Das erst ein Jahr alte Vorratsdaten- und Überwachungsgesetz in Großbritannien ist rechtswidrig. So entschied nun das Oberste Zivilgericht in erster Instanz, wie der „Guardian“ gestern berichtete.
Der Data Retention and Investigatory Powers Act (DRIPA) 2014 ist laut Urteil inkonsistent mit europäischen Gesetzen. Wie bei unserer neu aufgelegten bundesdeutschen Vorratsdatenspeicherung verlangt DRIPA, dass Internet- und Telekom-Firmen die Kommunikationsdaten speichern und auf Anfrage an berechtigte Behörden herausgeben. Die Speicherfrist beträgt ein Jahr, wesentlich mehr als die deutschen zehn Wochen.
Die Argumente der Richter sind nichts neues für aufmerksame Beobachter. Sie mäkeln, dass es keine klaren und präzisen Regeln für den Zugriff gibt. Das DRIPA-Gesetz ermögliche keine Nachschau durch unabhängige Richter. Es gebe, so das Urteil, keine gesetzliche Definition, was ein schlimmes Vergehen ist.
#DRIPA ruled illegal by High Court. @PiratePartyUK will keep fighting against #MassSurveillance and #SnoopersCharter https://t.co/eEzafdZ4Wr
— Mark Chapman (@Pirate_Lennon) July 17, 2015
Mark Chapman, Sprecher der „Pirate Party UK“ sagte dazu gestern: „Wir sagten damals bereits, dass das Durchziehen von diesem Schnüffelgesetz zu Chaos führt. Es war keine Zeit, um DRIPA genau zu untersuchen, deshalb ist es kein Wunder, dass es nun teilweise für illegal erklärt wurde.“
Eilige Entrechtung
DRIPA kam als Notstandsgesetz daher, und wurde so – ähnlich wie jetzt in Deutschland – ohne große Diskussion innerhalb weniger Tage beschlossen.
An Populismus fehlte es nicht: der in anderen Punkten gemäßigt-konservative Regierungschef David Cameron (Homo-Ehe, Ökopolitik, aufgebesserte Krankenversicherung, flexiblere Immigration) sagte in der knappen Debatte, man brauche den Daten-Zugriff auf alle, um sich vor Kinderschändern, Gangstern und Terroristen zu schützen.
Gegen das frische Urteil ist nun Berufung möglich, sogar in zwei Instanzen. Diesen Weg will die Regierung gehen, statt das Gesetz zu verbessern oder gleich komplett zu streichen.
Der erzkonservative Innen- und Sicherheitsminister John Hayes begründet die Berufung laut Guardian so:
„Kommunikationsdaten sind nicht nur entscheidend in der Untersuchung von schweren Verbrechen. Sie sind auch ein fundamentaler Teil von Untersuchungen in anderen Verbrechen, die auch einen schweren Impact haben, etwa Stalking und Belästigung. Aber auch um vermisste Personen zu finden, sowie Leute, die mit Selbstmord drohen.“
Umfrage statt Grundrechte
Möglicherweise ist dieses Beharren auch nur der starken Fixierung auf Umfragezahlen geschuldet.
Die Demoskopen melden: über die letzten Jahre ist im Volk die Beunruhigung über geheimdienstlich aufgezeichnete Telefon- und Internetdaten eher zurückgegangen. Waren 2013 noch 56 Prozent der Deutschen sehr und etwas besorgt, sind es 2015 nur noch 38 Prozent.
Eine Mehrheit findet die BND-NSA-Zusammenarbeit gut, Datenschutz ist nicht der gesellschaftliche Aufreger, jedenfalls zur Zeit. 84 Prozent der politisch Interessierten beunruhigen dagegen über die letzten Jahre gestiegenen Terror-Aktivitäten des „Islamischen Staates“. Das ermittelten die Meinungsforscher von Allensbach im Juni 2015 für die FAZ.
Forsa-Geschäftsführer Manfred Güllner sagte heute im Deutschlandfunk, er warne die Politik davor, sich nach Umfragen und Mehrheitsmeinungen zu richten. Die Menschen erwarteten von den Politikern Führungs- und Prägekraft.
Die Piraten Deutschland wollen diesen Sommer 100.000 Unterschriften gegen die Vorratsdatenspeicherung sammeln und im Reichstag übergeben.