Der einflußreiche 70. Deutsche Juristentag endete unter anderem mit neuen Anregungen aka Beschlüssen für die Weiterentwicklung des Urheberrechtes.
Etwa 50 Teilnehmer in der Abteilung Urheberrecht haben viele fortschrittliche Punkte abgelehnt und den Kommerznutzern ein paar neue Brücken gebaut.
Und am Horizont, vielleicht beschleunigt mit TTIP & CETA, drohen auch bei uns US-amerikanische Regelungen aus der Welt des „Geistigen Eigentums“: zum Beispiel DMCA-Löschpflichten, die auch der Scientology-Konzern zu schätzen weiß. Dazu weiter unten mehr.
Ein Blick auf die Beschlüsse
So stimmten die Juristen mit breiter Mehrheit dagegen, dass ein allgemeiner Vorbehalt für Nutzerinteressen ins Gesetz kommen soll – ein Vorbehalt, wie er übrigens in der Deklaration der Menschenrechte dort in Artikel 27 (1) aufgeführt ist:
Jeder hat das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich an den Künsten zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Errungenschaften teilzuhaben.
Auch weitergehende Klarstellungen, dass zwischen Interessen der Urheber, Verwerter und Nutzer ein Ausgleich stattzufinden hat, fanden keine Zustimmung der tagenden Juristen.
Beim Schutz von Werkteilen besteht kein Reformbedarf. Der Teileschutz sollte jedoch bei Leistungsschutzrechten einer Kleinkram-Grenze (Juristensprech: „de-minimis“) unterstellt werden. Rechte der Tonträgerhersteller, Filmproduzenten und Sendeunternehmen sollen nur dann als verletzt gelten, wenn ein Produkt entsteht, das mit dem Original konkurriert.
Die heutzutage nur noch ärgerlichen Leistungsschutzrechte für Lichtbilder und Laufbilder sollen bleiben, das junge Leistungsschutzrecht des Presseverlegers soll natürlich auch bleiben.
Erfreulich: für amtliche Datenbanken will eine breite Juristenmehrheit eine Schutzbeschränkung zwecks kommerzieller Ausbeutung sehen, was sich ausnahmsweise mal mit den Open Government- und Open-Data-Initiativen der Piraten deckt.
Abmahnanwälte sollen nicht arbeitslos werden: die Repression soll beim Nutzer ansetzen, jedenfalls solange illegalen Angebotsplattformen im Ausland nur mit unverhältnismäßigem Aufwand begegnet werden kann.
Schön: Die Freiheit der Privatkopie ist auch für den digitalen Bereich beizubehalten, aber in einer eigenständigen Bestimmung zu regeln. Nicht so schön: Die Freiheit der Privatkopie ist nur gegen Vergütung zu gewährleisten. Momentan gibt es teils saftige Pauschalabgaben, etwa 36 Euro pro Smartphone oder 15,20 Euro für einen PC.
Abgelehnt werden weitergehende Privatnutzungen wie „Remixen“: für die kreative Umgestaltung von Werken zu nicht-gewerblichen Zwecken gibts jedenfalls vom Juristentag keine neue gesetzliche „Schranke“, die diese freie Nutzung erlaubt.
Die ehemalige PIRATEN-EU-Abgeordnete Amelia Andersdotter sagte Anfang 2014 zu diesem Thema: „Es ist ebenfalls kein Zufall, dass Europa ein Ort der Remixe, von Philosophie und Wissenschaft ist. Wir profitieren von gegenseitiger Erfahrung und Wissen, wir vermischen, und wir schaffen etwas Neues. In Europa war dies immer der Garant für Fortschritt, der jetzt durch das Urheberrecht beschränkt wird.“
Schranken fallen sollen bei verwaisten Werke, diese sollten auch privaten Unternehmen und auch zu kommerziellen Zwecken offen stehen.
Das „Embedding“ fremder Internetinhalte, etwa von Youtube-Videos in eigenen Blog, soll zu urheberrechtlichen Ansprüchen führen.
Ein Herz für Freifunker und Hotels zeigten die Juristen im Bereich der Störerhaftung: Bei Bereitstellung eines öffentlichen WLAN-Zugangs sollten nur eng begrenzte Schutzpflichten bestehen.
Für die Speicherung fremder Inhalte (Hosting) wird grundsätzlich nur nach einem Hinweis auf konkretes rechtswidriges Verhalten gehaftet. Aber: Nach einem solchen Hinweis ist der Host nicht nur zur Beseitigung, sondern auch zur Vorbeugung gegen erneute gleichartige Rechtsverletzungen verpflichtet, müsste also eine immer längere Zensurliste führen und seine Nutzer im Zeitablauf immer stärker überwachen. Und am Horizont droht eine deutsche/europäische Variante des US-amerikanischen DMCA: bisherige Haftungsvorschriften sind durch die Einführung angemessener und rechtssicherer notice-and-take-down-Verfahren zu ergänzen.
Weiter gehts mit der geistigen Repression: keine neue Schrankenregelung, die Suchmaschinen von der Haftung für unmittelbare Verletzungen freistellt, sofern die Anzeige nur dem Auffinden anderer Websites dient.
Erst Mail, dann Abmahnung: Zugangsvermittler sollten auf Anforderung eines Rechteinhabers verpflichtet sein, einen standardisierten Warnhinweis per E-Mail an Nutzer zu versenden, die das Urheberrecht oder verwandte Schutzrechte wie etwa das Presse-Leistungsschutzrecht verletzt haben. Erst wenn ein solcher Warnhinweis ergangen ist, besteht gegenüber privaten Ersttätern die Möglichkeit einer kostenpflichtigen Abmahnung.
Der intensive Freiheitseingriff „Sperrverfügung“ auf breiter Basis soll wieder auferstehen. Anfang der 00er Jahre kamen sie gegen Naziseiten auf. Jetzt werden die Sperren für Urheberkommerz salonfähig: Zugangsvermittlern sollen nach Juristenwunsch konkrete Maßnahmen zur Sperrung einer Website mit ganz oder vorwiegend rechtsverletzenden Inhalten aufgegeben werden können.