Die Themen PRISM, Tempora und Whistleblowing sind seit Wochen ein fester Bestandteil der Presselandschaft. Die Späheraffäre der NSA führt bei vielen Menschen zu einer grossen Unsicherheit und angeregten Diskussionen.
Während CDU und CSU auf die bewährte Strategie des „kohlschen“ Aussitzens zurückgreifen, SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sich weniger um die Sache als um die Attacke auf die Bundeskanzlerin kümmert, wird das Thema auch in die Parlamente getragen.
Die Landtagsfraktion der Piratenpartei in Nordrhein-Westfahlen hat in der vergangenen Woche verschiedene Anträge in das Parlament eingebracht.
Timecodex: CC-BY NC ND
Hier die Kurzfassungen und die Statements der Fraktionsabgeordneten zu den einzelnen Anträgen:
O tempora, o mores – wider die Aushöhlung von Grundrechten, Demokratie und digitaler Kultur durch zügellose Überwachung!
Drucksache 16/3436
Die Überwachungssysteme „Prism“ und „Tempora“ greifen in beängstigendem Ausmaß in die Grundrechte in Deutschland lebender Menschen ein. Wir fordern die Landesregierung auf, sich auf Bundesebene für den Schutz der Bürger gegen eine ausländische Internetüberwachung einzusetzen und entsprechende Maßnahmen zu entwickeln. Das Internet darf kein grundrechtsfreier Raum sein. Gerade Nordrhein-Westfalen als bevölkerungsreichstes Bundesland muss sich der Aushöhlung von Grundrechten, Demokratie und digitaler Kultur durch zügellose Überwachung widersetzen.
Daniel Schwerd, Netzpolitischer Sprecher der Piratenfraktion NRW: „In einer Demokratie sollen nicht Geheimdienste entscheiden dürfen, was zum Schutz unserer Gesellschaft nötig ist. Wir müssen öffentlich darüber diskutieren und demokratisch festlegen, wie viel Überwachung wir zulassen wollen. Und wir müssen in der Lage sein, die Aktivitäten der Geheimdienste effektiv zu kontrollieren. Nicht alles, was technisch möglich ist, darf gemacht werden. Der Zweck heiligt nicht die Mittel. Wir müssen unsere Demokratie auch im Zeitalter der Digitalisierung vor Feinden der Freiheit verteidigen!“
Abstimmungsergebnis: Der Antrag wurde mit den Stimmen von SPD, Grünen, CDU und FDP abgelehnt.
_______________________________________________________________________
Britisches Überwachungsprogramm „Tempora“ ist unionsrechtswidrig: Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien einleiten!
Drucksache 16/3441
Dass Großbritannien mit „Tempora“ sämtliche Kommunikationswege der Bürger anderer Mitgliedsstaaten überwacht, ist eine klare Verletzung der Europäischen Verträge. Die EU-Kommission kann einen solchen eklatanten Verstoß gegen die europäische Rechtsordnung nicht hinnehmen. Sie muss ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Die Piraten haben bereits eine entsprechende Unterschriften-Kampagne initiiert: stopwachting.eu. Mit unserem Antrag fordern wir nun, dass sich die Landesregierung im Bundesrat dafür einsetzt, dass auch Deutschland selbst ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien einleitet.
Nico Kern, Europapolitischer Sprecher der Piratenfraktion: „Im Gegensatz zu ,Prism‘ von den USA, die sich seit jeher erfolgreich der internationalen Gerichtsbarkeit entziehen, handelt es sich bei ,Tempora‘ um das EU-Mitglied Großbritannien. Ganz offensichtlich hat Großbritannien mit den Überwachungsaktivitäten gegen geltendes EU-Recht sowie die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen. Dem können wir nicht tatenlos zusehen. Wir bekämpfen die Entwicklung der Geheimdienste hin zu einer internationalen Stasi mit Fernbedienung auf das Schärfste. Denn Überwachung ist wie Radioaktivität: Man merkt nichts – erst mal!“
Abstimmungsergebnis: Der Antrag wurde an den Ausschuss für Europa und Eine Welt überwiesen.
_______________________________________________________________________
Nordrhein-westfälische Unternehmen vor staatlicher Wirtschaftsspionage durch Überwachungsprogramme wie „Prism“ und „Tempora“ schützen!
Drucksache 16/3434
Neben den Menschen sind gerade auch Wirtschaftsunternehmen in Nordrhein-Westfalen von der Überwachung durch „Prism“ und „Tempora“ betroffen. Die verdachtslose Überwachung der gesamten digitalen Kommunikation von Bürgern und Unternehmen ist unverhältnismäßig und illegal. Sie müssen vor Datenspionage und -sabotage geschützt werden. Wir wollen diese staatliche Wirtschaftsspionage stoppen und fordern eine Aufklärungs- und Beratungskampagne für Unternehmen. Eine Task-Force von IT-Sicherheitsexperten sowie Vertretern der Wirtschaft, Landesregierung und Landtagsfraktionen soll weitere konkrete Maßnahmen zum Schutz der Wirtschaft vor IT-basierter Wirtschafts- und Industriespionage erarbeiten.
Daniel Schwerd, Netzpolitischer Sprecher der Piratenfraktion NRW: „Weder die Landesregierung noch die anderen Fraktionen hier im Landtag oder auf Bundesebene scheinen die Dimension und die Qualität der Internetüberwachung erfasst zu haben. Wir können davon ausgehen, dass die US-amerikanischen und britischen Überwachungsprogramme auch für Wirtschaftsspionage eingesetzt werden. Und damit gehören auch nordrhein-westfälische Firmen und Unternehmen zu den potenziell Betroffenen. Ausländische Nachrichtendienste greifen die Kommunikation deutscher Bürger und Unternehmen an. Die Unternehmen rufen nach staatlichem Schutz. Wir müssen endlich handeln.“
Abstimmungsergebnis: Der Antrag wurde an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk (federführend), an den Ausschuss für Europa und Eine Welt, an den Haushalts- und Finanzausschuss, an den Hauptausschuss sowie an den Innenausschuss überwiesen.
Whistleblowing – eine Form von Zivilcourage, die unterstützt und geschützt werden muss
Drucksache 16/3437
Der Überwachungsskandal um „Prism“ und „Tempora“ wäre ohne einen Whistleblower wie Edward Snowden vermutlich nie ans Licht gekommen. Whistleblowing hat einen nachhaltigen Wert für die Gesellschaft. Informationen über Missstände und Risiken bei Betrieben, Behörden, Organisationen und Regierungen gelangen so rechtzeitig an die Stellen, die diese überprüfen und abstellen können. Daher fordern wir eine umfassende Unterstützung und den Schutz von Whistleblowern. Dazu gehören unter anderem Möglichkeiten zu anonymen und verschlüsselten Weitergabe von Informationen, unabhängige Anlaufstellen für Beamte und Landesbedienstete sowie die Entwicklung eines Schulungsprogramms für die Einrichtung eines effektiven Petitions- und Hinweisrechts für Unternehmen, Betriebsräte und Gewerkschaften.
Frank Herrmann, Sprecher für Privatsphäre und Datenschutz:
„Wir verlangen von den Bürgern Zivilcourage, und das zu Recht. Denn wir wollen keine Gesellschaft, wo weg gesehen wird, wenn Unrecht geschieht, oder wo geschwiegen wird, wenn Missstände herrschen. Wenn wir eine Gesellschaft wollen, die Missstände an den Tag bringt und kritisch hinterfragt, dann können wir diejenigen, die den Mund aufmachen, hinterher nicht im Regen stehen lassen. Doch der Schutz von Hinweisgebern wurde auf allen politischen Ebenen sträflich vernachlässigt. Der heutige gesetzliche Schutz ist unklar, er ist fragmentiert, über viele Gesetze verteilt, und lange nicht ausreichend. Es entscheidet oft die auf Richterrecht beruhende Abwägung der arbeitsvertraglichen Treuepflicht und der Meinungsfreiheit. Das bedeutet für potenzielle Hinweisgeber große Rechtsunsicherheit – und das ist fatal für die Zivilcourage und nur von Vorteil für Kriminelle.“
Abstimmungsergebnis: Der Antrag wurde einstimmig in die zuständigen Ausschüsse überwiesen.
Zivilcourage ist gut – geht wählen, weil Cyber-Angriffe nicht
von Russen und Chinesen sondern von Freunden und Europäern kommen:
http://www.piratenpartei.de/2013/09/20/piraten-diese-bestandsdatenauskunft-gefaehrdet-die-privatsphaere/comment-page-1/#comment-52445
Keiner klärt auf – zum Glück gibt es Piraten im Landtag NRW!