In der Piratenpartei ist das Geld derzeit sehr knapp. Spenden gehen zurück. Es gibt relativ „reiche“ und sehr arme Landesverbände. Deshalb besteht seit längerer Zeit ein innerparteilicher Ausgleichsmechanismus. Doch auch der hat so seine Probleme. Denn auf Bundesebene und für gesamtparteiliche Aufgaben fehlt es an Geld.
Mit dem Satzungsänderungsantrag SÄA001 soll der Bundesparteitag nun Weichen für eine andere Geldverteilung stellen. Ein durchaus kontroverses Anliegen. Wir sprachen mit Klaus Jaroslawsky, Gordon Thomas, Michael Kurt Bahr und Harry Hensler, aus dem Kreis der Antragssteller.
Warum haben die Piraten zur Zeit so wenig Geld?
Gordon: So würde ich das nicht ausdrücken. Wir sollten uns eher die Frage stellen, wie wollen wir sicherstellen, dass wir mit sinkenden Ressourcen auch weiterhin politische Arbeit leisten können.
Wie schaffen es die Piraten denn, mit sinkenden Ressourcen klarzukommen?
Klaus: Indem wir uns darauf konzentrieren, was die Partei insgesamt braucht um als Partei funktionieren zu können: Dinge wie BundesIT oder Bundespresse- und Öffentlichkeitsarbeit. Das wiederum ist nicht ausschließlich Sache des Bundesverbandes. Das geht uns alle an. Wir müssen gemeinsam entscheiden, wie mit diesem Geld umzugehen ist. Die Gelder sind aus der Parteienfinanzierung. Sie werden auf die Bundes- und Landesverbände umgelegt. Und diese sollen sich zukünftig auch gemeinsam zusammensetzen, genau darum geht es in diesem Satzungsänderungsantrag.
Es soll also das Geld so verteilt werden, dass Aufgaben gemeinsam finanziert werden. Beispiel?
Michael: Analog der Finanzierung des Jahresabschlusses durch die Bundesbuchhaltung, die ja bereits seit zwei Jahren zuerst aus der Parteienfinanzierung abgezogen wird, bevor das restliche Geld verteilt wird, soll ein infrastruktureller Grundbetrieb zur Aufrechterhaltung der Verwaltung der Partei definiert werden und ebenfalls vorab aus diesen Mitteln finanziert werden. Die restlichen verbleibenden Mittel werden dann verteilt.
Dies tangiert den Bundeshaushalt nur insofern, dass sein Anteil aus der Parteienfinanzierung entsprechend kleiner wird.
Der zu definierende Grundbetrieb wird dann in die künftige Verwaltung des Finanzausschusses gelegt. Damit erhalten die Mitglieder dieses Ausschusses die Kompetenz, entscheidende verwaltungstechnische Aufgaben mitzugestalten.
Und was bringt der SÄA001 darüber hinaus noch für Vorteile?
Klaus: Wirtschaftliche Geschäftsbetriebe werden auch für Landesverbände in virtueller Form möglich: Würstchenverkauf oder WLAN-Routerverkauf für den Freifunk, und somit eine Stärkung für politische Aussagen. Veranstaltungen werden interessanter und lukrativer. Die Einnahmen für einen Landesverband verbessern sich, gleiches gilt auch für Kreisverbände oder andere Untergliederungen.
Gordon: Der Punkt, dass der Bund in Zukunft weniger finanzielle Mittel zur Verfügung haben wird, endet dort nicht, sondern trifft in Zukunft auch Landesverbände und Untergliederungen. Da muss es Möglichkeiten geben, dass sich diese finanziell besser ausstatten. Die wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe sind bisher nur auf Bundesebene angesiedelt. Mit unserem Satzungsänderungsantrag setzen wir an dieser Stellschraube an. Die Einnahmen aus den „eigenen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben“ werden in die Berechnung zum innerparteilichen Finanzausgleich mit einfließen.
Harry: Dabei geht es zum Beispeil auch darum den Landesverbänden einen eigenen PShop zu ermöglichen. Das ist eines der Dinge, die wir in dem Antrag haben. Zahlung aus der Parteienfinanzierung fließen dem Landesverband zu, der den PShop für sich mit Artikeln nutzt, zum Beispiel mit Berlin-T-Shirts.
Gordon: Im PShop haben wir die Möglichkeiten von „Shops im Shop“ geschaffen. Damit muss nicht jeder Landesverband seinen eigenen Shop betreiben. Es gibt einen zentralen Anlaufpunkt für alle und kein unnötiges Wirrwarr. Das ist bereits technisch umgesetzt. Mit dem SÄA001 sollen die beteiligten Landesverbände auch finanziell mehr davon partizipieren als bisher.
Welche Struktur wird mit der Satzungsänderung kommen?
Klaus: Der Finanzrat war nur ein Gremium mit beratender Funktion und er wurde leider nicht ernst genug genommen. Der Finanzrat hat schlichtweg nicht vernünftig funktioniert. Das neue Gremium, der „Schatzmeisterclub“, soll die Leute zusammenbringen, die jetzt tatsächlich auch schon verantwortlich sind. Es entscheidet, welche Gelder zwingend verwendet werden sollen für innerparteiliche Infrastrukturmaßnahmen. Dabei kann wirklich entschieden werden, nicht mehr wie früher im Finanzrat. Die Kompetenz verteilt sich jetzt auf alle Landesverbände. Damit ist die Gesamtpartei in dieser Runde repräsentiert.
Welche Reaktionen habt ihr bis jetzt zu euren Vorschlag wahrgenommen?
Klaus: Auf der Marina Kassel haben wir das ganze vorgestellt. Kritik war, im „Schatzmeisterclub“ würde nur noch eine kleine Anzahl Personen entscheiden. Das wäre nicht basisdemokratisch. Ich halte diese Kritik nicht für berechtigt. Vorher entschieden nur zwei Leute im Bundesvorstand. Mit dem neuen Gremium, dem Schatzmeisterclub, entsteht ein Korrektiv. Die werden Leute beauftragen, die die Rentabilität von Geschäftsmodellen untersuchen. Dadurch wird das ganze auf eine breitere Basis gestellt. Trotzdem scheint die Wahrnehmung bei manchen in der Partei eine andere zu sein.
Harry: Wir beschließen nicht den Haushalt des Bundes. Die Bundesschatzmeister entwerfen ganz eigenständig den Haushaltsplan für das nachfolgende Jahr.
Michael: Mir wäre wichtig zu erwähnen, dass die Kompetenz des Bundesschatzmeisters nicht beschnitten werden soll, die strukturelle Arbeitsfähigkeit des Bundes wird als Grundbetrieb definiert. Durch die Umfinanzierung soll dies finanziell sichergestellt werden. Die politische Arbeit des Bundes wird dadurch nicht tangiert.
Ein zweiter Aspekt: der neue Finanzausschuss soll gestalterische Freiheit bekommen, externe Dienstleistungen im PShop zu etablieren, der diese an Dritte nach außen anbietet. Das wäre jedoch erst ein zweiter Schritt, nicht sofort umsetzbar. Es wird ja in Teilen bereits getan, zum Beispiel mit Piratenpads für Externe. Das könnte aber auch eine weitere Einnahmequelle sein, jetzt nicht für Pads, aber für neue, kommende Dienstleistungen.
Gordon: NGOs fragten etwa nach eigenen Pad-Installationen. So etwas wäre für einen gewissen Obulus dann machbar. Das, was wir in unserer Partei tun, muss auch weiterhin gewährleistet sein. Ohne Pads wäre ein politischer Betrieb nicht möglich. Die Pads nutzen wir alle. Da sind die Landesschatzmeister natürlich weiterhin dafür, die Pads kostenfrei offenzuhalten. Als Grundversorgung.
Michael: Angebote für Externe betrifft nicht nur Pad-Installationen, sondern eine breite Palette an Dienstleistungen: Websites, E-Mails, etc.
Klaus: Die demokratische Basis für alle solche Entscheidungen vergrößert sich mit unserem Vorschlag. Ein Landesverband hat mit dem SÄA001 mehr Einfluß, als es bisher der Fall war.
Hallo,
möchte jetzt nicht näher darauf eingehen, ob es guter Stil eines Parteizeitung ist, einen SÄA auf diese Weise, – ohne auf Alternativen oder konkurrierende Anträge hinzuweisen -, vorzustellen.
Allgemein passt dieser Antrag von der Aussage her nicht in die Piratenpartei.
Warum?
Hierzu möchte ich auf einen Beitrag der Piratenfraktion Schleswig-Holstein hinweisen:
http://www.piratenfraktion-sh.de/2015/07/10/experten-zeigen-auswege-aus-der-polit-vertrauenskrise-auf/
Wenn ich jetzt diese politische Vertrauenskrise herunterbreche auf die Parteiarbeit, dann manifestieren wir durch Annahme dieses Antrages, genau die Thematik, die dort als Problem erkannt wird
Wenn wir ein Gremium von Delegierten implementieren, die gewählt wurden Verantwortung auf niedriger Ebene zu übernehmen, dann ist dies ein undemokratisches Konstrukt, welches das höchste Gremium der Piraten, den Bundesparteitag der Basis teilweise entmachtet.
Und genau damit erreichen wir die Situation, welche von der Fraktion SH als Übel zur politischen Vertrauenskrise erkannt wurde.
Anstatt hier einem Parteitag mehr zu vertrauen, die Basis besser zu informieren, werden wichtige finanzielle Entscheidungen auf einige wenige Köpfe verteilt. Der Rest muss nach dem Motto: „Friss oder stirb“, Entscheidungen akzeptieren.
Diese in der Politik durchaus gängige Methode, hat zu der Politk- und Politiker Verdrossenheit geführt, die wir als PIRATENPARTEI, und Politiker aus Notwehr durchbrechen wollten. Wenn wir diese Strukturen jetzt in der eigenen Partei etablieren, geht der nächste „Wert“, den Bach runter.
Interessant auch, dass nicht einmal eine Alternative, zum Beispiel den Anteil des Bundes um X Prozent zu erhöhen in Konkurrenz gesetzt wurde. Jetzt kann es passieren, dass Geld welches benötigt wird mühsam zusammen „gebettelt“ werden muss. Bedeutet dann halt lernen durch Schmerz.
Wobei es durchaus andere Wege gibt.
Im Beitrag wurde ja öfter auf den P-Shop verwiesen, der in den letzten Wochen eine interessante Vorgehensweise gefunden hat, die Partei und Basis einzubinden.
Die letzte „Crowdfunding Shop Aktion“ hat aufgezeigt, wie es möglich ist, mit entsprechenden Informationen, einem Konzept, und etwa Arbeit, – finanzielle Unterstützung von Gliederungen zu bekommen.
Genau dies war basisdemokratisch, und der Erfolg war nicht schlecht.
Ich bin mir sicher, dass es nicht ohne Proteste, und mit viel weniger Akzeptanz von der Basis abgegangen wäre, wenn hier ein Gremium aus Club-Delegierten dem P-Shop einfach 12 tausend Euro zur Verfügung gestellt hätte.
Aber diese Diskussion,,ob wir basisdemokratisch bedenkliche Gremien als basisdemokratische orientierte Partei zulassen wollen, werden wir jetzt leider in Würzburg führen müssen.
Gruß Enavigo