat:

„Die in Deutschland einmalige Störerhaftung verhindert, dass Privatpersonen und Betriebe für ihre Gäste und Kunden einfach und risikolos WLAN als Service anbieten können. Auch Freifunk-Projekte sind durch den neuen, umstrittenen Gesetzesvorschlag gefährdet. Aber dass uns die fortschrittsfeindliche Rechtsauffassung der Bundesregierung in die digitale Steinzeit zurück katapultiert, werden wir PIRATEN mit unserer Klage verhindern.“

Vor Gerichten ist McFadden bereits seit Jahren gegen die Störerhaftung unterwegs. Vor einem deutschen Gericht siegte er mit einer sogenannten negativen Feststellungsklage gegen eine störerhaftungs-bezogene Abmahnung.

Doch das hilft nur im Einzelfall. Eine grundsätzliche Erlösung der deutschen WLAN-Privatanbieter vor Rechteverwerter-Terror könnte mit dem EU-Urteil kommen. Vielleicht auch wieder Auftrieb für die Piratenpartei, die digitale Störerhaftung als eines ihrer Kernthemen kontinuierlich beackert.

Der WLAN-Gesetzentwurf liegt beim Bundesrat: auch das Merkel-Kabinett hat inzwischen mitbekommen, dass die deutsche Störerhafung überhaupt nicht zeitgemäß ist. Doch anders als bei der realen Grenzöffnung für Flüchtlinge aller Art sind die Grenzen im „digitalen Neuland“ fest geschlossen.

Kein Merkel-Klick für offene WLANs

So fordert der Bundesrat nun eine Aufweichung der strengen, typisch deutschen Vorgaben im Störerhaftungs-Vorschlag.

Haftungsbefreiend ist nach bisherigem Stand des Gesetzes eine Erklärung des jeweiligen WLAN-Nutzers, dass er keine digital strafbaren Dinge begehen wird, sowie überzogene technische Sicherungen im WLAN-Hotspot.

Der „Merkel-Klick“ gleich beim Einloggen schmälert natürlich den Spaß am Unterwegs-Internet, ist eine dreiste Zumutung und somit völlig überflüssig. Weitere Regelungen im diskutierten WLAN-Gesetz sorgen eher für Verschlimmbesserung und Bevorzugung der Telekoms.

Bisher gibt es in Deutschland kaum Privatpersonen, die das Wagnis „offenes WLAN“ eingehen und so ihr Netz nicht mit Passanten auf der Straße teilen. In anderen EU-Ländern ist das üblicher und deutlich entspannter möglich.

Freifunk in Gefahr

Die Freifunk-Initiativen bieten eine technische Lösung, bei der potentielle Abmahner nicht die IPs und so Adressen zum Abmahnen sehen können.

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Foto: illustir Creative Commons Attribution License
Freifunker, bei denen auch viele Mitglieder der Piraten aktiv sind, haben zahlreiche Flüchtlingsunterkünfte schnell und unkompliziert mit Netzzugängen ausgestattet. Das neue WLAN-Gesetz mit Verschlüsselungszwang für Hotspots und „Merkel-Klick“ könnte der Freifunk-Idee massiv schaden. (wir berichteten)

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