Kompass – Zeitung für Piraten

Der Kompass-Europa-Kandidatengrill: Markus Drenger

Europakandidatenwahlen der Piratenpartei Deutschland 2014

Kandidateninterviews

MARKUS DRENGER - FOTO  JOACHIM S MUELLER - CC-BY SA
MARKUS DRENGER – FOTO JOACHIM S MUELLER – CC-BY SA

 

 

Kompass:

 

Bei den Wahlen zum Europaparlament im Jahr 2009 gelang es zwei Kandidaten der Piratenpartei in die europäische Volksvertretung einzuziehen.

Amelia Andersdotter und Christian Engström aus Schweden wurden Mitglieder des Gremiums und vertreten seitdem die Interessen der Piraten im Verbund mit der Fraktion der Europäischen Grünen / EFA. 

Am fünfundzwanzigsten Mai 2014 stellen sich die Abgeordneten für das EU-Parlament unter anderem auch in Deutschland erneut dem Votum der Wähler. 

Auf dem Bundesparteitag am 04. und 05. Januar 2014 werden die deutschen Kandidaten der Piratenpartei gewählt. 

Damit wir uns ein Bild von Ihnen machen können, befragen wir sie in einer Interviewserie.

 

KOMPASS:     

 

Es treten neben Dir noch einige weitere Kandidaten zur Wahl auf diesem Parteitag an.

 

Wir möchten Dich bitten, unseren Lesern ein paar persönliche Informationen über Dich zu geben, damit sie einen Eindruck davon gewinnen können, wen sie wählen, wenn sie Deinen Namen ankreuzen.

 

 

Markus Drenger.

 

KOMPASS:     

Zuerst möchten wir ein paar Fragen zu Deiner Person an Dich richten:

 

1) Was sind Deine politischen Schwerpunkte / Themen?

 

MARKUS DRENGER:

 

Meine Schwerpunkte liegen in den Bereichen OpenGovernment, Innen- und Netzpolitik und Immaterialgüterrechte (Urheberrecht, Patente etc). 

 

2) Welche europäischen Bezüge siehst Du in diesen Themenfeldern?

 

MARKUS DRENGER:

 

Meine Themenfelder werden eigentlich maßgeblich durch die EU gestaltet. 

Im Bereich OpenGovernment steht die Richtlinie über die Weiternutzung öffentlicher Informationen (PSI-Directive) auf der Tagesordnung. Hier geht es darum, welche amtlichen Informationen unter das Urheberrecht fallen und welche gemeinfrei sind, ob und wie Gebühren für Informationsfreiheitsanträge berechnet werden oder ob es Einschränkungen zu Weiternutzung gibt. Eine starke EU-Richtlinie könnte es uns leichter machen, passende IFG- und Transparenzgesetze auf Bundes- oder Landesebene einzuführen.

 

Im Bereich Netzpolitik ist die ToDo-Liste ziemlich lang. Angefangen mit der Vorratsdatenspeicherung und der Überwachung im Netz, der fehlenden Verpflichtung zur Netzneutralität oder die Websperren, die in vielen europäischen Mitgliedsstaaten bereits installiert sind. Im Bereich Verbraucherschutz fehlen z.B. zurzeit Regelungen zur Gerätehoheit und DRM, sowie das „Recht auf Jailbreak“, um auf Geräten freie Software installieren zu dürfen und zu können.

 

Auch die EU-Datenschutzreform ist noch nicht beschlossen und es kann passieren, dass diese nach der Europawahl erneut auf der Tagesordnung steht. Darum müssten sich die Piraten meiner Meinung nach schwerpunktmäßig kümmern.

 

Im Bereich Immaterialgüterrechte sind die Bezüge zur Europapolitik auch klar: Die Revision der Richtlinie zum Urheberrecht in der Informationsgesellschaft (InfoSoc-Directive), die Regulierung von Verwertungsgesellschaften wie GEMA und C3S, IPRED oder das sog.

 

EU-Patent sind klare Aufgabenfelder im Bereich der Europapolitik. Eine Reform des Urheberrechts, zu Gunsten von Bildung, Informationsfreiheit, Usern und Kreativen ist schon lange überfällig und ich habe die Hoffnung, dass mit der Überarbeitung der InfoSoc-Richtlinie in der nächsten Legislaturperiode, die Piraten dort einige wichtige Akzente setzen können.

 

Auch in Handelsabkommen wie ACTA, CETA oder TAFTA/TTIP sind diese Themenfelder oft kritisch, da an den geheimen Verhandlungen oft auch Lobbyvertreter teilnehmen dürfen, aber keine Vertreter der Zivilgesellschaft.

 

3) Was sind Deine politischen Ziele?

 

MARKUS DRENGER:

 

Ich möchte mich für offenes Regierungshandeln einsetzen, etwa durch umfassende Regelungen zur Informationsfreiheit, Lobby- und Transparenzregister sowie das Öffnen der Prozesse für Bürger, damit diese direkt partizipieren und sich einbringen können.

 

Ich möchte mich dafür einsetzen, dass wir uns frei informieren können. Amtliche Dokumente und Daten müssen öffentlich sein, Archive der Bibliotheken digitalisiert werden und OpenAccess der Standard für öffentlich geförderte Forschung sein. Websperren, Urheberrechtseinschränkungen und „Dieses Video ist in deinem Land nicht verfügbar“ müssen der Vergangenheit angehören.

 

Ich möchte mich dafür einsetzen, dass wir nicht mehr anlasslos und flächendeckend überwacht werden, dass anstatt für INDECT Forschungsgelder  in sinnvollere Projekte gesteckt werden. Projekte wie EuroSur, VIS und Eurodac dienen nur der Förderung der Sicherheitsindustrie, schaden uns und vorallem den Flüchtlingen, die es nach Europa schaffen.

 

Ich möchte mich dafür einsetzen, Abkommen wie TRIPS, TRIPS+ und Doha so zu verändern, dass Patente auf Leben, Gene und Software gestrichen werden und Schranken für das Recht auf Leben und das Recht auf Gesundheit gestärkt werden. Millionen von Menschen sind auf preisgünstige Medikamente angewiesen und wir sollten sie teilhaben lassen an den medizinischen Errungenschaften.

 

4) Welche Eigenschaften machen Dich zum geeigneten Kandidaten für das Europäische Parlament?

 

MARKUS DRENGER:

 

Ich kenne unsere Themen in Europa, die Entwicklungen und die Akteure in NGOs, anderen Parteien und bei uns. Ich habe durch Zusammenarbeit mit MEPs, Besuchen und Gesprächen ein realistisches Bild von dem, was mich dort erwarten würde. Ich kenne die Piratenpartei, ihre AGs und ihre Strukturen und bilde mir ein, einen recht guten Überblick zu haben.

 

Mit meinem Wissen im Bereich Netzpolitik, Immaterialgüterrechten und OpenGovernment, meiner guten Vernetzung innerhalb der Partei und zu NGOs und einem realistischen Bild von der Arbeit der MEPs halte ich mich für einen geeigneten Kandidaten für die Piraten.

 

5) Hast Du bereits Erfahrung in Parteiämtern oder politischen Mandaten sammeln können?

 

MARKUS DRENGER:

 

Ja.

 

6) Wenn ja, welche(s)?

 

MARKUS DRENGER:

 

Ich war Beisitzer in meinem Kreisverband Darmstadt/Darmstadt-Dieburg, Ersatzschiedsrichter im Landesschiedsgericht Hessen und bin zurzeit Stadtverordneter Stadtverordnetenversammlung Darmstadt sowie stellv. Mitglied in der Verbandsversammlung der Darmstadt-Dieburger-Nahverkehrsorganisation (DADINA)

 

MARKUS DRENGER: 

 

7) Bist Du vor Deiner Mitgliedschaft in der Piratenpartei bereits in einer anderen Partei gewesen?

 

MARKUS DRENGER:

 

Nein.

 

8) Wie stellst Du Dir die Kommunikation mit Presse, Funk und Fernsehen in Deiner Eigenschaft als Abgeordneter des Europäischen Parlamentes vor?

 

MARKUS DRENGER:

 

Für uns Piraten ist Öffentlichkeitsarbeit der Schlüssel zum Erfolg in Parlamenten, da wir selbst keine Mehrheiten stellen und unsere Vorschläge wie z.B. mehr Transparenz nur durch Druck von außen durchsetzen können. Ohne die massiven Proteste gegen ACTA wäre es im Europaparlament auch nicht gestoppt worden.

 

9) Hast Du in diesem Bereich bereits Erfahrung sammeln können?

 

MARKUS DRENGER:

 

KOMPASS:

 

Wir möchten Dich jetzt bitten uns ein paar Fragen zu unterschiedlichen politischen Themenbereichen zu beantworten.

 

A)     Währung und Finanzen:

 

10) Wie ist Deine Position bezüglich der gemeinsamen Europäischen Währung Euro?

 

MARKUS DRENGER:

 

Finanz- und Währungspolitik gehört sicherlich nicht zu meinen Stärken. Ich finde den Euro gut, mit dem Europaparlament hat der Euro aber nur begrenzt zu tun, da die EU nicht die Eurozone ist.

 

11) Bist Du für einen zwischenstaatlichen Finanzausgleich?

 

MARKUS DRENGER:

 

Ja, einen gut regulierten und transparenten Finanzausgleich kann ich mir vorstellen. Hier muss vor allem auf die Anreize geachtet werden, die ein solches System den einzelnen Mitgliedsstaaten bietet.

 

12) Welche Entscheidungen im Bereich der innereuropäischen Steuersysteme sollten Deiner Ansicht nach getroffen werden?

 

MARKUS DRENGER:

 

Hierzu habe ich keine fundierte Position.

 

13) Welche Maßnahmen sollte die EU in Bezug auf die Frage der Bankenregulierung ergreifen?

 

MARKUS DRENGER:

 

Den Vorschlag der EU-Kommission zu einem Trennbankensystem finde ich prinzipiell   richtig. Im Zuge der Bankenkrise haben wir immer wieder gesehen, wie Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert wurden.

 

Ich bin der Meinung, wenn jemand mit seinem Geld auf Gewinne spekuliert und das Geld investiert, so muss man auch die Konsequenzen tragen. Spekulation mit doppeltem Boden und dem Steuerzahler als Backup sollte es nicht geben.

 

B)     Arbeit und Sozialpolitik:

 

14)Wie stehst Du zur Freizügigkeit auf dem Arbeitsmarkt innerhalb der Europäischen Union?

 

MARKUS DRENGER:

 

Die Freizügigkeit ist eine der vier Grundfreiheiten der Europäischen Union, ich finde sie gut und bin der Meinung, dass sie ausgebaut und gefördert werden muss. Leider ist ein Arbeitsplatzwechsel innerhalb der EU noch mit sehr viel Bürokratie verbunden, etwa für Sozialversicherungen.

 

15) Welche Maßnahmen sollte das Parlament in Bezug auf die Löhne und Gehälter (Mindestlöhne) oder das Bedingungslose Grundeinkommen treffen?

 

MARKUS DRENGER:

 

Ich weiß zurzeit nicht, ob die EU einen europaweiten Mindestlohn beschließen könnte oder ob es da nicht zu Rügen von den Mitgliedsstaaten kommt. Falls es möglich ist, sollte das EU-Parlament die EU-Kommission auffordern, eine entsprechende Vorlage zu erstellen.

 

16) Was kann zum Schutz der Arbeitnehmer unternommen werden?

 

MARKUS DRENGER:

 

Ein einheitlicher Binnenmarkt benötigt auch einheitliche Standards für die Rechte von Arbeitnehmern.

 

17) Wie sollte die Flüchtlingspolitik Europas aussehen?

 

MARKUS DRENGER:

 

Die Flüchtlingspolitik der EU braucht dringend einen Wandel. Anstatt Milliarden für neue Überwachungsprojekte auszugeben, Pushbacks im Mittelmeer durchzuführen und Menschen das Recht auf Asyl zu verweigern, braucht es nachhaltige Hilfe, Zuwanderungsregelungen und eine Maximierung der Asylgründe.

 

Als erste Schritte sollte Dublin II abgeschafft werden, das bestimmt, dass Flüchtlinge im EU-Einreiseland verbleiben müssen, etwa in Griechenland oder Italien anstatt auch nach Mittel- oder Nordeuropa reisen zu dürfen.

Auch die Regeln zur Unterbringung und die Aufenthaltsauflagen müssen dringend verbessert werden.

 

C)     Internationale Beziehungen:

 

18)Wie stehst Du zu TTIP / „TAFTA“ (Trans-Atlantic Free Trade Agreement), dem geplanten Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika und welche Bedingungen sollten die USA Deiner Ansicht nach erfüllen?

 

MARKUS DRENGER:

 

Ich stehe TAFTA/TTIP sehr kritisch gegenüber und befürchte, dass die Inhalte ähnlich sind wie in ACTA, CETA oder TPP. Ich lehne die geheimen Verhandlungen mit exklusivem Zugang für Industrie-Lobbyisten ab und will, dass solche Verhandlungen öffentlich geführt werden. Jeder Vorschlag und jeder Entwurf sollte frei zugänglich sein.

 

Mit TAFTA besteht vor allem die Gefahr, dass wir bei vielen gesetzlichen Mindeststandards ein forum shopping und damit ein Rennen um die minimalsten Regelungen starten, etwa bei Gehältern, Umweltbestimmungen, Arbeitnehmerrechten und Rechten der Allgemeinheit im Bereich Urheberrechten und Patenten.

 

19) Was sollten EU und die USA zur Sicherung der Bürger-, und Freiheitsrechte der europäischen Bürger beschließen?

 

MARKUS DRENGER:

 

Die EU und die USA sollten ein Freiheitsabkommen beschließen, wie es die Piraten zur Bundestagswahl gefordert haben, ein Abkommen zur Sicherung von Grundrechten insbesondere aber nicht ausschließlich der Menschen in der Informationsgesellschaft.

 

20)Wie ist Deine Position in Bezug auf die Bereiche NSA-, GCHQ – Spähaffäre und die Vorratsdatenspeicherung? 

 

MARKUS DRENGER:

 

Die massenhafte und anlasslose Überwachung der gesamten Bevölkerung lehne ich ab. Wir müssen hier Wege finden, sichere Kommunikation für jeden verfügbar zu machen und Überwachung zu ächten.

 

21) Sollten NATO und EU militärische Operationen außerhalb ihrer Staatsterritorien durchführen?

 

MARKUS DRENGER:

 

Sie sollten es nicht, aber innerhalb eines sehr begrenzten Rahmen, etwa Peacekeeping-Missionen mit UN-Mandat, kann ich mir solche Einsätze vorstellen.

 

D)    Bildung:

 

22)Welche Ansätze sollten hier verfolgt werden, mehr wirtschaftsorientierte oder persönlichkeitsbildende Ausbildungsgänge?

 

MARKUS DRENGER:

 

Ich bin kein Bildungsexperte, meiner Auffassung nach sollte Bildung an Schulen ganzheitlich sein, für wirtschaftlich orientierte Ausbildungsgänge haben wir in Deutschland das duale Ausbildungssystem, dass dafür sehr gut geeignet ist.

 

23) Welche Konzepte sollten bezüglich des Handwerks und der Universitäten verfolgt werden?

 

MARKUS DRENGER:

 

E)     Verkehr:

 

24) Wie stellst Du Dir in Zukunft die Verkehrssysteme innerhalb der Europäischen Union vor?

 

MARKUS DRENGER:

 

Ich wünsche mir transparente und offene Verkehrssysteme, die passende Schnittstellen haben um weitere Systeme gut integrieren zu können. Die Übergänge zwischen ÖPNV, Fernverkehr und anderen Angeboten wie „car sharing“ oder „bike sharing“ müssen verbessert werden, gerade auch grenzüberschreitend in Europa.

 

Ich stelle mir vor, dass es mehrere Anbieter gibt, über die ich meine Route planen kann und die mir eine nahtlose Strecke aus den Verkehrsdaten der unterschiedlichen Verkehrssysteme zusammenstellen. Eine einzelne Buchung für die gesamte Strecke spart mir die Zeit, sich mit 5-10 verschiedenen Preissystemen für eine einzelne Fahrt auseinander setzen zu müssen.

 

25) Wie stehst Du zu einer europaweiten Maut?

 

MARKUS DRENGER:

 

Eine europaweite Maut lehne ich ab. Zum einen, da diese Systeme zur Überwachung der Bevölkerung dienen und zum anderen, da umwelt- und verkehrspolitische Steuerung viel besser durch KFZ-Steuern zu realisieren sind.

 

F)      Fraktion, Parlament und Regierung:

 

26) Wie stehst Du zum sogenannten „Fraktionszwang“?

 

MARKUS DRENGER:

 

Der Fraktionszwang ist verboten und ich würde an dem Verbot nichts ändern wollen.

 

27) Sollte am Ende des Europäischen Prozesses eine gewählte Europäische Regierung stehen, welche durch das Europaparlament kontrolliert wird?

 

MARKUS DRENGER:

 

Ich bin mir nicht sicher, ob das ein wünschenswertes Modell ist. Ich mag föderale Modelle für eine Europäische Union sehr viel mehr, da „bottom-up“-Ansätze und das experimentieren mit Ideen mir sehr viel lieber ist als ein „one-size-fits-all“-Ansatz.

 

28) Was wünscht Du Dir für die Zukunft in Europa?

 

MARKUS DRENGER:

 

Ich wünsche mir, dass das Friedensprojekt EG/EU weiter wächst und mit guten Reformen sehr viel transparenter und bürgernäher wird.

 

Interview mit Markus Drenger zur Kandidatur für das Europaparlament 2014

 

Kompass:        Markus Drenger, vielen Dank für das Gespräch.

 

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