Schon am Freitag wird der Deutsche Bundestag über die Wiedereinführung der umstrittenen „Vorratsdatenspeicherung“ (VDS) abstimmen.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, ohne konkreten Verdacht die Verbindungsdaten aller Telefongespräche und Internetverbindungen für die Dauer von zehn Wochen zu speichern. Standortdaten von Mobilfunkgeräten sollen für vier Wochen protokolliert werden.
a) – Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten
Drucksache 18/5088
– Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten
Drucksache 18/5171
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss)
Drucksache 18/…
b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (6. Ausschuss)
zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE.
Auf Vorratsdatenspeicherung verzichten
Drucksachen 18/4971, 18/…LINK
Das alles liegt nicht im Trend: In den letzten Jahren fielen europaweit reihenweise nationale Vorratsdatenregime nach Gerichtsurteilen.
- Verfassungsrechtler und Datenschützer sehen auch in den 10-Wochen-Vorratsdaten eine unverhältnismäßige Beschränkung des Grundrechts auf Datenschutz.
- Daneben kritisieren Bürgerrechtler und Journalisten-Verbände einen Paragraph gegen sogenannte „Datenhehlerei„, der Leaks unter Strafe stellen will.
- Damit nähert sich Deutschland der Vorgehensweise von weitestgehend bürgerrechtsfreien Nationen wie China oder Russland an.
Befürworter der VDS meinen, mit dem kurzen Speicherzeitraum (Wochen statt Monaten) sei der Kritik von Verfassungsrichtern Genüge getan.
Piraten schicken Protest-Unterschriften
Mit einem Schreiben wendet sich der Bundesvorsitzende der PIRATEN, Stefan Körner, an Abgeordnete der zuständigen Bundestagsausschüsse und schickt ihnen Bürgerunterschriften gegen das Vorhaben.
Körner appelliert im Namen der Bürgerinnen und Bürger, einer verdachtslosen Vorratsspeicherung aller Verbindungs- und Bewegungsdaten nicht zuzustimmen. Das Schreiben bildet den Abschluss einer mehrwöchigen Aktion, mit der die PIRATEN bundesweit tausende Unterschriften gesammelt haben.
„Mit der flächendeckenden Datenspeicherung ‚auf Vorrat‘ droht ein Paradigmenwechsel, der – zu Ende gedacht – in eine vorsorgliche Aufzeichnung jedes menschlichen Verhaltens mündet und das Recht auf Privatsphäre vernichten kann“,
warnt Patrick Breyer, Themenbeauftragter der Piratenpartei für Datenschutz.
„Eine verdachtsunabhängige und wahllose Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten hält Menschen davon ab, Eheberatung, Psychotherapeuten oder eine Drogenberatungsstelle in Anspruch zu nehmen oder die Presse über Missstände zu informieren. Diese nie dagewesene Erfassung alltäglichen Verhaltens der gesamten Bevölkerung zieht in weiten Bereichen der Gesellschaft irreparable Schäden nach sich und muss deshalb gestoppt werden!“
Gegen Vorratsdaten urteilte in der Vergangenheit das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof. Die Piratenpartei kündigte bereits in der Vergangenheit eine erneute Klage gegen die runderneuterte Vorratsdatenspeicherung an, sobald das Gesetz verabschiedet ist.
International steigen viele Länder in die „Data Retention“ ein. In Australien wird in diesen Tagen das Gesetz für 2 Jahre Telekom-Vorratsdaten eingeführt, mit der Folge, dass kleinere ländliche Provider reihenweise schließen, während die größeren Anbieter ihre gestiegenen Kosten an die Nutzer weiterreichen. Auch der Datenschutz ist dort ein Kritikpunkt: zwar sollen auch nach australischem Recht die Vorratsdaten verschlüsselt bei den Internet-Providern gespeichert sein, doch es gibt Ausnahmeregelungen, falls das zu aufwändig ist. Dann reicht unverschlüsselter Klartext. Neue Sicherheitslücken tun sich auf.
Andere Datenhalden
Vorratsdaten, wenn auch „nur“wochenlang, laden einmal eingeführt, zu ausufernder Benutzung und vielfältigem Mißbrauch ein. Es ist absehbar, dass sich nach und nach die Schleusen öffnen und die Datenhalden nach Behördenmitarbeitern mit Bürger-Repressionsideen suchen. Wie etwa bei anderen nationalen Speicherprojekten.
Beim Kontoabruf aus dem Hartz-Einführungsjahr 2005 kann nicht nur das Finanzamt erfahren, über welche deutschen Konten ein Bürger verfügt. Mittlerweile haben immer mehr Behörden – seit 2007 Sozialämter und seit Anfang 2013 auch Gerichtsvollzieher – Zugriff. Für den reicht es bereits, wenn ein allgemeiner Verdacht vorliegt. Informiert werden muss der Bürger in jedem Fall, ein Hinweis, etwa kleingedruckt im Steuerbescheid, genügt. Heißbegehrte Daten mit 2012 für 114.364 Abfragen, 2013 schon mit 142.000 und 2014 mit 230.000 Abfragen.