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Olaf Scholz will eine Internet-Medienaufsicht und europäischen Presse-Leistungsschutz

olaf scholz 2016
Olaf Scholz predigt Toleranz und Transparenz. Foto: Glyn Lowe Photoworks. CC Attribution License

In einem heute veröffentlichten FAZ-Gastbeitrag spricht sich Olaf Scholz, stellvertretender SPD-Bundesvorsitzender und Bürgermeister von Hamburg, für weitere medienpolitische Regulierungsmaßnahmen im Internet aus.

Das ganze spielt sich im Rahmen der Bund-Länder-Kommission zur Medienkonvergenz (Zwischenbericht Dezember 2015) ab. Sie diskutiert künftige Regelungen für eine Medienordnung der Zukunft und will zum Ende der Legislaturperiode Vorschläge für neue Gesetze abliefern.

Viele Lobbyanliegen werden aufgegriffen. Den alten Wunsch aus dem Lager der klassischen Verleger, Suchmaschinen müssten ihre Ranking-Grundlagen dem Benutzer offenlegen, begründet Scholz ausführlich:

Bund und Länder haben sich daher im April in einem Positionspapier gegenüber der Europäischen Kommission für eine europäische Regelung ausgesprochen, die Intermediäre dazu verpflichtet, die zentralen Kriterien der Aggregation, Selektion und Präsentation kenntlich zu machen; eine Offenlegung des Algorithmus ist damit ausdrücklich nicht gemeint. Es wäre aber kurzsichtig, pauschal jede Art von Rahmensetzung ausschließen zu wollen, wie es einige Mitgliedstaaten schon getan haben.

Überhaupt stehen die sogenannten Intermediäre des Internet im Fokus. Endlich haben sich in diesem chaotischen Netz ein paar mächtige Player herauskristallisiert, Facebook, Google, Youtube etc. pp. single points of failures sozusagen, denen man nutzer-entmündigende „freiwillige Vereinbarungen“ aufdrücken – und optional durch nicht ganz so freiwillige Regulierungen abrunden kann.

Bei Scholz heißt das:

Wir sollten auch vermehrt auf kluge Governance-Prozesse setzen, die die betroffenen Unternehmen und Verbände zu Partnern in der Regulierung machen. Diese Prozesse können insbesondere beim Erreichen zeitnaher Lösungen und bei deren Durchsetzung durchaus überlegen sein.

In der Praxis heißt es, das etwa Sozial-Netzwerk-Gigant Facebook den Bertelsmann-Dienstleisterfirma Arvato mit der manuellen Zensur von sogenannten Hatespeech-Kommentaren beauftragt, auf Basis einer „freiwilligen Vereinbarung“.

Da wäre auch eine erweiterte Rundfunkaufsicht, die zu einer Internet-Medienaufsicht mit neuen Kompetenzen ausgebaut wird. Im Printbereich gibt es Aufsichtsbehörden für Meinung aus gutem Grund nicht, Sozialdemokraten sollten eigentlich wissen, warum.

Diese geplanten Eingriffe in die Darstellungsform würden sich klassische Presseverlage und Sender so nicht gefallen lassen. Oder einfach ignorieren, wie etwa RTL aus dem Hause Bertelsmann mit seinen menschenverachtenden Programmen.

Verlagslobby-getrieben scheinen Diskussionen um ein europäisches Presseverleger-Leistungsschutzrecht zu sein. Scholz beklagt die deutschen Erfahrungen: Suchmaschinen-Anbieter haben, nachdem Miniauszüge etwas kosten sollen, einfach weniger Verlagsseiten angezeigt, wie es ihr gutes Recht ist. Das wäre, beklagt Scholz sinngemäß, so nicht vorherzusehen gewesen, und bei einer erneuten europäischen Lösung ist zu erwarten, dass das korrigiert wird.

Im Zitat:

Allerdings müssen wir bislang feststellen, dass das Gesetz so, wie es konzipiert ist, noch keine sicherere Grundlage für einen solchen Ausgleich darstellt, sondern lediglich dazu führt, dass die Verweise auf Verlagsinhalte in den Suchmaschinen bisweilen verkürzt erscheinen. Wenn wir über die Einführung eines solchen Rechts auch auf europäischer Ebene diskutieren, sollten wir daher sehr genau prüfen, ob die in Deutschland gewählte Konzeption tragfähig ist oder ob wir mit Blick auf die hiesigen Erfahrungen über alternative Ausgestaltungen nachdenken sollten.

Die neuesten Ideen aus Gremien in der Europa-Bürokratie, dass TV- und Rundfunksender einen gewissen Anteil ihrer Sendezeit der Toleranz-Propaganda widmen sollten, war offensichtlich Grundlage für die Ausarbeitung von Olaf Scholz.

Doch das Ausblocken von unbequemen Meinungen führt nicht dazu, daß die weggehen, sondern nur zu unerwünschter Radikalisierung der Gegenseite.

Und immer wieder schwingt die Angst vor einer erneuten Blamage aus Karlsruhe mit:

All dies ist mit sehr grundsätzlichen Diskussionen verbunden, die wir aber jetzt führen müssen, um die verfassungsrechtlichen Vorgaben auch zukünftig erfüllen zu können.

Als einzigartige Bankrotterklärung und peinliches Dokument des Versagens aus einer sterbenden „sozialdemokratischen“ Partei demonstriert dieser Scholz-Text ein tiefes Unverständnis der digitalen Medien und totales Ausblenden von Ursache und Wirkung.