Kompass – Zeitung für Piraten

Wie segeln wir weiter? – Piratige Kommunikation III / Gastbeitrag von Hollarius

Holger Hennig - FOTO; CC-BY NC ND - TOBIAS M. ECKRICH
Holger Hennig – FOTO; CC-BY NC ND – TOBIAS M. ECKRICH

Okay, Kommunikation untereinander ist abgehakt, die mit der Presse teilweise auch, also jetzt zu der Kommunikation mit den Wählern. Denn im Gegensatz zu anderen Parteien, wollen wir ja, dass möglichst viele Menschen bei der Politik irgendwie mitmachen, und natürlich wollen wir auch gewählt werden, auch wenn wir uns manchmal sehr viel Mühe geben, genau das nicht zu erreichen.

Also wäre es ja eigentlich so eine Art Hauptaugenmerk, dass auf diesen letzten Part der Kommunikation zu richten wäre. Es gibt auch immer wieder gute Ansätze, aber dann machen wir doch wieder das mit den Fähnchen – und verlieren natürlich gegen das Kapital der Altparteien, dass dank des Kapitals in der Materialschlacht immer besser abschneiden muss.

Jetzt gibt es viele Forderungen einfach das mit den Plakaten zu lassen, da das zu viel Zeit und Kraft bindet, speziell da, wo wir nicht viele Aktive haben. Ich bin mir nicht sicher, ob unsere Plakate bemerkt wurden, denn sie waren oftmals nicht wirklich gut. Sie waren nett, aber nicht neu, irgendwie zu brav, halt alles, was ich auch an anderer Stelle über unsere Kommunikation gerne sage. Wir haben da einfach ein Konsensproblem. Mit Konsenssprüchen wird die CDU gewählt, nicht wir. Es ist einfach nicht gut, was allen gefällt und meistens ist das am besten, was den Bedenkenträgern nicht gefällt. Was wäre denn, wenn wir auf Plakate verzichteten? Auf der einen Seite wäre es sehr sympathisch, dass wir uns dem Irrsinn verweigern, aber wer registriert das Fehlen und sagt daraufhin: Gut, alles klar, die Piraten plakatieren nicht, ich wähl die jetzt? Die meisten werden eher denken, guck mal, die Piraten plakatieren schon gar nicht mehr, die haben aufgegeben.

Also das Plakatieren aufzugeben, nee, das ist für mich keine Alternative. Vor allem auch, weil wir, wie wir fast täglich sehen, sehr viele sehr kreative Menschen in unseren Reihen haben, die ganz oft viel bessere Motive erschaffen, als wir die jetzt plakatiert haben. Da ist einfach viel mehr drin. Wir würden da großes Potential verschenken.

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Nein, wir werden nicht ganz um den klassischen Wahlkampf herum kommen, auch wenn mir die Streumittel, also Feuerzeuge und Kulis ein wenig zu langweilig erscheinen. Es gibt doch so viele Möglichkeiten, vielleicht auch welche, die ein bisschen mehr Originalität versprühen, als Kulis und Feuerzeuge. Wir werden plakatieren müssen, wir werden flyern und Infostände mit Piratensäbeln machen, ja, das gehört alles dazu. Was mir allerdings fehlt, sind die etwas frecheren Aktionen, der Guerillawahlkampf, der organisiert wird – ja, wir haben irgendwann die Sache mit den aufgerissenen Umschlägen gemacht und damit versucht, den Bürgern nahe zu bringen, wie wir aufgerissene Email-Umschläge finden, aber das war dann eben Eigenengagement. Warum kommen solche Sachen nicht aus den Wahlkampfzentralen? Und natürlich geht auch das noch nicht weit genug.

In Fußgängerzonen müssen Menschen von NSA-Agenten auf die Unterwäsche ausgezogen und durchsucht werden. So was macht deutlich, erzeugt Emotionen, regt zum Nachdenken an. Drastisch und klar müssen wir werden. Erinnern wir uns an die performativen Ideen früherer Generationen und nutzen wir gleich noch den Vorteil, dass wir diese Sachen dann auch noch festhalten können, sie selbst mit Bild und Ton verbreiten.

STOPWATCHINGUS

Eigentlich müssten wir es so viel einfacher haben, als alle oppositionellen Kräfte vor uns. Wir haben das Internet und wir können es sogar nutzen, wir sind sogar die einzige Partei, die es begreift. Aber wir begreifen nicht alles. Zum Beispiel neigen wir dazu, ewig lange Diskussionen als Podcasts oder Youtube-Videos hochzuladen. Das ist nett, das ist super für die Total-Interessierten, aber schlicht furchtbar für die Uneingeweihten. Da müssen wir dringend was dran ändern. Kurze, gern auch mal sympathische und witzige Sachen müssen die Social Networks überschwemmen.  Gute Blogtexte auch, und gerne auch deutlich kürzer, als ich hier schon wieder vor mich hin schreibe. Aber daran hapert es auch zu oft. Viele unserer Blogs gehen sehr viel zu viel in die Tiefe, erschöpfen sich in Details, statt erst für alle eine vernünftige Verständnisebene klar zu machen.

Das muss man sich mal vorstellen, wir sind die Partei, die eigentlich sofort gemerkt hat, dass es total hilfreich wäre, wenn die Menschen allgemein besser gebildet wären, wir sind die Partei der Aufklärung – und dann kriegen wir es wirklich nur vereinzelt hin, unsere Themen und Ideen zu erklären. Da haben wir dringenden Verbesserungsbedarf. Wir müssen es sein, die erklären, wie Politik funktioniert. Wir dürfen nicht einfach mitmachen, wir haben versprochen, dass wir Politik anders machen. Die Idee des Hacks – sind wir nicht auch eine Partei der Hacker? – ist dabei die entscheidende: Wir gehen in die Institutionen, wir lernen, was es über Politik zu lernen gibt, und dann geben wir es in gut aufbereiteten Häppchen weiter. Wir hacken das System! Leider ist das viel zu selten unser erstes Anliegen, leider ziehen wir das nicht durch.

Ich habe irgendwie nirgends gesehen, dass jemand bloggt, wie er in einen Landtag einzieht, wie das auch einfach persönlich ist. Ich habe als jemand, der schon zweimal in der Fraktion zu Besuch war, als jemand, der mit der NRW-Landtagsfraktion ja auch durch einige Leute Kontakt hat, keinen wirklichen Überblick, wie es da so abläuft, wer jetzt genau was macht, womit ich mich wohin wenden kann. Ja, ich weiß, ich kann das alles irgendwo nachlesen, wenn ich mich durch Seiten von Wikis und anderen Sachen wühle, ich kann auch einfach – aber das ist eben das Privileg dessen, der einige Leute persönlich kennt – jemanden fragen, der sich in der Fraktion auskennt. Aber ich hatte gehofft, dass ich so was einfach, wie in der verdammten Sendung mit der Maus, mal vernünftig erklärt bekommen hätte. Ohne eine kiloschwere Holschuld, einfach so, weil das unsere Idee von Politik ist. Wir sind Piraten, wir machen das! (So wäre es zumindest schön.)

Jetzt sage ich die ganze Zeit „bloggen“, ohne zu erklären, was den Unterschied ausmacht. Warum finden wir die etablierte Politik so widerlich? Weil sie unpersönliches Politsprechtheater machen, weil Politiker nur noch Abziehbilder sind, weil sie nur heiße Luft absondern, weil sie nicht mehr zu packen sind. Wir müssen einfach mit dem Selbstbewusstsein in die Politik gehen, dass wir angreifbar sind, uns auch angreifbar machen. In dem wir direkt kommunizieren und diesen ganzen Phrasenscheiß lassen. Wir brauchen Wörterbuch Deutsch-Politik, Politik-Deutsch. Und wir brauchen eben die subjektive Form, das Bloggen. Das spricht Menschen einfach mehr an, als dieser ganze offiziös-klingende Kram. Leute sollten dabei so schreiben, wie sie sprechen, so, wie sie auch möchten, dass mit ihnen gesprochen wird – und ja, ich weiß, alles, was man in der Schule zu dem Thema lernt, ist in dieser Hinsicht kontraproduktiv. Und wann gibt es eigentlich mal Grundkurse Sprachstil in der Schule? Sie wären so verdammt nötig – ich schweife ab. Ist der Vorteil beim Bloggen, da darf ich das. Bin ja ich, der hier schreibt.

Im zweiten Teil habe ich geschrieben, dass unsere Kommunikation mit der Presse gar nicht so groß sein sollte – das ist richtig und wichtig. Mit den Wählern, mit unseren Sympathisanten, da sollten wir aber jederzeit reden, kommunizieren, texten. Denn wenn das läuft, dann, so zeigt die Erfahrung, kommt auch das Interesse der Presse wieder. Wisst ihr nämlich, was die auch nicht so richtig abkönnen? Ignoriert werden!

 

Gastbeitrag von Hollarius / CC-BY NC ND