Kompass – Zeitung für Piraten

Der Kompass-Kandidatengrill: Christiane Schinkel

Bundesvorstandswahlen der Piratenpartei Deutschland 2013-2014

 

CHRISTIANE SCHINKEL - FOTO  Ricarda Niks - CC-BY SA
CHRISTIANE SCHINKEL – FOTO Ricarda Niks – CC-BY SA

KOMPASS: 

Wie jedes Jahr entscheidet ein Bundesparteitag der Piratenpartei Deutschland über die Zusammensetzung des Bundesvorstandes. 

Es treten neben Dir noch einige weitere Kandidaten an, die ebenfalls einen Platz in diesem Gremium erringen wollen.

Wir möchten Dich bitten, unseren Lesern ein paar persönliche Informationen über Dich zu geben, damit sie einen Eindruck davon gewinnen können, wen sie wählen, wenn sie Deinen Namen ankreuzen.

 

 

Christiane Schinkel 

 

KOMPASS:     Kommen wir nun zum Fragenkatalog: 

 

1) Für welchen Posten im Bundesvorstand kandidierst Du?

Christiane Schinkel:

Bundesvorsitzende

 

2) Aus welchem Grund kandidierst Du?

Christiane Schinkel:

Bernd tritt nicht wieder an und wir brauchen einen neuen Bundesvorsitz.

 

3) Was sind Deine politischen Ziele?

Christiane Schinkel:

Mein Ziel ist, die Piratenpartei zu einer treibenden Kraft in den Parlamenten unserer Demokratie werden zu lassen, deutschland- wie europaweit.

Mir sind direkte Demokratie, der Erhalt  der Freiheit und die Stärkung der Bürgerrechte und eine soziallibertäre Gestaltung der Arbeits- und Sozialpolitik wichtig.

 

4) Welche Eigenschaften machen Dich zum geeignetsten Kandidaten für den      Vorstand?

Christiane Schinkel:

Ich glaube, dass ich nach innen wichtige Themen zur internen Weiterentwicklung fördern und unsere Parteiziele in der öffentlichen Wahrnehmung gut vertreten und damit uns als Partei insgesamt stärken kann.

 

5) Wie stehst Du zu Quotierungen bei Ämterbesetzungen?

Christiane Schinkel:

Ich bin gegen eine Quote bei Ämterbesetzungen in der Partei. In den jüngsten Beiträgen habe ich mich gegen eine Quote in der Piratenpartei ausgesprochen, nicht gegen eine Quote in der Wirtschaft.

Es gibt für mich gravierende Unterschiede in den beiden Positionen. In der Wirtschaft sind die höheren Führungspositionen immer noch fast ausschließlich von Männern besetzt. Das Bestreben der letzten Jahrzehnte, Frauen dort hineinzubringen, ist weitestgehend an den Entscheidern aus dieser Ebene gescheitert, die eben einfach keine Frauen einstellen. Nach unten wird die Luft dicker, aber tatsächlich bestimmt das traditionelle „Angestellter als Familienernährer-Konzept“ bzw. „Gleich stellt Gleich ein“ noch viel zu stark den Alltag. Hier sehe ich, gerade auch im Hinblick von Equal Pay, die Notwendigkeit gegeben, alte gewachsenen Strukturen mit Hilfe von Quoten zu verändern.

Die Piratenpartei dagegen hat ein äußerst progressives Familien- und Geschlechterprogramm, existiert gerade mal seit 2006 und liegt in der Altersstruktur deutlich unter der der Führungsetagen deutscher Wirtschaftsunternehmen. Hier von gewachsenen traditionellen Strukturen zu sprechen, wäre verfehlt. Nur wenige Frauen haben am Anfang aktiv teilgenommen, d.h. für Ämter oder Mandate kandidiert. Das ist auch der Tatsache geschuldet, dass es anfangs wenige sich als weiblich definierende Mitglieder gab. Das ändert sich mit den Jahren zunehmend. Aber im Vergleich zum Arbeitsmarkt, auf dem es mindestens so viele weibliche wie männliche Bewerber gibt, ist das bei uns in der Partei noch lange nicht der Fall.

Nun also eine Quote unabhängig von dem Anteil real existierender sich weiblich wahrnehmender Mitglieder installieren zu wollen, schafft für mich folgende Widersprüche:

  • In unserem Programm hängen wir bei allen Themen die Freiheit der Menschen ganz hoch. Nun mit einer Quote eine Regulierung vorzuschreiben, widerspricht nach meinem Empfinden der Freiheit der Wahl.
  • Wir lehnen die Erfassung des Geschlechts in unserer Satzung ab und so soll es nach meinem Empfinden auch bleiben. Ich bin gegen die Einstufung und Erfassung des Geschlechts in der Piratenpartei.

Als mich weiblich definierendes Mitglied habe ich die Möglichkeit, für alle Ämter oder Mandate, in denen ich mich einbringen möchte, zu kandidieren. Das habe ich in der Vergangenheit bereits wahrgenommen. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass die Mitglieder in den Versammlungen, an denen ich teilgenommen habe (auch per stream), ihre Wahl nicht vom Geschlecht abhängig gemacht haben. Aufgefallen aber ist mir, dass jeweils zu wenig weibliche Kandidatinnen an den Start gingen.

Das liegt sicher auch am Mitgliederprofil, es gibt offensichtlich immer noch einen geringeren Anteil an sich weiblich definierenden Mitgliedern.

Nach meiner Vorstellung gibt es eine ganz andere Herausforderung, um die Parteiarbeit bei den Piraten für eine ausgewogene Mitgliederschaft attraktiv zu machen: Respektvoller Umgang, rücksichtsvoller Umgang und den Verzicht auf Hackordnung, familienfreundlichere Stammtischzeiten, das Vorleben von Gleichwertigkeit aller Gendergruppen, um jetzt nur einige zu nennen.

Das können wir nur selbst tun. Eine Quote kann zwar mit Zwang mehr weiblich definierte Menschen in Ämter und Mandate drücken, so sie denn überhaupt kandidieren, aber damit werden die ursächlichen Probleme meiner Ansicht nach nicht gelöst. Wenn wir die Gesellschaft ändern wollen, dann müssen wir erstmal vormachen, dass wir unseren eigenen Ansprüchen gerecht werden. Mit alten, sich auch nicht bewährenden Konzepten eine andere Form der Entwicklungsmöglichkeit aufzugeben, ist daher nicht mein Fall. Ich bin deshalb dafür, weiterhin sich weiblich definierende Menschen vermehrt in Ämter zu wählen. Damit senden wir als Partei ein starkes Signal in die Gesellschaft.

(Antwort aus Q&A meiner Bewerbungsseite)

 

6) Wie stellst Du Dir diese quantitativ vor?

Christiane Schinkel:

7) Aus welchen Personen würde sich Dein Lieblingsvorstand                                       zusammensetzen?

Christiane Schinkel:

Ich respektiere die Wahl der Versammlung und möchte mich zu Personen im Vorfeld nicht äußern.

 

8) Wie groß sollte Deiner Meinung nach der Bundesvorstand sein?

Christiane Schinkel:

Ich denke, dass der Bundesvorstand in der Größe, wie er derzeit besetzt ist, eine gute und ausreichende Größe hat.

 

9) Wie stehst Du zur Bezahlung von Vorständen oder Mitarbeitern?

Christiane Schinkel:

Ich bin grundsätzlich ein Fan von ehrenamtlichem Engagement, weil ich glaube, dass Machtrangeleien und Vetternwirtschaft, wie wir sie aus anderen Parteien gewohnt sind, auf diese Weise minimiert bleiben.

Die Arbeit im Bundesvorstand sollte sich entweder in einem solchen zeitlichen Aufwandsrahmen bewegen, dass sie problemfrei in der Freizeit neben der Erwerbsarbeit zu absolvieren ist, indem z.B. für Routinearbeiten bezahlte Mitarbeiter eingestellt werden, oder wenn das nicht gewährleistet werden kann, denke ich, sind Aufwandsentschädigungen oder sogar eine geringe Summe zur Deckung der Mindestexistenzsicherung eine Möglichkeit, den größten Druck von den Amtsträgern zu nehmen, so dass sie die ihnen übertragenene Aufgaben gewährleisten können, auch ohne zur “Zeit- oder Geldelite” zu gehören. Dabei denke ich an eine Größenordnung von 1.000-1.500 €.

Karrieristen bleiben dadurch abgeschreckt, weil es immer noch eine Frage von höchstem persönlichem Einsatz ist, vergleichbar mit Ehrenamt, nur ohne den elementaren existenziellen Druck.

 

10) Hast Du bereits Erfahrung in Parteiämtern sammeln können?

Christiane Schinkel:

Ja

 

11) Wenn ja, welche hast Du bisher ausgeübt?

Christiane Schinkel:

Stellvetretende Vorsitzende/Vorstandsvorsitzende LV Berlin, 2012

 

12) Bist Du vor Deiner Mitgliedschaft in der Piratenpartei bereits in einer              anderen Partei gewesen?

Christiane Schinkel:

Nein

 

13) Wie verortest Du Dich politisch?

Christiane Schinkel:

sozial-libertär

 

14) Siehst Du den BuVo als ein administratives (verwaltender Vorstand),                oder als ein politisches Amt?

Christiane Schinkel:

Ich denke, dass der Bundesvorstand beiden Anforderungen gerecht werden muss. Nach innen ist dabei die verwaltende Aufgabe maßgeblich, die Impulse und Richtung sollten aus der Basis kommen. Gerade bei den Ämtern der Vorsitzenden und PolGF ist jedoch die Wahrnehmung von außen eine andere. Diesen beiden wird besondere Aufmerksamkeit über die Medien zugeschrieben, ob wir das nun möchten oder nicht. Die Öffentlichkeit nimmt sie als “Köpfe” der Partei wahr. Umso wichtiger ist es hier, dass die Äußerungen aus den beiden Positionen vom Parteiprogramm und intern gefundener Meinungsbildung zu den unterschiedlichen Themen gestützt ist und gewährleistet bleibt.

 

15) Wie stellst Du Dir eine Kommunikation zwischen Basis und Vorstand                 vor?

Christiane Schinkel:

Wir haben verschieden Kommunikationskanäle, die sich bisher bewährt haben. Zudem halte ich die schnelle Umsetzung des in Neumarkt gefundenen internen Meinugsbildungsprozesses über BEO, oder eine zeitnah zu entscheidende Alternative wie z.B. die diskutierte SMV, für außerordentlich wichtig. Die laufende Abstimmung über Positionspapiere und Anträge ist für mich eines der wichtigsten Werkzeuge, Kommunikation von inhaltlicher politischer Natur von Basis zu Vorstand und auch nach außen zu regeln.

Mit unserem Anspruch an die Politik, bürgernaher zu werden, stellen wir insbesondere auch uns als Partei vor diese wichtige Aufgabe. Wer, wenn nicht wir, sollte zeigen, dass flüssige Demokratie wirklich funktioniert?

 

16) Was sind SMV und Liquid Feedback für Dich?

Christiane Schinkel:

Die SMV ist, solange sich die BEO nicht als funktionabel und umsetzbar zeigt, eine wichtige Alternative. Liquid Feedback als einziges Werkzeug, das wir bisher erproben, ist zwar meiner Meinung nach optimierungsfähig, zum Beispiel was die Übersichtlichkeit auch nach Umstellung auf 2.0 angeht, aber bisher eben das einzige Werkzeug, mit dem wir Ergebnisse bei parteiinterner Meinungsbildung erzielen. Solange kein anderes Werkzeug erwiesenermaßer bessere Ergebnisse bringt, stehe ich zu Liquid Feedback. Ich benutze es regelmäßig, und wenn ich, was auch immer wieder vorkommt, keine Zeit habe, um mich dort selbst einzuarbeiten, Anregungen zu schreiben und abzustimmen, nehme ich die Möglichkeit der Delegation an Personen wahr, denen ich mindestens so viel Sachverstand in den betreffenden Themengebiet zugestehe wie mir selbst.

 

17) Wie stellst Du Dir in Deinem Vorstandsamt die Kommunikation mit                    Presse, Funk und Fernsehen vor?

Christiane Schinkel:

Aus der Vergangenheit weiß ich, wie hoch die zeitliche und inhaltliche Anforderung an die Medienpräsenz insbesondere für Bundesvorsitzende und PolGF ist. Wie oben beschrieben, halte ich das auch für sinnvoll und wichtig. Wichtig dabei ist allerdings, dass beide Personen die von der Partei getragenen Positionen vertreten. Hier finde ich es also mehr als sinnvoll, schnellstmöglich mittels BEO (alle drei Monate möglich) oder schneller noch mit der SMV (täglich aktualisierbar, so sind auch Fragen mittels Schnellverfahren aktueller abstimmbar) die von der Partei getroffenen Entscheidungen auch kurzfristig abrufen und auf diese Weise bestmöglich vertreten zu können. Sätze wie “Dazu haben wir noch keine Meinung” oder aus Verlegenheit Nennung persönlicher Ansichten sind dabei die schlechteste aller Lösungen, was dieses Thema angeht.

 

18) Hast Du in diesem Bereich bereits Erfahrung sammeln können?

Christiane Schinkel:

In meinem Amt als Landesvorsitzende habe ich mich in den Medien nicht zu aktuellen politischen Fragen geäußert, weil in Berlin auf besondere Weise der Anspruch an einen ausschließlich verwaltenden Vorstand besteht. Bei allen Äußerungen, die ich in Interviews gemacht habe, habe ich auf Partei-Beschlüsse, abgeschlossene oder zur Not auf laufende Liquid Feedback Initiativen Bezug genommen. Das halte ich auch für sinnvoll.

 

19) Bist Du für zentrale oder dezentrale Organisationseinheiten in der                       Öffentlichkeitsarbeit?

Christiane Schinkel:

Ich denke, dass wir als Partei die Aufgabe haben, uns als Partei darzustellen. Dabei ist es natürlich wichtig, den regionalen, ehrenamtlich arbeitenden Mitglieder freie Hand zu lassen, am Ende ist es jedoch ausschlaggebend, wie wir uns als Partei gesamt nach außen abbilden. Hier halte ich die bisherige Arbeitsweise über eine Bundespresse für unumgänglich. Denn auch für die Basis gilt das gleiche wie für den Bundesvorstand: Es sind unsere parteipolitischen Beschlüsse in der Gesamtheit zu kommunizieren, anstatt subjektive Einzelmeinungen auf offiziellen Parteikanälen zu vertreten.

 

20) Was sind Deiner Meinung nach die drei „Essentials“ der Piratenpartei?

Christiane Schinkel:

Buttom Up Policy

niederschwellige Mitarbeit (alle können sich beteiligen)

weltweite Bewegung mit äquivalentem Programm (in bereits 60 Ländern)

 

21)Welche sind Deine drei wichtigsten Punkte im Wahlprogramm?

Christiane Schinkel:

Freiheit und Grundrechte, Demokratie wagen, Arbeit und Soziales

 

22) Die drei größten Strukturprobleme in der Piratenpartei sind für Dich….

Christiane Schinkel:

  • fehlende laufende Abstimmung über Anträge und Positionen zwischen den Parteitagen und damit Überlastung der Tagesordnung auf den Parteitagen (siehe BPT13.1) und mangelnde verbindliche Aussagen der Basis zu Abstimmungen und Anträgen der Fraktionen in den Parlamenten
  • Konzentration der direkten Mitbestimmung der Basis auf zwei jährliche Parteitage (Zeit- und Geldelite)
  • Große Themenbreite von vielen Personen regional auf unterschiedlichste Weise kommuniziert, was im Bundestagswahlkampf dazu geführt hat, dass die Presse unsere Themen sowie auch Parteivertreter, wie zB Listenkandidat*innen, als wenig fokussiert bzw. kaum wahrnehmbar erlebt und somit auch nicht in die Öffentlichkeit kommuniziert hat

 

23) Was macht die Partei Deiner Ansicht nach „richtig“ oder „falsch“?

Christiane Schinkel:

Wir haben die richtigen Ziele und wir sind hartnäckig und ausdauernd. Wir sind gekommen, um zu bleiben, weltweit, und wir lassen uns nicht von schnellen Erfolgen treiben. Das finde ich gut.

Weniger hilfreich ist die Wahrnehmung darüber, wie unsere interne Meinungsbildung abläuft. Anstatt einen Prozess der Meinungsbildung zeigen zu können, aus dem konstruktiv Politik gemacht werden kann, wird respektloser Umgang miteinander wahrgenommen. Shitstorms, unzureichende Abgrenzung zu rechtsnationalen Positionen (obwohl das, in Neumünster das erste Mal mit offiziellen Distanzierungen, auch schon besser wird) u.ä. bilden ein Klima, in den sich Wählerpotenzial, das mit unseren politischen Zielen laut Wahl-O-Mat in hoher Übereinstimmung steht, dennoch abgestoßen fühlt, und somit nicht einbringen möchte. So werden wir nicht mitgliederstärker auf Dauer. Das sollte sich dringend ändern.

 

24) Wie stehst Du zum „Bedingungslosen Grundeinkommen“?

Christiane Schinkel:

Ich sehe im Bedingungslosen Grundeinkommen eine Grundvorraussetzung einer neuen soziallibertären Gesellschaft, die, weg von der neoliberalen Wirtschaftsordnung der letzten Jahrzehnte, zurück zu der Idee der Solidargesellschaft geht.

 

25) Wo siehst Du die Piratenpartei in einem Jahr?

Christiane Schinkel:

In einem Jahr sehe ich uns in den Parlamenten und in der außerparlamentarischen Opposition weiter und kraftvoll Politik gestalten, gerade was Bürgerrechte angeht. Wir werden in neue Regionalparlamente einziehen, stärker als bisher im EU Parlament vertreten sein, einen verbindlichen internen Meinungsbildungsprozess in unsere Strukturen integriert haben, den wir dann auch in die äußeren Strukturen einbringen können.

Was wir bis dahin brauchen, ist ein gestärktes Bild in der Öffentlichkeit, eine Wahrnehmung als wirklich realistische, neue Bewegung zum Nutzen unserer Demokratie.

 

 

Interview mit Christiane Schinkel zur Kandidatur BuVo 2013-2014

 

Kompass:         Christiane Schinkel, vielen Dank für das Gespräch. 

Timecodex CC-BY NC ND